10. GWB-Novelle – endlich geht’s weiter!

Nachdem in den vergangenen Monaten kaum etwas aus Berlin zu vernehmen war, hat die Bundesregierung nunmehr am 09.09.2020 dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgelegten Entwurf des GWB-Digitalisierungsgesetzes (10. GWB-Novelle) zugestimmt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist über die Homepage des BMWi abrufbar. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung weicht, von redaktionellen Dingen abgesehen, in mehreren die Fusionskontrolle betreffenden Punkten vom Referentenentwurf vom 23.01.2020 ab (s. hierzu auch unseren Blogbeitrag vom 31.03.2020).

Erhöhung der Aufgreifschwellen in der Fusionskontrolle

Die Aufgreifschwellen gem. § 35 GWB sollen in mehrerlei Hinsicht geändert, konkret die Schwellenwerte angehoben werden. Ziel ist es, die Zahl der angemeldeten Zusammenschlüsse weiter zu reduzieren, damit sich das Bundeskartellamt stärker auf die komplexeren, im Hauptprüfungsverfahren zu entscheidenden Fälle konzentrieren kann.

In § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB soll die 1.  Inlandsumsatzschwelle von derzeit 25 Mio. EUR auf 30 Mio. EUR und, wie schon im Referentenentwurf, die 2. Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. EUR auf 10 Mio. EUR erhöht werden. Unverändert muss der gemeinsame weltweite Umsatz aller beteiligten Unternehmen die Schwelle von 500 Mio. EUR überschreiten. In der im Zuge der 9. GWB-Novelle eingefügten neuen Aufgreifschwelle in § 35 Abs. 1 a GWB (Wert der Transaktion mehr als 400 Mio. EUR) soll die 2. Inlandsumsatzschwelle ebenfalls von 5 Mio. EUR auf 10 Mio. EUR erhöht werden.

Wie schon im Referentenentwurf vorgesehen, soll die aufgrund der Erhöhung der 2. Inlandsumsatzschwelle obsolet werdende Anschlussklausel (der Umsatz des zu erwerbenden Unternehmens beträgt nicht mehr als 10 Mio. EUR) aufgehoben werden.

Anhebung der Schwelle für sog. Bagatellmärkte

Angepasst wird auch die sog. Bagatellmarktklausel in § 36 Abs. 1 Nr. 2 GWB, der zufolge das Bundeskartellamt einen Zusammenschluss auf einem Markt mit einem Umsatzvolumen von weniger als 15 Mio. EUR grundsätzlich nicht untersagen darf. Diese Schwelle wird auf 20 Mio. EUR angehoben. Für die Ermittlung des Marktvolumens soll das Bundeskartellamt allerdings entsprechend der bisherigen Entscheidungspraxis nunmehr ausdrücklich befugt sein, mehrere sachlich oder räumlich benachbarte Märkte zusammenzufassen.

Remondis-Klausel

Die sog. Remondis-Klausel in § 39a GWB-E soll dem Bundeskartellamt die Möglichkeit verschaffen, Unternehmen durch Verfügung dazu zu verpflichten, Zusammenschlüsse in einem bestimmten Wirtschaftszweig auch dann anzumelden, wenn die Aufgreifschwellen gemäß § 35 Abs. 1/Abs. 1 a GWB nicht erreicht werden (s. hierzu bereits unseren Blogbeitrag vom 31.03.2020).

Die Voraussetzungen sind im Regierungsentwurf gegenüber dem Referentenentwurf allerdings deutlich – zu Lasten des Bundeskartellamts - verschärft worden. Während nach dem Referentenentwurf lediglich vorausgesetzt wurde, dass das betreffende Unternehmen im letzten Geschäftsjahr weltweit Umsätze von 250 Mio. EUR erzielt hat und Anhaltspunkte bestehen, dass durch weitere Zukäufe der Wettbewerb im Inland eingeschränkt werden kann, soll nach dem Regierungsentwurf nicht nur die Umsatzschwelle auf 500 Mio. EUR erhöht werden; auch die Eingriffsschwelle für das Bundeskartellamt soll deutlich erhöht werden. So soll die Verpflichtungsverfügung des Bundeskartellamts nunmehr voraussetzen, dass objektive Anhaltspunkte bestehen, dass durch weitere Zukäufe der Wettbewerb im Inland erheblich behindert werden könnte, der Anteil des betroffenen Unternehmens an Angebot oder Nachfrage in den relevanten Wirtschaftszweigen mindestens 15 % beträgt und das Bundeskartellamt zuvor eine Sektoruntersuchung gemäß § 32e GWB durchgeführt hat.

Abgesehen davon, dass sich die Marktanteilsschwelle unspezifisch auf den „relevanten Wirtschaftszweig“ bezieht, und nicht wie üblich auf den relevanten Markt, dürfte entscheidendes Hemmnis für das Bundeskartellamt die Verpflichtung sein, zuvor eine (zeit)aufwendige Sektoruntersuchung durchzuführen. Es bleiben hiernach erhebliche Zweifel, ob die Remondis-Klausel das beabsichtigte Ziel, eine zunehmende Marktkonzentration in bestimmten Wirtschaftszweigen durch unterhalb der Aufgreifschwellen liegende Zusammenschlüsse stärker zu kontrollieren, wirksam erreicht werden kann.

Privilegierung von Krankenhausfusionen

Grundlegend neu gegenüber dem Referentenentwurf beabsichtigt die Bundesregierung, standortübergreifende Zusammenschlüsse zwischen akutstationären Krankenhäusern unter bestimmten Voraussetzungen zu privilegieren.

Hintergrund der beabsichtigten Neuregelung ist der im Dezember 2018 errichtete Strukturfonds, dem aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds in den Jahren 2019 bis 2022 Mittel i.H.v. bis zu 500 Mio. EUR jährlich zugeführt werden. Nach der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (KHSFV) können standortübergreifende Konzentrationen akutstationärer Versorgungseinrichtungen aus Mitteln des Strukturfonds gefördert werden. Hierzu gehören Konzentrationen von mehreren Krankenhäusern ebenso wie solche einzelner Fachrichtungen mehrerer Krankenhäuser. Voraussetzung für die Förderung ist die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Mit der geplanten Ergänzung in § 186 Abs. 9 GWB-E sollen gesundheitspolitisch besonders wünschenswerte Zusammenschlussvorhaben, mit denen die gesundheitspolitischen Ziele einer Spezialisierung und Zentrenbildung zugunsten einer patienten- und bedarfsgerechten wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhäusern verfolgt werden, wettbewerbsrechtlich privilegiert werden.

Für die Freistellung von der Fusionskontrolle ist zunächst erforderlich, dass keine anderen als die fusionskontrollrechtlichen Vorschriften entgegenstehen – also insbesondere kein Verstoß gegen das Kartellverbot vorliegt – und dies das Land in seinem Förderantrag bestätigt hat. Auch müssen die weiteren Voraussetzungen für eine Förderung aus den Mitteln des Strukturfonds vorliegen und dies im Rahmen des Auszahlungsbescheides festgestellt worden sein. Die Privilegierung dieser Krankenhausfusionen ist an die Laufzeit des Strukturfonds geknüpft, sodass nur Zusammenschlüsse profitieren können, die bis zum 31.12.2025 vollzogen werden. Dies und die Verknüpfung mit der Förderung aufgrund des Strukturfonds soll verhindern, dass insbesondere Finanzinvestoren ein uneingeschränkter Zugriff auf die deutsche Krankenhauslandschaft eröffnet wird.

Wie geht´s weiter?

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist nunmehr dem Bundestag zugeleitet worden. Es bleibt spannend, ob dort weitere Änderungen erfolgen und letztlich Gesetz werden. Kern des GWB-Digitalisierungsgesetzes (10. GWB-Novelle) ist die Umsetzung der sog.
ECN+-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1). Damit dies fristgerecht erfolgt, müsste die 10. GWB-Novelle bis zum 04.02.2021 in Kraft treten.