Achtung bei der Wahl der Vertriebsform!

 

Unternehmen haben eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten für die Organisation ihres Vertriebs, die alle jeweils Vor- und Nachteile betriebswirtschaftlicher und kartellrechtlicher Art aufweisen. Drei wesentliche Obergruppen der Vertriebsformen bilden der direkte Vertrieb, der Vertrieb mittels Handelsvertretern und der Vertrieb über Vertragshändlern.

Direkter Vertrieb

Im Rahmen des direkten Vertriebs erfolgt der Verkauf der Produkte an den Endabnehmer durch den Hersteller über eigene Niederlassungen und/oder über Internetplattformen selbst.

Der direkte Vertrieb sichert dem Hersteller den höchsten Grad an Kontrolle über die Vertriebsaktivitäten. Insbesondere kann das Unternehmen die Verkaufspreise selbst festlegen. Soweit der Vertrieb durch Konzerntöchter und Konzernschwestern erfolgt, die unter einheitlicher Kontrolle mit dem herstellenden Unternehmen stehen, gilt das Kartellverbot im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV/§ 1 GWB aufgrund des so genannten Konzernprivilegs nicht. Der Hersteller ist daher auch in dieser Konstellation in seinen Vorgaben an den Vertrieb weitgehend frei.

Aber auch die mit dem direkten Vertrieb verbundenen Nachteile drängen sich sofort auf: Eigener direkter Vertrieb durch den Hersteller erfordert Investitionen, zum Beispiel beim Aufbau eines Online-Shops oder bei der Miete und Einrichtung von Ladenlokalen. Ferner müssen zusätzlich eigene Mitarbeiter eingestellt werden, mit allen damit verbundenen wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken.

Vertrieb durch Handelsvertreter

Der Handelsvertreter ist nicht in die Konzernstruktur des Herstellers eingebunden. Er vertreibt die Produkte im Namen und auf Rechnung des Herstellers.

Aufgrund der engen Bindung an das Unternehmen des Herstellers nach den Vorgaben der §§ 84 ff. HGB, gelten auch im Verhältnis zu ihm geringere kartellrechtliche Beschränkungen (sog. "Handelsvertreterprivileg"). Insbesondere dürfen auch dem Handelsvertreter gegenüber Endkundenpreise festgelegt werden, darüber hinaus kann seine Tätigkeit auch auf bestimmte Kunden oder Gebiete beschränkt werden. Vorteilhaft ist zudem, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit dem Handelsvertreter besteht.

Nachteilig ist jedoch, dass dem Handelsvertreter nicht ohne weiteres untersagt werden kann, auch Produkte anderer Hersteller zu vertreiben. Eine unter Umständen denkbare Freistellung eines derartigen Wettbewerbsverbotes ist nach Art. 5 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO nur zulässig, wenn sie für höchstens fünf Jahre vereinbart worden ist, wobei allerdings eine Verlängerung aufgrund einer neuen Entscheidung nach neuen Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien möglich ist. Zudem hat der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch nach §§ 87 ff. HGB und ggf. Ausgleichsansprüche nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses gemäß § 89b HGB. Die wirtschaftlichen Risiken des Vertriebs trägt der Handelsvertreter nur, sofern sie mit der Erbringung der Handelsvertreterleistung zusammenhängen. Ansprechpartner insbesondere für Gewährleitungsrechte bleibt hingegen der Hersteller als Vertragspartner der Endkunden.

Vertragshändler

Die dritte Option für Hersteller besteht darin, Vertragshändler für den Vertrieb einzusetzen. Das Verhältnis des Herstellers zu dem Vertragshändler ist weniger eng als zu dem Handelsvertreter, umgekehrt gelten aber viele kartellrechtliche Privilegien nicht.

Auch beim Vertrieb über Vertragshändler ist keine eigene Vertriebsstruktur erforderlich und es besteht überhaupt kein unternehmerisches Risiko für den Hersteller auf der Einzelhandelsstufe.

Andererseits können keine Mindestpreise gegenüber Endkunden festgelegt werden. Den Vertragshändler treffende Verbote des Vertriebs fremder Produkte können wiederum nur für eine Dauer von fünf Jahren vereinbart werden. Ferner sind einige Vorschriften zugunsten der Handelsvertreter auch zugunsten des Vertragshändlers entsprechend anwendbar, zum Beispiel kann auch letzterer gegebenenfalls nach Beendigung des Verhältnisses einen Ausgleichsanspruch gegen den Hersteller haben.

Inwiefern Aktivverkäufe in bestimmte Gebiete beschränkt werden können, hängt schließlich davon ab, ob der Hersteller ein Alleinvertriebssystem aufgebaut hat, in dem jeder der Händler ein eigenes Gebiet zugewiesen bekommt. Passive Verkäufe, also Verkäufe an Kunden, die nicht vom Händler angeworben oder angesprochen worden sind, können in keinem Fall untersagt werden.

Ergebnis

Im Ergebnis muss die Unternehmensleitung abwägen, welche dieser dargestellten Vertriebsformen am besten für das Unternehmen und das angebotene Produkt passt. Insbesondere der direkte Vertrieb durch den Hersteller über (eigene) Internet-Plattformen dürfte in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

 

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