AGB oder nicht AGB – die Kunst des (Aus-)Handelns

Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wandelt sich stetig. Vereinzelt ergeben sich beispielweise hoch relevante Veränderungen durch Anpassungen des Gesetzes, etwa was das Formerfordernis des Widerrufs bei Verbraucherverträgen betrifft. Manchen Aspekte des AGB-Rechts werden hingegen schon seit Jahren diskutiert und sind dennoch nach wie vor ebenso aktuell wie unklar. Hierzu gehört die Frage, wann eine zwischen den Parteien ausgehandelte Regelung vorliegt und somit die hohen Wirksamkeitsanforderungen des AGB-Rechts keine Anwendung finden.

Ausgehandelt?

Gerade im handelsrechtlichen Verkehr wird oft fälschlicherweise davon ausgegangen, dass individualvertragliche Regelungen und nicht AGB vorliegen, weswegen die strenge Wirksamkeitsprüfung nach den §§ 307 ff. BGB nicht anzuwenden ist. Dieser Annahme liegt zugrunde, dass die einzelnen Aspekte eines Vertrages häufig in jedem Fall neu ausgehandelt werden. Die Folge des Aushandelns ist richtigerweise grundsätzlich, dass eine Voraussetzungen für das Vorliegen AGB entfällt, nämlich dass diese einseitig gestellt werden (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Wann jedoch liegt ein Aushandeln vor? Prinzipiell muss die Gegenseite die ernsthafte und reale Möglichkeit gehabt haben, auf den Inhalt des vorformulierten Vertrages Einfluss zu nehmen. Diese Anforderungen sind jedoch komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Eine konkrete Umschreibung der Voraussetzungen des Aushandelns ist schwierig und im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.

BGH: Tatsächliche Möglichkeit für das Durchsetzen eigener Textvorschläge

Dass sich auch die Gerichte mit diesen Aspekten schwer tun, zeigt ein neueres Urteil des BGH (20.01.2016 – VIII ZR 26/15), das die Vorinstanzen diesbezüglich zurecht weist. Diese nahmen an, dass die Bitte der einen Vertragspartei, dass „Anmerkungen und Änderungswünsche“ an dem übersandten, vorformulierten Vertragsentwurf mitgeteilt werden, ausreicht, um individualvertragliche Regelungen anzunehmen. Der BGH lehnt dies – entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung – jedoch ab. Diese Bitte biete keine tatsächliche Gelegenheit, alternative Textvorschläge effektiv einzubringen, sondern signalisiere nur eine gewisse Verhandlungsbereitschaft. Vielmehr nahm der BGH in diesem Fall AGB an, weswegen unter anderem eine geregelte Vertragsstrafe unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB und damit unwirksam war.

Praxishinweis

Die BGH Entscheidung und die Entscheidungen der Vorinstanzen zeigen wieder einmal, dass die aufgestellten Grundsätze zum Aushandeln von vertraglichen Regelungen selbst von den Gerichten uneinheitlich angewendet werden. Daher ist in jedem Einzelfall kritisch zu prüfen, welche Regelungen AGB darstellen könnten. Im Zweifel sollte in Erwägung gezogen werden, welche Folgen die Annahme von AGB hätte und ob dem gestalterisch entgegen gewirkt werden sollte oder ob die mögliche Unwirksamkeit in Kauf genommen werden kann. Zu leichtfertig sollte ein Aushandeln einer vertraglichen Regelung jedenfalls nicht angenommen werden.

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