Auslegung von Ausschlussfristen in (sehr) alten Arbeitsverträgen

Immer wieder muss sich die Rechtsprechung mit der Wirksamkeit von Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen befassen. Die Anforderungen an diese Klauseln haben sich in den letzten Jahren mehrfach verändert. In Folge dessen stellt sich immer wieder die Frage, wie mit derartigen Klauseln in (sehr) alten Arbeitsverträgen umzugehen ist. Das Bundesarbeitsgericht sah sich kürzlich erneut mit einer solchen Fragestellung konfrontiert.

Schuldrechtsmodernisierungsgesetz

Gegenstand der neuerlichen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.09.2019 – 9 AZR 273/18) war eine (zwischenzeitlich nicht mehr ganz taufrische) gesetzliche Änderung, nämlich das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. Diese umfassendere Reform des Schuldrechts war bereits zum 01.01.2002 in Kraft getreten. Zwei hierdurch für Arbeitsverhältnisse zu beachtende maßgebliche Änderungen waren in dem streitigen Arbeitsvertrag aus dem Jahr 1997 – naturgemäß – nicht berücksichtigt worden. Das Bundesarbeitsgericht musste entscheiden, ob sich der Arbeitgeber gegenüber den vom Arbeitnehmer geltend gemachten Ansprüchen gleichwohl noch auf die Ausschlussklausel berufen durfte.

Anders als heutige (rechtswirksame) Ausschlussklauseln erfasste die in Rede stehende Ausschlussklausel auch solche Ansprüche, für die aufgrund (durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführter) gesetzlicher Bestimmungen Ausschlussfristen nicht vereinbart werden dürfen. Dabei ging es zum einen um die Verbotsnorm des § 202 Abs. 1 BGB, wonach die Haftung im Falle von Vorsatz nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werde darf. Diese Norm bezweckt einen umfassenden Schutz gegen Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlicher Schädigung. Zum anderen ging es um die AGB-Regelung des § 309 Nr. 7 BGB, wonach in allgemeinen Geschäftsbedingungen (wozu auch Arbeitsverträge gehören) die Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit nicht wirksam möglich ist. Beide durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geänderte Normen gelten aufgrund entsprechender Übergangsfristen seit dem 01.01.2003 auch für vor 2002 geschlossene Verträge.

Eine Frage der Auslegung

Das Bundesarbeitsgericht hat nach Feststellung der grundsätzlichen Geltung beider Normen für den vor der Schuldrechtsmodernisierungsreform geschlossenen Arbeitsvertrag eine ergänzende Vertragsauslegung der Ausschlussregelung vorgenommen. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung sei deshalb zulässig, weil die spätere Gesetzesänderung bei der ursprünglichen vertraglichen Ausgestaltung der Ausschlussfrist nicht habe berücksichtigt werden können. Es führt aus, dass es für diese Auslegung maßgeblich sei, was die Parteien im Zeitpunkt des seinerzeitigen Vertragsschlusses, hier also im Jahr 1997, vereinbart hätten, wenn ihnen die (späteren) gesetzlichen Regelungen und in Folge dessen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.

Hierbei käme es maßgeblich auf Sinn und Zweck von Ausschlussfristen an. Diese sollen vor der erst deutlich später eintretenden Verjährung das Bestehen wechselseitiger Ansprüche zeitnah klären und damit in dem auf lange Zeit angelegten Schuldverhältnis offene Streitpunkte zügig bereinigen. Im Interesse des Erreichens dieses Zwecks sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Kenntnis der späteren gesetzlichen Regelungen die gesetzlich nicht ausschließbaren Ansprüche in der vertraglichen Gestaltung ausgenommen hätten.

Damit sei die Klausel ergänzend dahingehend auszulegen, dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Haftungsansprüche im Sinne von § 202 Abs. 1 BGB und auch nicht auf die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit in Folge von Pflichtverletzungen bezöge. Unter Berücksichtigung dieser Auslegung dürfte sich der Arbeitgeber daher, auf die Ausschlussklausel berufen. Der Arbeitnehmer konnte die von ihm verfolgten Zahlungsansprüche nicht erfolgreich durchsetzen.

Fazit

Auch wenn die vorstehend skizzierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts für besonders langjährige Arbeitsverhältnisse hilfreich ist und die bezweckte schnelle Klarheit über wechselseitige Ansprüche im Sinne einer Befriedung von Arbeitsverhältnissen erleichtert, sollte gleichwohl nicht vergessen werden, dass das Bundesarbeitsgericht sich mit der hier vorgenommenen Auslegung von Altklausel nicht immer so leichtgetan hat. Es hat in früheren Entscheidungen bei aus heutiger Sicht zu kurz bemessenen Ausschlussfristen, also solchen, die einen Geltendmachungszeitraum von weniger als drei Monaten vorsehen, die ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt. Es kommt also weiterhin darauf an, weshalb die Altklausel aus heutiger Sicht nicht haltbar ist. Hier bedarf es einer sehr kritischen Prüfung und Auseinandersetzung mit der bisherigen (höchstrichterlichen) Rechtsprechung.

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