Arbeitgeberseitige Pflicht zur Urlaubsgewährung – Revidiert der Europäische Gerichtshof jahrzehntelange Grundsätze des deutschen Urlaubsrechts?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A), die Frage vorgelegt, ob einer Arbeitgeber verpflichtet sei, nicht genommenen Jahresurlaub des Mitarbeiters von sich aus zu gewähren. Bislang musste sich der Mitarbeiter selbst um die Urlaubsgewährung kümmern, da dieser sonst mit Ende des Kalenderjahres, im Falle der Übertragung Ende März des Folgejahres, verfiel. Dies könnte sich jetzt ändern.

RECHTLICHE AUSGANGSLAGE
Bislang verfällt der Urlaubsanspruch eines Mitarbeiters gemäß § 7 Absatz 3 Satz 1 und 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nach Ablauf des Kalenderjahres. Wenn dringende betriebliche oder in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe eine Übertragung rechtfertigen, kann der Resturlaub bis Ende März des Folgejahres genommen werden. Dies geschieht häufig durch ein Urlaubsantrag. Stellt der Mitarbeiter keinen Urlaubsantrag, verfällt auch der übertragene Urlaubsanspruch. Liegt hingegen ein Antrag vor und gewährte der Arbeitgeber dennoch den Urlaub nicht, so kann der Mitarbeiter den Urlaub auch nach Ablauf des Übertragungszeitraums als Schadensersatz nehmen.

FALL DES BAG
Der klagende Mitarbeiter war bei dem beklagten Arbeitgeber aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bis 31.12.2013 beschäftigt. Aus dem Jahr 2012 und 2013 standen dem Mitarbeiter 51 Resturlaubstage zu. Im Oktober 2013 bat der Arbeitgeber den Mitarbeiter mit Blick auf das Ende des Arbeitsverhältnisses, die Resturlaubstage in Anspruch zu nehmen. Dies geschah nicht. Ende Dezember 2013 forderte der Mitarbeiter vom Arbeitgeber die Abgeltung der 51 Resturlaubstage. Dies lehnt der Arbeitgeber unter Verweis auf die fehlende Antragstellung ab.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht (LAG) München haben der Klage auf Abgeltung von 51 Urlaubstagen stattgegeben. Gerade hinsichtlich des Resturlaubs aus dem Jahr 2012 fehlte es zwar an einem Antrag des Mitarbeiters. Aus § 7 Absatz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) folge aber, dass der Arbeitgeber auch ohne Antrag des Mitarbeiters von sich aus im Kalenderjahr Urlaub zu gewähren habe. Daher könne der Urlaubsanspruch nicht verfallen.

Gegen das Urteil des LAG hatte der Arbeitgeber Revision zum BAG eingelegt. Das BAG beschloss, dem Europäischen Gerichtshof um die Beantwortung die Frage zur Beantwortung vorzulegen, ob europarechtlich eine Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung bestehe. Dies sei in mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof angeklungen.

AUSWIRKUNGEN
Eine bejahende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes wird erhebliche Auswirkungen auf die Praxis haben. Wenn der Europäische Gerichtshof von einer Pflicht zur Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber ausgeht, muss jeder Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Mitarbeiters im Kalenderjahr im Blick behalten und im Zweifel vor Ablauf des Jahres von sich aus gewähren. Nur so wird dann eine über die Jahre hinweg erfolgende Anstaffelung von Urlaubsansprüchen vermieden werden. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie der Europäische Gerichtshof entscheiden wird.

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