Abschlussbericht der Sektoruntersuchung Krankenhäuser – nichts Neues aus Bonn

Am 02.09.2021 hat das Bundeskartellamt den 328 Seiten starken Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung Krankenhäuser vorgelegt. Gemäß § 32e GWB kann das Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung durchzuführen, wenn es Umstände gibt, die darauf hinweisen, dass der Wettbewerb in einem bestimmten Wirtschaftszweig eingeschränkt ist. Anlass der Sektoruntersuchung Krankenhäuser war es, die wettbewerblichen Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume bei Krankenhäusern umfassend zu beleuchten und die Fusionskontrollpraxis des Bundeskartellamts weiterzuentwickeln.

Gegenstand und Ablauf der Untersuchung

  • Die Sektoruntersuchung konzentrierte sich auf die von den Krankenhäusern in Deutschland angebotenen akutstationären Behandlungen somatischer Erkrankungen, umfasste also nicht die psychiatrischen bzw. psychologischen Behandlungen.
  • Um die wettbewerblichen Handlungsspielräume beim Angebot akutstationärer Krankenhausbehandlungen zu erfassen, befragte des Bundeskartellamt eine aus seiner Sicht repräsentative Auswahl von insgesamt 432 Krankenhäusern im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in Hessen, in Thüringen und in Sachsen sowie in den an diese Bundesländer angrenzenden Landkreisen der benachbarten Bundesländer sowie 636 niedergelassene Vertragsärzte der wesentlichen Fachrichtungen in der Region Darmstadt. Zudem wurde unmittelbar von den Krankenhausträgern der Teil des Datensatzes nach § 21 Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) abgefragt und ausgewertet, den das Bundeskartellamt zum Zwecke der Fusionskontrolle vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) anfordert.

Wesentliche tatsächliche Ergebnisse

  • Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts existiert aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen praktisch kein Preiswettbewerb; entscheidendes Wettbewerbskriterium sei die Behandlungsqualität, die neben den Einweisungsempfehlungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte wesentlich für die Auswahl des Krankenhauses durch Patientinnen und Patienten sei.
  • Die Ärztinnen und Ärzte hätten im wesentlichen Erkenntnisse über Qualität und Leistungsspektrum derjenigen Krankenhäuser, in deren Gebiet ihre Praxis liegt. Diese regional geprägten Informationen beeinflussten maßgeblich ihr Beratungs- und Empfehlungsverhalten. Die Auswertung der von den befragten Krankenhäusern erhobenen Daten habe ergeben, dass Patienten unabhängig der Ausweichmöglichkeiten nur eine begrenzte Wegstrecke zum behandelnden Krankenhaus zurücklegten. Unterschiede gebe es nur zwischen den Versorgungsstufen: während die Grund- und Regelversorger, die Schwerpunktversorger und die Maximalversorger jeweils über 80 % ihrer Patienten aus einer Entfernung von bis zu 35 km gewönnen, sei dies bei den Universitätskliniken zu weniger als 65 % und bei Fachkliniken sogar zu weniger als 50 % der Fall.
  • Die Krankenhäuser benötigten Überschüsse aus ihrer Tätigkeit, um damit Investitionen finanzieren und Rendite auf Eigen- und Fremdkapital erzielen zu können. Denn aufgrund der begrenzten öffentlichen Förderung müssten die Krankenhäuser im Durchschnitt mehr als 50 % der erforderlichen Investitionen aus Eigenmitteln stemmen. Reduzierten sie ihre Leistung bzw. ihre Qualität, müssten sie jedoch nur in einem wettbewerblichen Umfeld mit Patientenabwanderungen zu konkurrierenden Krankenhäusern und damit Gewinneinbußen rechnen. Wettbewerb sichere daher eine effiziente und qualitativ hochwertige Leistungserbringung.

Schlussfolgerungen des Bundeskartellamts für die fusionskontrollrechtliche Prüfung

Aufgrund der Sektoruntersuchung sieht das Bundeskartellamt seine bisherige fusionskontrollrechtliche Entscheidungspraxis in jeder Hinsicht bestätigt:

  • Grundlage für die wettbewerbliche Beurteilung ist die Abgrenzung des relevanten Marktes. Von der Rechtsprechung bestätigt, hat das Bundeskartellamt bisher sämtliche somatischen akutstationären Dienstleistungen, die Allgemeinkrankenhäuser und Fachkliniken gegenüber ihren Patienten erbringen, als Sortiment betrachtet, das zu einem Markt gehört. Die Sektoruntersuchung hat nach Auffassung des Bundeskartellamts ergeben, dass dies zumindest bei Zusammenschlüssen von Allgemeinkrankenhäusern mit mehreren Fachabteilungen, die ein heterogenes Leistungsbündel anbieten, uneingeschränkt zutreffend ist. Eine detailliertere Analyse und gegebenenfalls engere Marktabgrenzung ist nur dann angezeigt, wenn sich die Tätigkeiten der Zusammenschlussbeteiligten in einzelnen Fachgebieten überschneiden, in denen der regionale Wettbewerb im Vergleich zum Behandlungsspektrum insgesamt weniger intensiv ist. Gleiches gelte, wenn sich ein Allgemeinkrankenhaus mit einer Fachklinik oder zwei Fachkliniken zusammenschlössen.
  • Auch die häufiger kritisierte Praxis des Bundeskartellamtes zur räumlichen Marktabgrenzung werde durch die Krankenhausdaten und die Befragung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bestätigt. Nur in Ausnahmefällen suchten Patienten ein Krankenhaus außerhalb ihrer Wohnsitzregion auf, etwa auf Reisen oder für ein spezifisches medizinisches Behandlungsbedürfnis. Der räumlich relevante Markt sei somit dort, wo die Patienten herkommen, die sich in den zusammenschlussbeteiligten Krankenhäusern behandeln lassen. Das Bundeskartellamt ermittele dementsprechend für jeden Einzelfall anhand der Krankenhausdaten, aus welchen Gebieten die Patienten der zusammenschlussbeteiligten Krankenhäuser tatsächlich stammen. Eine Patientenbefragung hätte ungeachtet der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten demgegenüber eine geringere Genauigkeit.
  • Die bisherige Praxis zur Prüfung der wettbewerblichen Zusammenschlusswirkungen bedürfe nach Auffassung des Bundeskartellamts aufgrund der Ergebnisse der Sektoruntersuchung ebenfalls keiner Änderung. Die Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten und ihrer Wettbewerber würden unter Berücksichtigung aller somatischen stationären DRG-Behandlungsfälle als Sortiment berechnet. Behandlungsleistungen von außerhalb des räumlich relevanten Marktes ansässigen Krankenhäusern würden dem Volumen des räumlich relevanten Marktes hinzugerechnet und bei der Ermittlung der Marktanteile in diesem Markt berücksichtigt.
  • Darüber hinaus untersuche das Bundeskartellamt die wettbewerbliche Nähe der Zusammenschlussbeteiligten und der mit ihnen konkurrierenden Krankenhäuser. Anhand der jeweiligen Kernbehandlungsleistungen, auf die zusammen 90% der Fälle aus dem jeweiligen Krankenhaus entfielen, beurteile das Bundeskartellamt, in welchen Teilgebieten des räumlichen Marktes die Zusammenschlussbeteiligten besonders starke Anbieter und in welchen sie gegebenenfalls hinreichendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.
  • Schließlich berücksichtige das Bundeskartellamt regelmäßig die von den Zusammenschlussbeteiligten und den Wettbewerber betriebenen MVZ sowie etwaige Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten als Einweiser.
  • In wettbewerblich tendenziell kritischen Fällen prüfe das Bundeskartellamt im Rahmen von Hauptprüfverfahren zudem, inwieweit sich das Auswahlverhalten der Patienten in den auf den Zusammenschluss folgenden Jahren verändern könnte. Hierzu prognostiziere das Bundeskartellamt auch unter Berücksichtigung von geplanten Projekten der Krankenhausträger und einer etwaigen Veränderung in den Fachgebieten sowie durch Befragung von niedergelassenen Ärzten, inwieweit sich durch eine etwaige Veränderung des Leistungsspektrums bzw. der Behandlungsqualität eine Umverteilung von Patienten zu anderen Krankenhäusern ergeben könnte. Die in diesem Zusammenhang teilweise erhobene Kritik einer zu wenig in die Zukunft gerichteten Prüfung der Wettbewerbsverhältnisse sei deshalb, so das Bundeskartellamt, unberechtigt.
  • Ebenso unverändert ist das Bundeskartellamt nach der Sektoruntersuchung der Auffassung, dass von Zusammenschlussbeteiligten häufig vorgetragene Effizienzvorteile allenfalls in Einzelfällen zu berücksichtigen und dementsprechend gegen etwaige wettbewerblichen Bedenken des Vorhabens abzuwägen seien. Hierfür in Betracht kämen von vorneherein nur Effizienzvorteile, die zu einer Verbesserung der Qualität der Krankenhausleistungen für die Patienten führten. Bloße Größenvorteile reichten aber in jedem Fall nicht aus. Denn ein eindeutiger Zusammenhang zwischen höheren Fallzahlen und verbesserter Qualität bestehe in der Regel ebenso wenig, wie zusammenschlussbedingte Größenvorteile die Möglichkeiten verbessere, qualifiziertes Personal anzuwerben. Dies werde durch die bisher hierzu verfügbaren Studien belegt.

Fazit

Der mit Spannung erwartete Abschlussbericht der Sektoruntersuchung Krankenhäuser bestätigt nach Auffassung des Bundeskartellamts seine bisherige Praxis in vollem Umfang. Zu erhofften Änderungen an möglichen Stellschrauben (räumliche Marktabgrenzung, weniger statische Betrachtung der Marktstellung der Zusammenschlussbeteiligten, stärkere Berücksichtigung von Effizienzvorteilen) dürfte es daher auf absehbare Zeit nicht kommen. Im Gegenteil: die offensichtlich valide empirische Erhebung bei den beteiligten Krankenhäusern und Vertragsärzten wird das Bundeskartellamt darin bestärken, seine bisherige Praxis unverändert fortzusetzen. Bei Zusammenschlüssen zwischen größeren Krankenhäusern innerhalb einer Region werden sich deshalb weiterhin tendenziell häufiger wettbewerbliche Bedenken ergeben. Dies gilt insbesondere in ländlichen Regionen mit wenigen Wettbewerbern. Inwieweit die durch die 10. GWB-Novelle eingeführte Privilegierung bestimmter Krankenhauszusammenschlüssen in § 186 Abs. 9 GWB Abhilfe schafft, bleibt abzuwarten (siehe hierzu auch meinen Blogartikel vom 11. Februar 2021).

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