Amazon als „UümB“? – Bundeskartellamt testet die Zähne des neuen Tigers

Das Bundeskartellamt hat mit Pressemitteilung vom 18.05.2021 bekanntgegeben, dass es ein Verfahren nach dem neuen § 19a GWB gegen die Online-Handelsplattform Amazon einleitet wegen (möglicherweise) missbräuchlichen Verhaltens als Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung (sog. „UümB“). Meine Kollegin Dr. Daisy Walzel berichtete in diesem Blog über die Einführung dieses neuen Instruments. Bereits im Januar dieses Jahres hat das BKartA nach Einführung des § 19a GWB keine Zeit verloren und ein entsprechendes Verfahren gegen die Social-Media-Plattform Facebook eingeleitet.

Der im Rahmen der 10. GWB-Novelle in Kraft getretene § 19a GWB sieht in einem zweistufigen Verfahren im ersten Schritt zunächst die Feststellung der Eigenschaft als UümB eines in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten im Sinne des § 18 Abs. 3a GWB tätigen Unternehmens vor. Im zweiten Schritt kann das Bundeskartellamt dem UümB sodann bestimmte in § 19a Abs. 2 GWB vorgesehene Verhaltensweisen untersagen.

Ebenso wie im Fall von Facebook prüft das Bundeskartellamt im Verfahren gegen Amazon laut Aussage des Präsidenten Andreas Mundt im ersten Schritt derzeit, ob Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Das Ergebnis dürfte hierbei allerdings praktisch schon feststehen – alles andere als die Feststellung, dass Amazon ein UümB ist, wäre eine Enttäuschung, zumal § 19a GWB nicht selten als lex GAFA (Google, Apple, Facebook, Amazon) bezeichnet wird. Käme das Bundeskartellamt nicht zu dem Ergebnis, dass Amazon ein UümB ist, stellte sich die Frage, welchen Anwendungsbereich § 19a GWB überhaupt haben sollte.

Absehbar ist auch, welche Verhaltensweisen im Sinne des § 19a Abs. 2 GWB das BKartA Amazon im zweiten Schritt untersagen wird, soweit Amazon sich nicht aus taktischen Gründen dafür entscheidet, Verpflichtungszusagen im Sinne des § 32b Abs. 1 GWB abzugeben. Insbesondere das Verbot nach § 19a Abs. 2 Nr. 1 GWB, beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, und vor allem das Fallbeispiel der bevorzugten Darstellung der eigenen Angebote sind Amazon auf den Leib geschnitten. Amazon steht zu den auf seiner Online-Handelsplattform tätigen Händlern und im Direktvertrieb tätigen Herstellern aufgrund seiner Doppeleigenschaft als Händler zugleich selbst im Wettbewerb.

Ob sich Händler und Hersteller tatsächlich auf eine im Verhältnis zu den von Amazon selbst vertriebenen Produkten verbesserte Darstellung ihrer Produkte freuen dürfen – vorausgesetzt, dass Amazon sie bislang gegenüber sich selbst überhaupt benachteiligt hat – hängt allerdings noch von einigen Unwägbarkeiten ab. Zum einen müsste die Feststellung des Bundeskartellamtes von Amazons Eigenschaft als UümB Rechtskraft erlangen, damit eine Verfügung nach § 19a Abs. 2 GWB wirksam werden kann. Es ist aber kaum damit zu rechnen, dass Amazon sich hiergegen nicht gerichtlich zur Wehr setzen wird. Händler und Hersteller können die Entscheidung auf dieser Stufe allenfalls in sehr geringem Umfang beeinflussen, bspw., falls das BKartA von Ihnen Auskunft verlangt nach § 59 GWB.

Zum anderen wird sich zeigen müssen, inwiefern Amazon der Untersagung von Verhaltensweisen auf der zweiten Stufe tatsächlich nachkommt – auch wenn ein Verstoß nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 lit. a GWB bußgeldbewehrt ist. Möglicherweise bleiben Nutzer der Plattform darauf angewiesen, auf dem Zivilrechtsweg gegen Amazon vorzugehen und bspw. Beseitigungs- bzw. Unterlassungsansprüche im Sinne des § 33 Abs. 1 GWB in Bezug auf die Darstellung der Angebote durch Amazon geltend zu machen. Letztendlich wird es sowohl in Bußgeldverfahren als auch in zivilrechtlichen Verfahren um die Auslegung des Begriffs der Selbstbevorzugung sowie um deren Nachweis gehen.

Händler und Hersteller haben gerade in diesem zweiten Stadium der Kontrolle des Verhaltens von Amazon als Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb die seltene Gelegenheit, daran mitzuwirken, dass § 19a GWB nicht zum zahnlosen Tiger wird. Dem weiteren Verfahren darf man gespannt entgegenblicken.

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