Auswirkungen eines Schreibversehens in Betriebsratsanhörung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in einer höchst praxisrelevanten Entscheidung über die Auswirkungen eines Schreibversehens in einer Betriebsratsanhörung entschieden (Beschluss vom 11.05.2020 – 12 TaBV 1966/19). Ein solches könne nach der Entscheidung des Gerichts zur Unzulässigkeit eines Zustimmungsersetzungsverfahrens bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 103 Abs. 2 BetrVG führen.

Der Sachverhalt

In dem vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall ging es um die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Der Betriebsrat hat die nach § 103 Abs. 1 BetrVG hierzu erforderliche Zustimmung nicht erteilt, sodass die Arbeitgeberin beim zuständigen Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung nach § 103 Abs. 2 BetrVG beantragte.

Im Rahmen des Zustimmungsantrags an den Betriebsrat hatte die Arbeitgeberin angegeben, von den kündigungsrelevanten Tatsachen am 25.10.2018 erfahren zu haben. In dem Zustimmungsersetzungsantrag an das zuständige Gericht gab die Arbeitgeberin dann an, die Kenntniserlangung der maßgeblichen Tatsachen sei am 26.10.2018 erfolgt. Die Arbeitgeberin erklärte diese Divergenz mit einem Diktatversehen. Das genaue Datum der Kenntniserlangung war im konkreten Fall nicht nur relevant für die Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB, sondern nach Ansicht des Gerichts auch für die Zulässigkeit des gesamten Zustimmungsverfahrens und damit im Ergebnis für die Wirksamkeit der Kündigung.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nicht zu ersetzen sei. Dies gelte unabhängig davon, ob die Kenntniserlangung der kündigungsrelevanten Tatsachen am 25.10.2018 oder am 26.10.2018 erfolgte. Im ersteren Fall sei der Zustimmungsersetzungsantrag erst nach Ablauf der Kündigungserklärungsfrist beim zuständigen Gericht und damit verspätet eingegangen (mit einem Fristversäumnis von einem Tag). Im zweiten Fall sei die ursprüngliche Unterrichtung des Betriebsrats fehlerhaft gewesen, was zu einer Unzulässigkeit des Zustimmungsersetzungsantrags führe. Denn Voraussetzung für die Zulässigkeit des Zustimmungsersetzungsantrags sei die ordnungsgemäße Durchführung des Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat.

Sinn und Zweck des Zustimmungsverfahrens

Sinn und Zweck des Zustimmungsverfahrens sei, den Betriebsrat auf dieselbe Tatsachenbasis zu bringen wie die Arbeitgeberseite. Damit der Betriebsrat über die Zustimmung entscheiden könne, müsse er die Gründe für die geplante Kündigung kennen. Durch Fehlinformationen im Zustimmungsverfahren sei dies nicht möglich, urteilte das Gericht. Eine Anhörung sei dann unzureichend und führe zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Arbeitgeber bewusst unrichtige oder unvollständige Angaben mache. Vermeidbare oder unbewusste Fehlinformationen seien dagegen kein Grund für die Unwirksamkeit einer Betriebsratsanhörung, soweit der Arbeitgeber subjektiv gutgläubig war und der Sinn und Zweck der Anhörung trotz objektiv falscher Unterrichtung erreicht wird. Entscheidend sei bei unbewussten Falschinformationen, wie im konkreten Fall, ob sich der Inhalt der Unterrichtung mit dem Kenntnisstand des Arbeitgebers deckt und der Betriebsrat durch die Unterrichtung über dieselben Informationen verfügt wie der Arbeitgeber.

Dies verneint das Gericht im vorliegenden Fall. Der Arbeitgeber und der Betriebsrat seien durch die fehlerhafte Unterrichtung von unterschiedlichen Daten hinsichtlich der Kenntniserlangung der kündigungsrelevanten Tatsachen ausgegangen. Dies habe zu einer Divergenz im Kenntnisstand der Betriebsparteien geführt. Das konkrete Datum sei für die Entscheidung des Betriebsrats auch entscheidend gewesen. Denn Umstände, aus denen ersichtlich wird, dass der Arbeitgeber die Kündigungserklärungsfrist einhalten kann, seien mitteilungspflichtige Umstände im Rahmen des Zustimmungsverfahrens, weil maßgebliches Entscheidungskriterium für den Betriebsrat die Rechtmäßigkeit der Kündigung sei. Dies leitet das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg aus der Rechtsprechung zum Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG her. Im Ergebnis sei das Zustimmungsverfahren damit nicht ordnungsgemäß erfolgt, so dass die Zustimmung nicht gerichtlich zu ersetzen sei.

Fazit

Das gesamte Zustimmungsverfahren ist im vorliegenden Fall unglücklich für die Arbeitgeberin gelaufen. Ein leichtes Versehen, auf den ersten Blick ein marginaler Fehler, führte zur Unwirksamkeit der Kündigung. Über diesen konkreten Einzelfall hinweg hat das Urteil erhebliche Bedeutung. Arbeitgeber sind gehalten, sowohl im Rahmen einer Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG, als auch beim Zustimmungsverfahren nach § 103 Abs. 1 BetrVG äußerst sorgfältig auf die inhaltliche Richtigkeit der Anhörung bzw. Unterrichtung zu achten. Denn das vorliegende Urteil zeigt, dass selbst unbewusste Fehler wie ein Schreibversehen zur Unwirksamkeit der Kündigung insgesamt führen können.

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