Der Bundesgerichtshof hatte sich im Rahmen eines Beschlusses vom 31.01. 2018 mit einer in der Praxis nicht selten auftauchenden betreuungsrechtlichen Frage zu befassen:
Was passiert eigentlich, wenn sich mehrere im Rahmen einer General- oder Vorsorgevollmacht eingesetzte Bevollmächtigte, die nach dem Willen des Vollmachtgebers ausschließlich zur gemeinschaftlichen Vertretung berechtigt sind, bei der Ausübung der ihnen in der Vollmacht übertragenen Befugnisse nicht einigen können?
I. Sachverhalt
In dem der vorgenannten BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Vollmachtgeberin sowohl ihre Tochter als auch ihre Schwiegertochter im Rahmen einer General- und Vorsorgevollmacht gemeinschaftlich bevollmächtigt, in vermögensrechtlichen Angelegenheiten sowie in Angelegenheiten der Gesundheitssorge für sie tätig zu werden (sog. Gesamtvertretung).
Nachdem die Vollmachtgeberin an Demenz erkrankt war, beantragte die Tochter der Vollmachtgeberin, zusätzlich als Betreuerin für ihre Mutter bestellt zu werden. Zur Begründung trug sie vor, dass ihre Schwägerin wichtige Entscheidungen für die Vollmachtgeberin regelmäßig allein treffe und ein gemeinschaftliches Handeln mit ihrer Schwägerin - der weiteren Bevollmächtigten - aufgrund persönlicher Differenzen nicht möglich sei. Eine ordnungsgemäße Vertretung der Vollmachtgeberin auf Grundlage der bestehenden Vollmacht sei daher faktisch ausgeschlossen.
II. Rechtliche Grundlagen
Volljährige Personen, die in ihrer rechtlichen Handlungsfähigkeit aus bestimmten Gründen (etwa wegen Krankheit, Demenz o.ä.) eingeschränkt sind, benötigen, soweit und solange die Einschränkung reicht und soweit sie selbst nicht in der Lage sind, durch Vollmacht Abhilfe zu schaffen, zur wirksamen Abgabe von Erklärungen und zur Teilnahme am Rechtsverkehr einen Vertreter. Hierzu dient das Rechtsinstitut der rechtlichen Betreuung i.S.v. § 1896 BGB. Die Bestellung eines Betreuers vollzieht sich in einem förmlichen Verfahren vor einem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Häufig ist es der Wunsch der Betroffenen, eine Betreuerbestellung nach Möglichkeit zu vermeiden. Hierzu kann auf die gesetzliche Regelung des § 1896 Abs. 3 Satz 2 BGB zurückgegriffen werden: Danach ist die Anordnung einer Betreuung insoweit nicht erforderlich, wie "die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können". Hat der Betroffene daher vorsorglich eine wirksame General- bzw. Vorsorgevollmacht erteilt, so entfällt für sämtliche von der Vollmacht abgedeckten Angelegenheiten das Bedürfnis der Betreuerbestellung. Dies gilt nicht nur für vermögensrechtliche Angelegenheiten; gemäß § 1901a Abs. 6 BGB kann sich die Vorsorgevollmacht auch auf die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bevorstehende Untersuchungen des Gesundheitszustands Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe erstrecken (wobei der Bevollmächtigte ebenso wie ein Betreuer gem. § 1904 Abs. 5 BGB in bestimmten Fällen zusätzlich einer Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf).
III. Entscheidung des BGH
Im vorliegenden Fall haben sowohl das Betreuungsgericht als auch das im weiteren Verfahren zuständige Landgericht unter Verweis auf die bestehende umfassende Bevollmächtigung eine Betreuerbestellung abgelehnt. Dem hat jedoch der BGH mit seiner Entscheidung klar widersprochen:
Zwar stehe die Errichtung einer Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen, weil die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen (Vorsorge-)Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Ist allerdings Gesamtvertretung angeordnet, seien diese Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn davon ausgegangen werden könne, dass die Bevollmächtigten tatsächlich auch zu einer gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind. Hierzu bedürfe es einer tatsächlichen Zusammenarbeit und Abstimmung der Bevollmächtigten sowie eines Mindestmaßes an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit. Fehle es hieran, so könne in Ausnahmefällen trotz Vorliegen einer Vollmacht die Bestellung eines Betreuers erforderlich sein, um die ordnungsgemäße Vertretung des Betroffenen sicherzustellen.
Fazit
Die zitierte Entscheidung des BGH zeigt exemplarisch die Probleme auf, welche bei Anordnung einer Gesamtvertretung in General- und Vorsorgevollmachten entstehen können. Zwar ist es häufig der Wunsch der Betroffenen, dass mehrere von ihnen Bevollmächtigte - häufig sind dies die Kinder - nur gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigt sind, da sie sich auf diese Weise erhoffen, eigenmächtige, nicht abgestimmte Entscheidungen einzelner Bevollmächtigter zu vermeiden. Jedoch besteht bei derartig gestalteten Vollmachten - wie gezeigt - gleichzeitig die Gefahr, dass der Wunsch des Vollmachtgebers, die Anordnung einer Betreuung zu vermeiden, mangels Kooperationsbereitschaft bzw. -fähigkeit der Bevollmächtigten im Endeffekt nicht umgesetzt werden kann. Dies gilt es bei der Gestaltung der Vollmacht zu berücksichtigen.
Gern sind wir Ihnen bei der Gestaltung entsprechender Regelungen behilflich. Sprechen Sie uns an!