10. GWB-Novelle – Erleichterungen und Erschwernisse in der Fusionskontrolle

Das am 19.01.2021 in Kraft getretene GWB-Digitalisierungsgesetz (10. GWB-Novelle) bringt insbesondere im Bereich der Fusionskontrolle eine Reihe von Neuerungen. Einerseits erweitern diese die Spielräume für die Unternehmen, wie die Erhöhung der Inlandsumsatzschwellen in § 35 Abs.1/Abs. 1 a GWB oder durch die Privilegierung bestimmter Zusammenschlüsse im Krankenhausbereich (§ 186 Abs. 9 GWB), andererseits legt die neue Regelung in § 39 a GWB Unternehmen weitere Bürden auf, müssen diese doch u.U. Zusammenschlüsse auch dann anmelden, wenn die Aufgreifschwellen nicht erreicht werden.

Anhebung der Umsatzschwellen

Die nunmehr erfolgte Anhebung beider Inlandsumsatzschwellen dürfte wohl die in der Praxis bedeutendste Änderung sein. Unverändert ist für die Anmeldepflicht gem. § 35 Abs. 1 GWB erforderlich, dass alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. EUR erzielt haben. Neu ist allerdings, dass

  • eines der beteiligten Unternehmen im Inland mehr als 50 Mio. EUR (statt bisher 25 Mio. EUR) und
  • ein anderes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Mio. EUR (statt bisher 5 Mio. EUR)

erzielt haben muss.

Die Anhebung der zweiten Inlandsumsatzschwelle erweitert die Möglichkeit zum Erwerb kleiner Unternehmen; die sog. Anschlussklausel, die 100 %-Erwerbe bis zu einem Umsatz von 10 Mio. EUR fusionskontrollfrei stellte, ist damit obsolet geworden und wurde folgerichtig gestrichen. Von der Anhebung beider Inlandsumsatzschwellen profitieren auch ausländische Unternehmen mit vergleichsweise geringen Umsätzen in Deutschland. Die Zahl der Fusionskontrollanmeldungen dürfte sich hierdurch erheblich reduzieren.

Die geänderten Inlandsumsatzschwellen gelten auch für Zusammenschlussvorhaben, deren Transaktionswert die Schwelle von 400 Mio. EUR übersteigt (vgl. § 35 Abs. 1a GWB). Erforderlich ist darüber hinaus, dass

  • alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. EUR,
  • eines der beteiligten Unternehmen im Inland mehr als 50 Mio. EUR (statt bisher 25 Mio. EUR) und
  • weder das zu erwerbende noch ein anderes beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Mio. EUR (statt bisher 5 Mio. EUR) erzielt haben und
  • das zu erwerbende Unternehmen in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.

Wichtig für Zusammenschlüsse im Pressebereich ist die weitere Absenkung des Multiplikators zur Ermittlung der relevanten Umsatzerlöse. Die im Pressebereich erzielten Umsatzerlöse werden ab sofort nur noch mit dem Faktor 4 (bisher 8) multipliziert. Dadurch bleiben insbesondere Übernahmen kleiner Zeitungsverlage mit einem Umsatz von bis zu knapp 4,4 Mio. EUR (17,5 Mio. EUR:4) fusionskontrollfrei.

Formelle Erleichterungen bei anmeldepflichtigen Zusammenschlüssen

Das BKartA erweitert die Möglichkeiten zur Einreichung von Fusionskontrollanmeldungen auf elektronischem Wege. Bisher ist dies ausschließlich über DE-Mail oder mit qualifizierter elektronsicher Signatur jeweils an eine zentrale, vom BKartA eingerichtete Adresse möglich, zukünftig auch über das besondere elektronische Behördenpostfach sowie über eine Internetplattform.

Nicht mehr erforderlich ist zukünftig die Vollzugsanzeige, die bisher nach Vollzug des Vorhabens, also bspw. nach Übergang der Geschäftsanteile an das BKartA übersandt werden musste.

Die Prüfungsfrist bei Eröffnung des Hauptprüfverfahrens, wenn also eine vertiefte Analyse des Vorhabens erforderlich ist, ist von zuvor vier auf nunmehr fünf Monate verlängert worden. Da die Frist bei Eröffnung des Hauptprüfverfahrens aber wie bisher mit Zustimmung der Parteien verlängert werden kann, führt dies im Ergebnis wahrscheinlich nicht zu einer tatsächlichen Verkürzung umfangreicher Fusionskontrollverfahren. Denn das BKartA hat insbesondere vor dem Hintergrund, dass in komplexen Zusammenschlussfällen ökonomische Gutachten eingeholt und bewertet werden müssen, häufig von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, der sich die Zusammenschlussbeteiligten angesichts der anderenfalls drohenden Untersagung regelmäßig nicht verschließen konnten.

Anmeldepflicht u.U. auch ohne Erreichen der Umsatzschwellen

Der neue § 39 a GWB (sog. Remondis-Klausel) verschafft dem BKartA die Möglichkeit, Unternehmen durch Verfügung dazu zu verpflichten, Zusammenschlüsse in einem bestimmten Wirtschaftszweig unter gegenüber § 35 Abs. 1/Abs. 1 a GWB abgesenkten Voraussetzungen anzumelden. Voraussetzung für eine derartige Verfügung ist aber, dass

  • das zu verpflichtende Unternehmen im letzten Geschäftsjahr weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. EUR erzielt hat,
  • objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der Wettbewerb im Inland in den genannten Wirtschaftszweigen erheblich behindert werden könnte und
  • das Unternehmen in den genannten Wirtschaftszweigen ein Anteil von mindestens 15 % am Angebot oder an der Nachfrage von Waren oder Dienstleistungen in Deutschland hat.
  • Zudem muss das BKartA zuvor auf einem der betroffenen Wirtschaftszweige eine Sektoruntersuchung nach § 32 e GWB durchgeführt haben.

Die Anmeldepflicht gilt für drei Jahre ab Zustellung der Verfügung des BKartA.

Aber auch dann muss das Unternehmen Zusammenschlüsse nur dann anmelden, wenn

  • das zu erwerbende Unternehmen im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse von mehr als 2 Mio. EUR und
  • hiervon mehr als 2/3 seiner Umsatzerlöse im Inland erzielt hat.

Aufgrund der im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen Änderungen sind die Voraussetzungen der Norm nunmehr insgesamt so restriktiv, dass der Gesetzgeber nicht mit mehr als drei Verfahren pro Jahr rechnet.

Sonderregelung für Krankenhausfusionen

Mit § 186 Abs. 9 GWB wird eine bis Ende 2027 befristete Sonderregelung für bestimmte Formen von Zusammenschlüssen im Krankenhausbereich eingeführt. Hiernach werden bestimmte Formen standortübergreifender Zusammenschlüsse von akutstationären Krankenhäusern von der deutschen Fusionskontrolle ausgenommen, soweit das Vorhaben nach der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (KHSFV) förderungsfähig und wettbewerblich im Übrigen unbedenklich ist. Auch wenn damit nicht alle Zusammenschlüsse im Krankenhausbereich von der Neuregelung profitieren können, bietet diese für die kommenden Jahre deutlich mehr Spielraum für regionale Krankenhausfusionen. Geplante Erwerbe von Alten- und Pflegeheimen oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) fallen zwar nicht unter diese Sonderregelung. Durch die Anhebung der zweiten Inlandsumsatzschwelle in § 35 Abs. 1/Abs. 1a GWB ergeben sich zukünftig aber auch hier erweiterte Möglichkeiten, die Transaktion ohne Fusionskontrollverfahren zu vollziehen. Näheres hierzu in Kürze in einem gesonderten Blog-Beitrag.

Fazit

  • Die 10. GWB-Novelle bringt im Bereich der Fusionskontrolle eine Reihe von Änderungen mit sich. Klar erkennbar ist die stärkere Fokussierung auf wettbewerblich potenziell bedenkliche Vorhaben. Insgesamt dürften weniger Anmeldungen erforderlich sein, eine Entlastung nicht nur des BKartA sondern vor allem der Unternehmen.