Anwendbarkeit der für Wohnraummietverhältnisse geltenden Mieterschutzvorschriften auf Geschäftsraummietverhältnisse bei der Anmietung von Wohnraum für Betreutes Wohnen?

- Die Vorschrift des § 578 Abs. 3 BGB -

Die gesetzliche Regelung

Die Vorschrift des § 578 Abs. 3 BGB, welche durch das Mietrechtsanpassungsgesetz vom 18.12.2018 mit Wirkung zum 01.01.2019 neu eingeführt wurde, sieht für nach dem 31.12.2018 abgeschlossene Geschäftsraummietverträge vor, dass die wohnraummietrechtlichen Schutzvorschriften zu Mieterhöhungen, zum Kündigungsschutz, zum Zeitmietvertrag sowie zum Vorkaufsrecht und zur Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung auch auf Geschäftsraummietverträge Anwendung finden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Hauptmieter des Geschäftsraummietvertrages muss eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege sein.
  • Der aus dem vorgenannten Personenkreis stammende Hauptmieter muss Wohnraum anmieten, um diesen Wohnraum Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zu überlassen.

Rechtsfolgen der gesetzlichen Regelung

Die Vorschrift des § 578 Abs. 3 BGB hat erhebliche Konsequenzen für den Geschäftsraummietvertrag, insbesondere mit Blick auf die Möglichkeiten der Beendigung des Geschäftsraummietvertrages. Ungeachtet einer vereinbarten Festmietzeit bestünde auf Seiten des Vermieters die Gefahr, dass die Herausgabe und Räumung bei Ablauf der Mietzeit nicht durchgesetzt werden kann, weil der Vermieter den Geschäftsraummietvertrag wirksam nur bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Sinne von § 573 BGB beenden könnte. Da eine Eigenbedarfskündigung von vornherein nur dann in Betracht käme, wenn es sich bei dem Vermieter um eine Privatperson handelt und Eigenbetriebsbedarf eines Vermieters, bei dem es sich um eine Gesellschaft handelt, in der Regel nur schwer begründet werden kann, hätte die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 578 Abs. 3 BGB somit zur Folge, dass sich ein Vermieter von einem solchen Geschäftsraummietvertrag quasi nicht einseitig lösen könnte. Für viele Vermieter könnte dies ein Anlass sein, um von dem Abschluss von solchen Geschäftsraummietverträgen von vornherein Abstand zu nehmen, so dass Liegenschaften für Personen mit dringendem Wohnungsbedarf faktisch nicht zur Verfügung stünden.

Anwendbarkeit der Vorschrift beim Betreuten Wohnen?

Bei der Begründung von Geschäftsraummietverhältnissen für den Nutzungszweck des Betreuten Wohnens, dürfte sich für viele Vermieter daher die Frage stellen, ob der Anwendungsbereich des § 578 Abs. 3 BGB auch in diesen Fällen eröffnet ist.

Wird von dem privilegierten Personenkreis im Rahmen eines Geschäftsraummietvertrages Wohnraum angemietet, um diesen Wohnraum Personen im Rahmen des Betreuten Wohnens zu überlassen, könnten die Voraussetzungen der Überlassung von Wohnraum an Personen mit dringendem Wohnungsbedarf durchaus vorliegen. Unter „bedürftigen“ Personen mit dringendem Wohnungsbedarf werden nach der Gesetzesbegründung alle Personen verstanden, die größere Schwierigkeiten bei der Wohnraumsuche haben als der Durchschnitt der Interessenten in dem betreffenden Gebiet. Hierunter fallen z.B. Obdachlose, aus der Haft entlassende Personen, Suchtkranke oder Asylbewerber, aber auch Personen, welche sich aufgrund höheren Lebensalters nicht selbst mit Wohnraum versorgen können oder einen bestimmten Wohnungstyp benötigen. Insoweit wird in der Literatur auch das Betreute Wohnen mit Barrierefreiheit ausdrücklich als Anwendungsfall dieser Vorschrift angesprochen, denn auch diese Personen werden regelmäßig dem Personenkreis unterfallen, an welchen ein Eigentümer Wohnraum regelmäßig nicht vermieten würde.

Damit ist aber noch nicht beantwortet, ob jegliche Formen des Betreuten Wohnens bzw. die hierfür abgeschlossenen Geschäftsraummietverträge dem Anwendungsbereich des § 578 Abs. 3 BGB unterfallen. Diese Frage ist unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks zu beantworten. Nach der Gesetzesbegründung wurde der Absatz 3 in § 578 BGB deshalb neu eingefügt, um eine Regelungslücke zu schließen. Diese Regelungslücke resultierte nach Auffassung des Gesetzgebers daraus, dass die Vorschrift des § 565 BGB bei der nicht gewerblichen Weitervermietung zu Wohnzwecken keine Anwendung findet und Wohnraummietverhältnisse, die der Hauptmieter mit dem Untermieter (Wohnraummieter) geschlossen hat, somit bei Beendigung des Geschäftsraummietvertrages dann nicht zwischen dem Eigentümer und dem Wohnraummieter fortgesetzt werden, wenn der Geschäftsraummieter die Untervermietung zu Wohnzwecken lediglich aus sozialem Interesse vorgenommen hat. Zum Schutz solcher aus sozialem Interesse begründeten Geschäftsraummietverhältnissen sowie zum Schutz der in den Wohnungen lebenden Personen wurde die Anwendbarkeit der Vorschriften des Wohnraummietrechts durch die Anfügung des neuen Absatzes 3 an § 578 BGB daher auch auf Geschäftsraummietverhältnisse erweitert.

Aus der Gesetzesbegründung kann weiterhin auch entnommen werden, dass der Gesetzgeber hier allein Geschäftsraummietverträge mit dem Mietzweck der „Weitervermietung“ der Räume an Personen mit dringendem Wohnbedarf im Blick hatte. Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 578 Abs. 3 BGB setzt also voraus, dass es sich bei demjenigen Vertragsverhältnis, welches zwischen dem Hauptmieter und den Bewohnern geschlossen wird, um einen Wohnraumuntermietvertrag handelt. Sowohl bei Pflegeheimen als auch beim Betreuten Wohnen wird es sich jedoch bei den mit den Bewohnern zu schließenden Verträgen um typengemischte Verträge handeln, bei welchen sich der Vertrag sowohl aus Elementen des Mietvertrages als auch aus Elementen des Dienstvertrages und des Kaufvertrages zusammensetzt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass auf solche typengemischten Verträge einheitlich dasjenige Vertragsrecht anwendbar ist, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrages liegt. Beim Betreuten Wohnen wären die Vorschriften des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) anwendbar, wenn der Dienstleistungscharakter den Schwerpunkt des Vertrages bildet. Der mit den Bewohnern zu schließende Vertrag wäre hingegen als Mietvertrag zu qualifizieren, wenn nicht der Versorgungscharakter im Vordergrund stünde. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn der Vertrag neben der Raumüberlassung ausschließlich die Erbringung von allgemeinen Unterstützungsleistungen, wie z.B. die reine Vermittlung von Pflege- und Betreuungsleistungen zum Gegenstand hätte. Ferner wäre der Schwerpunkt des Vertrages auch dann im Mietvertragsrecht zu sehen, wenn (nur) Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung (z.B. Einkaufshilfen und Fahrdienste) oder Notrufdienste als Dienstleistungen erbracht würden.

Damit ist festzuhalten, dass die Frage, ob der Anwendungsbereich des § 578 Abs. 3 BGB bei Geschäftsraummietverträgen für das Betreute Wohnen eröffnet ist, nicht einheitlich beantwortet werden kann, sondern es im Einzelfall darauf ankommen wird, ob die mit den Bewohnern zu schließenden Verträge selbst den Mieterschutzvorschriften unterfallen.

Praxishinweis

Möchte der Vermieter den Anwendungsbereich der als solcher nicht abdingbaren Vorschrift des § 578 Abs. 3 BGB von vornherein auszuschließen, sollte er im Rahmen des im Geschäftsraummietvertrages zu vereinbarenden Mietzwecks darauf achten, dass der Mietzweck ausdrücklich nicht als „Untervermietung“ von Wohnraum an Bewohner des Betreuten Wohnens beschrieben wird. Stattdessen sollte klargestellt werden, dass Mietzweck die Nutzung für Betreutes Wohnen im Rahmen der Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen ist. Ferner sollte der Abschluss von Wohnraumuntermietverträgen nicht gestattet und darauf hingewiesen werden, dass in den mit den Bewohnern zu schließenden Verträgen der Dienstleistungscharakter den Schwerpunkt dieser Verträge bilden muss, so dass auf diese Verträge nicht das Wohnraummietrecht sondern das WBVG Anwendung findet.

Auf diesem Weg könnte das Risiko, dass Gerichte im Falle einer streitigen Auseinandersetzung die Vorschrift des § 578 Abs. 3 BGB auf das Geschäftsraummietverhältnis anwenden könnte, erheblich reduziert werden.

Ein letztes Restrisiko, dass Gerichte die Anwendbarkeit des § 578 Abs. 3 BGB auch in diesen Fällen bejahen könnte, kann letztendlich zwar nicht völlig ausgeschlossen werden. Hier bliebe vielmehr abzuwarten, wie die Rechtsprechung zu diesem Thema zukünftig entscheiden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber nachbessern und für Klarheit schaffen wird, welcher Abs. 3 in § 578 BGB quasi in letzter Sekunde im Gesetzgebungsverfahren eingefügt hat, gibt es derzeit noch nicht.

Autorin

  • Mietrecht
  • Prozessführung und Schiedsverfahren
  • Immobilienrecht