Gesetzgeber schützt Mieter und Pächter - Anpassung von Miete / Pacht bei erheblichen (Nutzungs-)beschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage

Ausgangssituation

Sowohl für Vermieter/Verpächter als auch für Mieter/Pächter von Gewerbemiet- und Pachtverhältnissen besteht aktuell eine Unsicherheit, wie mit Miet-/Pachtanpassungsverlangen von Mietern/Pächtern umzugehen ist, die von staatlichen COVID-19-Maßnahmen betroffen sind.

Im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie ist lediglich der Kündigungsschutz von Mietern/Pächtern für den Fall der auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhenden Nichtleistung von Miete/Pacht im Zeitraum 01.04.2020 bis 30.06.2020 geregelt. Für Mieter/Pächter der jeweils von staatlichen Schließungen betroffenen Branche stellt sich daher insbesondere für Zeiträume, welche nach Maßgabe des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie nicht vom Kündigungsschutz umfasst sind, die Frage, in welcher Höhe bei den nunmehr erneut angeordneten staatlichen Schließungen (ab November 2020) Miet- und Pachtzahlungen angepasst werden könnten, wenn keine Einigung mit dem Vermieter/Verpächter erzielt werden kann, ohne zugleich Kündigungsfolgen zu riskieren. Unsicherheit besteht auch deshalb, weil nach dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie kein Moratorium (Anspruch auf Zurückbehaltung bzw. Stundung) von Miete und Pacht vorgesehen ist, also der Mieter/Pächter nach der bisherigen gesetzlichen Regelung mit der Miet-/Pachtzahlung in Verzug gerät, wenn er die Miete/Pacht zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt nicht leistet, sofern er keine einvernehmliche abweichende Regelung mit dem Vermieter/Verpächter vereinbart hat.

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gibt über die Frage, ob ein Anspruch des Mieters/Pächters auf Miet-/Pachtanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestehen könnte, keinen Aufschluss.

Wie bereits im Blog-Beitrag der Verfasserin vom 11.03.2020 ausgeführt wurde, sprechen gute Gründe dafür, im Einzelfall insbesondere bei staatlich angeordneten Schließungen eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung/des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht zu ziehen und dem Mieter/Pächter das Verwendungsrisiko nicht allein aufzuerlegen. Aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Maßnahmen kann sich im Einzelfall durchaus eine schwerwiegende Äquivalenzstörung ergeben, die denjenigen Fallgruppen gleichzusetzen ist, bei denen die Rechtsprechung in der Vergangenheit schon eine Anwendbarkeit der Grundsätze der Störung/des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bejaht hat. An dieser Einschätzung ändern nach Auffassung der Verfasserin auch die gewährten Soforthilfen (bei denen es sich im ersten lockdown im Grunde nur um Liquiditätshilfen handelte) und die Möglichkeit der Beantragung von Kurzarbeitergeld nichts, weil Umsatzausfälle damit gerade nicht bzw. allenfalls geringfügig kompensiert werden konnten.

Bisherige Tendenzen in der Rechtsprechung

Erstinstanzliche Urteile zur Frage der Vertragsanpassung (Miet-/Pachtanpassung) nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage liegen mittlerweile vor. Nach der Tendenz der Instanzrechtsprechung wäre eine Miet-/Pachtanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich zu verneinen, weil jedenfalls die erstinstanzlichen Gerichte überwiegend davon ausgehen, dass die Vorschrift des § 313 BGB in Ausformung der Vertragstreue und als Ausnahmetatbestand vom Grundsatz der Privatautonomie besonders eng auszulegen sei. Zwar stelle eine Schließungsanordnung eine Störung der Geschäftsgrundlage dar und die Geschäftsgrundlage sei auch schwerwiegend gestört, wenn die Nutzbarkeit der Mietsache – jedenfalls vorübergehend – aufgrund staatlicher Schließungsanordnungen vollständig entfällt. Gleichwohl sei an der vertraglich vereinbarten Mietzahlung/Pachtzahlung unverändert festzuhalten, wenn sich nach Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung ergibt, dass das Festhalten einer Partei an der vereinbarten Miete/Pacht zumutbar sei. Bei der Zumutbarkeitsbeurteilung wird von den Instanzgerichten in erster Linie darauf abgestellt, dass der Mieter/Pächter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt, insbesondere auch das Risiko, mit dem Mietobjekt/Pachtobjekt Gewinne erzielen zu können. Eine solche Risikoverteilung schließe daher für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. Nach der bisherigen Auffassung der Instanzgerichte ist also in erster Linie darauf abzustellen, ob eine Existenzgefährdung des Mieters/Pächters anzunehmen ist. Gewichtet wurde von den Instanzgerichten insoweit auch der Umstand, dass Mietern/Pächtern überwiegend die Möglichkeit eröffnet ist, Kurzarbeitergeld zu beantragen und Liquiditätshilfen/Soforthilfen in Anspruch zu nehmen. Erwartet werden im Falle staatlich angeordneter Schließungen zum Teil auch Bemühungen von Mietern/Pächtern, sich alternative Möglichkeiten der Umsatzgenerierung zu eröffnen (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 -5 O 66/20; LG Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020 -HK O 17/20; LG Frankfurt, Urteil vom 02.10.2020 -2-15 O 23/20; AG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2020 -45 C 245/20).

Beschluss der Bundesregierung und der Landesregierungen vom 13.12.2020

Vermutlich mit Blick auf diese bisherigen Tendenzen, die sich in der Rechtsprechung der Instanzgerichte abzeichnen, hat sich nunmehr der Gesetzgeber eingeschaltet, mit dem Ziel, die aktuell noch bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Gemäß dem von der Bundesregierung und den Landesregierungen gefassten Beschluss vom 13.12.2020 ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber staatlich angeordnete Schließungen von Betrieben in der Regel als erhebliche Störung der Geschäftsgrundlage ansehen und eine Unzumutbarkeit des Festhaltens an vereinbarten Mieten/Pachten bejahen wird, also der Weg für eine Anpassung von Mieten/Pachten auf gesetzlicher Grundlage geebnet wird. In dem Beschluss heißt es:

Für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen COVID-19-Maßnahmen betroffen sind, wird gesetzlich vermutet, dass erhebliche (Nutzungs-)beschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Damit werden Verhandlungen zwischen Gewerbemietern bzw. Pächtern und Eigentümern vereinfacht.“

Fazit/Handlungsempfehlung

Wie der Gesetzgeber Anpassungsmöglichkeiten konkret ausgestalten wird und ob Miet-/Pachtanpassungen (nur) für den Fall und während des Zeitraumes staatlich angeordneter Schließungen grundsätzlich ermöglicht werden oder Anpassungsmöglichkeiten darüber hinausgehend vorgesehen werden, bleibt noch abzuwarten. Unklar ist auch, ob der Gesetzgeber prozentuale Spannen für Mietkürzungen/Pachtkürzungen vorgeben wird (z.B. prozentual gestaffelte Anpassungsvorgaben für Miete/Pacht in Abhängigkeit von der Höhe der infolge der Auswirkungen der Covid-19 Pandemie entstandenen Umsatzausfälle, verglichen mit den entsprechenden in den Vorjahren im jeweiligen Monat erzielten Umsätzen).

Noch offen ist aktuell auch noch, ob und für welche Zeiträume (erster lockdown von März bis Mai 2020 und/oder zweiter lockdown ab November 2020) der Gesetzgeber eine Anpassungsmöglichkeit für die jeweils betroffenen Branchen in Erwägung ziehen wird, also ob und inwieweit eine Rückwirkung erfolgen wird.

Festzuhalten ist aber bereits heute, dass Mietanpassungen/Pachtanpassungen zukünftig voraussichtlich eben nicht nur im Falle einer (in den meisten Fällen nicht vorliegenden) Existenzgefährdung des Gewerberaummieters/Pächters denkbar sein dürften, sondern die Anforderungen an eine Mietanpassung/Pachtanpassung aufgrund gesetzlicher Vermutung erheblich erleichtert sein dürften.

Sowohl auf Vermieter-/Verpächterseite als auch auf Mieter-/Pächterseite ist daher zu empfehlen, die gesetzliche Regelung im Zuge weiterer Verhandlungen über Miet-/Pachtanpassungen sowie vor evtl. anstehenden streitigen Auseinandersetzungen abzuwarten, um ggfs. zu einem späteren Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Gesetzgebung ggfs. Vertragsverhandlungen über Miet-/Pachtanpassungen einvernehmlich fortzusetzen bzw. nochmals aufzunehmen. Bis dahin sollten Mieter/Pächter die Miete/Pacht jedenfalls unter Vorbehalt der Rückforderung leisten und für den Zeitraum des neuen lockdowns auch ein neues Anpassungsverlangen an den Vermieter/Verpächter richten, um sich die Geltendmachung von Ansprüchen zu sichern.

Vermieter/Verpächter könnten zudem überlegen, ob diese ggfs. schon vor einer gesetzlichen Regelung im Falle eines bereits erfolgten Anpassungsverlangens des Mieters (was Voraussetzung einer Anpassung ist) eine abschließende Vereinbarung über eine Miet-/Pachtanpassung mit dem Mieter/Pächter schließen, mit dem Ziel ggfs. hinter einer gesetzgeberischen Vorgabe bezüglich der Anpassungshöhe auf diesem Weg zurückbleiben zu können. Haben die Parteien eine abschließende Vereinbarung über eine Anpassung schon vorher geschlossen, könnte der Mieter/Pächter für den von der vereinbarten Anpassung umfassten Zeitraum keine weitergehende Anpassung auf gesetzlicher Grundlage mehr verlangen. Die vertragliche Vereinbarung hätte dann je nach Gestaltung der dort aufzunehmenden Abgeltungsklausel Vorrang.

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Autorin

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