Annahmeverzug nach Vorlage eines negativen Corona-Tests

Wenn ein Arbeitgeber die Beschäftigung seines zur Arbeit bereiten Arbeitnehmers verweigert, schuldet er gemäß § 615 BGB dennoch das Entgelt für die jeweilige Beschäftigung. Nach § 297 BGB gilt dies nicht, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der geplanten Beschäftigung nicht in der Lage ist, seine Leistung zu erbringen.

Erteilt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ein 14-tägiges Betretungsverbot, weil dieser kurz zuvor aus einem Corona-Risikogebiet zurückgekehrt ist, so schuldet der Arbeitgeber trotz fehlender Leistung die Vergütung wegen Annahmeverzuges. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn der Arbeitnehmer einer behördlichen Absonderungspflicht unterliegt. Erteilt der Arbeitgeber das Betretungsverbot aufgrund seiner eigenen (unternehmerischen) Entscheidung, so ändert dies nichts an der grundsätzlichen Möglichkeit der Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – festgestellt. Demnach liege kein Fall des § 297 BGB vor.

I. Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten am Standort Berlin als Leiter der Nachtreinigung beschäftigt. Bei der Beklagten galt zu diesem Zeitpunkt ein selbsterstelltes Hygienekonzept, dass eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot ohne Entgeltanspruch für diejenigen Arbeitnehmer vorsah, die aus einem vom Robert Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren. Die Quarantänebestimmungen des Landes Berlin sahen zu diesem Zeitpunkt ebenfalls eine Quarantäne für 14 Tage vor, allerdings nur, wenn die betroffene Person Symptome zeigt oder keinen negativen PCR-Test vorweisen kann.

Der Kläger trat zwischen dem 11. und dem 14. August 2020 aufgrund eines Trauerfalls in der Familie eine Reise in die Türkei an. Die Türkei galt zu diesem Zeitpunkt als ein vom Robert Koch-Institut ausgewiesenes Corona-Risikogebiet. Vor dem Reiseantritt machte der Kläger einen PCR-Test und unterzog sich ebenso vor der Rückreise nach Deutschland einem weiteren PCR-Test. Beide Tests waren negativ und sein Arzt attestierte ihm die Symptomfreiheit. Trotz der Vorlage dieser Dokumente verweigerte die Beklagte für die Dauer von 14 Tagen den Zugang zum Betrieb und zahlte keine Vergütung an den Kläger. Klageweise hat der Kläger die Zahlung der Vergütung wegen Annahmeverzuges in Höhe von EUR 1.512,47 brutto verlangt. Die Beklagte habe die Annahme seiner Arbeitsleistung zu Unrecht verweigert.

II. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes

Nachdem die Vorinstanzen der Klage jeweils stattgaben, entschied auch das Bundesarbeitsgericht gegen die Revision der Beklagten. Die selbsterteilte Quarantäneverordnung des Betriebes führe nicht zu einer Leistungsunfähigkeit des Klägers im Sinne des § 297 BGB. Die fehlende Möglichkeit zur Leistungserbringung sei vorliegend allein von der Beklagten gesetzt worden. Dass eine Beschäftigung des Klägers trotz eines Infektionsrisikos für die Beklagte aufgrund betrieblicher Umstände unzumutbar war, konnte die Beklagte nicht vorbringen. Zudem hätte die Beklagte den Kläger nicht anweisen dürfen, für 14 Tage ohne Entgeltfortzahlung dem Betrieb fernzubleiben. Darin liege eine unbillige Weisung im Sinne des § 106 GewO. Die Beklagte hätte dem Kläger zumindest die Möglichkeit geben müssen, durch einen weiteren PCR-Test das Infektionsrisiko nahezu vollständig auszuschließen. So hätten der ordnungsgemäße Betriebsablauf und der erforderliche Schutz der Gesundheit der übrigen Arbeitnehmer gesichert werden können.

III. Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil gibt einen guten Ausblick darauf, wie Betriebe in Zukunft auf Infektionsrisiken reagieren können und sollten. Eine strengere Quarantäneordnung als die geltenden gesetzlichen Vorgaben ist grundsätzlich möglich, muss jedoch auch die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigen. Ein pauschales Zutrittsverbot ist dabei nur bei gleichzeitiger Entgeltfortzahlung möglich. Will ein Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung vermeiden, so muss er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumen, die Quarantäne unter zumutbaren Auflagen zu verhindern.

Sollten nicht außergewöhnliche betriebliche Umstände einen erhöhten Infektionsschutz erforderlich machen, so kann Arbeitgebern darüber hinaus geraten werden, sich an den gesetzlichen Vorgaben des jeweiligen Bundeslandes zu orientieren. Ob ein Arbeitnehmer im Fall einer behördlich angeordneten Quarantäne im Sinne des § 297 BGB nicht in der Lage ist, seine Leistung zu erbringen, ist jedoch stark einzelfallabhängig und erfordert stets eine umfangreiche Prüfung der Umstände, die zur Quarantäne geführt haben. Bei einer selbstverschuldeten behördlichen Quarantäne (beispielsweise einer Urlaubsreise trotz Risikogebiet-Status) kann der Arbeitgeber keine Erstattung nach § 56 IfSG verlangen, ist allerdings auch regelmäßig nicht zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet.