10. GWB-Novelle in Kraft getreten – ein erster Überblick

Nach recht schleppendem Fortschritt im vergangenen Jahr ging es zum Schluss äußerst schnell: Nach Zustimmung des Bundestages am 14.01.2021 ist das sog. GWB-Digitalisierungsgesetz, die 10. GWB-Novelle, am 19.01.2021 in Kraft getreten. Gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 09.09.2020 bzw. 19.10.2020 (s. hierzu auch unseren Blogbeitrag vom 16.09.2020 gibt es nunmehr eine Reihe von Änderungen, insbesondere im Bereich der Kontrolle von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung (dem neuen § 19a GWB), bei der Fusionskontrolle  sowie bei der Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen im Rahmen der Bußgeldzumessung (§ 81 d GWB). Sämtliche vom Bundestag beschlossenen Änderungen gehen auf Vorschläge des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom 13.01.2021 zurück.

Missbrauchsaufsicht über Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung

Um zu verhindern, dass Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb, die bspw. als digitale Ökosysteme oder Plattformen in besonderer Weise befähigt sind, ihre Machtposition über Marktgrenzen hinweg auszudehnen oder ihre Unangreifbarkeit abzusichern, hat der Gesetzgeber in § 19a GWB dem Bundeskartellamt neue Möglichkeiten der Missbrauchskontrolle zur Verfügung gestellt. Das Bundeskartellamt kann zukünftig in einem zweistufigen Verfahren in das Verhalten von Unternehmen mit derartiger Bedeutung eingreifen. Hierbei stehen insbesondere Unternehmen mit Gatekeeper-Funktion, wie Google, Facebook oder Amazon im Fokus. Dies fügt sich ein in die insbesondere auf europäischer Ebene forcierten Bemühungen einer wettbewerblichen Verhaltenskontrolle in diesen stark innovationsgetriebenen Märkten. Im Unterschied zum ursprünglichen Referentenentwurf (s. hierzu auch unseren Blogbeitrag vom 31.03.2020) und auch dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sind die Untersagungstatbestände nunmehr durch zahlreiche Regelbeispiele für missbräuchliches Verhalten konkretisiert worden.

Änderungen in der Fusionskontrolle

Bereits im Regierungsentwurf war eine Erhöhung der Inlandsumsatzschwellen in der Fusionskontrolle (§ 35 GWB) geplant. Entsprechend der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie sind diese Schwellenwerte nunmehr stärker angehoben worden. In § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB erhöht sich die erste Inlandsumsatzschwelle von derzeit 25 Mio. EUR auf 50 Mio. EUR, die zweite Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. EUR auf 17,5 Mio. EUR. Unverändert muss der gemeinsame weltweite Umsatz aller beteiligten Unternehmen die Schwelle von 500 Mio. EUR überschreiten. In der im Zuge der 9. GWB-Novelle eingeführtem neuen Aufgreifschwelle in § 35 Abs. 1 a GWB (Transaktionswert größer als 400 Mio. EUR) sind die beiden Inlandsumsatzschwellen im gleichen Umfang erhöht worden.

Gegenüber dem Regierungsentwurf unverändert ist die sog. Bagatellmarktklausel in § 36 Abs. 1 Nr. 2 GWB angepasst worden. Hiernach darf das Bundeskartellamt einen Zusammenschluss auf einen Markt mit einem Umsatzvolumen von nunmehr weniger als 20 Mio. EUR (vorher 15 Mio. EUR) grundsätzlich nicht untersagen.

Ebenso unverändert gegenüber dem Regierungsentwurf ist die sog. Remondis-Klausel in § 39a GWB Gesetz geworden. Hiernach hat das Bundeskartellamt die Möglichkeit, Unternehmen durch Verfügung dazu zu verpflichten, Zusammenschlüsse in einen bestimmten Wirtschaftszweig auch dann anzumelden, wenn die Aufgreifschwellen gem. § 35 Abs. 1 bzw. Abs. 1a GWB nicht erreicht werden.

Die zunächst geplanten Änderungen im Ministererlaubnisverfahren (§ 42 GWB) sind nicht Gesetz geworden. Es bleibt also bei der bisherigen Regelung.

Wie bereits im Regierungsentwurf vorgesehen, werden standortübergreifende Zusammenschlüsse zwischen akutstationären Krankenhäusern zeitlich befristet privilegiert (vgl. § 186 Abs. 9 GWB). Für die Freistellung von der Fusionskontrolle müssen insbesondere die Voraussetzungen für eine Förderung aus den Mitteln des Krankenhausstrukturfonds vorliegen und dies im Rahmen des Auszahlungsbescheides festgestellt worden sein. Da die Privilegierung an die Laufzeit des Krankenhausstrukturfonds geknüpft und diese zwischenzeitlich um zwei Jahre bis Ende 2024 verlängert worden ist, ist der Zeitraum, in dem diese Vorhaben von der Neuregelung profitieren können, bis zum 31.12.2027 verlängert worden.

Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen bei der Bußgeldzumessung

Im neuen § 81 d GWB ist nunmehr die lange umstrittene und insbesondere von den Kartellbehörden abgelehnte Berücksichtigung unternehmensinterner Compliance-Maßnahmen bei der Bußgeldzumessung Gesetz geworden. Auch diese Änderung ist auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zurückzuführen. Eine nennenswerte Berücksichtigung darf der Gesetzesbegründung zufolge zwar nur dann erwartet werden, wenn die ergriffenen Compliance-Maßnahmen zur Aufdeckung und Anzeige der Zuwiderhandlung geführt haben. Aber auch dann, wenn trotz Compliance-Maßnahmen eine Zuwiderhandlung im Unternehmen begannen wird, kann das Unternehmen zukünftig regelmäßig mit einer gewissen Bußgeldreduzierung rechnen, sofern es entsprechend seiner Unternehmensgröße angemessene Compliance-Maßnahmen ergriffen hat.

Wir berichten weiter

Soweit unser erster Überblick über die 10. GWB-Novelle. In den kommenden Wochen berichten wir ausführlicher über alle wichtigen Neuerungen und deren Konsequenzen für die Unternehmenspraxis.