Betriebsübergang auf mehrere Erwerber

Bislang war es herrschende Rechtsprechung, dass im Falle eines Betriebsüberganges ein Arbeitsverhältnis nur als Ganzes auf einen Erwerber übergehen kann. Davon ist nun der Europäische Gerichtshof erstmals mit Urteil vom 26.03.2020 (C-344/18) abgewichen.

Entschiedener Sachverhalt

Ergangen ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Fall einer belgischen Arbeitnehmerin, die als Projektleiterin in einer Reinigungsfirma für die Reinigung von drei verschiedenen Gebäuden zuständig war. Bei einer Neuausschreibung wurde die Reinigung der Gebäude verschiedenen Losen zugeteilt, die einzeln ausgeschrieben wurden. Zwei der Lose gewann ein Unternehmen, ein weiteres Los ein anderes Unternehmen. Der anwendbare Tarifvertrag sah nach belgischem Recht vor, dass die bestehenden Arbeitsverträge aufgrund des Überganges des Reinigungsauftrages auf den Erwerber übergehen.

Begründung

Das belgische Gericht fragte vor diesem Hintergrund den Europäischen Gerichtshof, ob Art. 3 Abs. 1 RL 2001/23/EG dahingehend auszulegen ist, dass in einem Fall des Überganges auf mehrere Unternehmen der Arbeitsvertrag

  • auf verschiedene Unternehmen im Verhältnis zum Beschäftigungsanteil übergeht oder
  • auf den Erwerber übergeht, der den Unternehmensteil übernimmt, in dem der Arbeitnehmer hauptsächlich beschäftigt war, oder
  • auf keinen Erwerber übergeht, und ob dies auch gilt, wenn man den Übergang des Beschäftigungsanteils auf die übertragenen Unternehmensteile nicht bestimmen kann.

Der Europäische Gerichtshof stellt fest, dass die Richtlinie den Fall des Überganges auf mehrere Erwerber nicht regelt, ihr Sinn und Zweck jedoch ist, die Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse mit dem Erwerber in unveränderter Form sicherzustellen. Eine Auslegung, wonach die wirtschaftliche Einhaltung in einem Sachverhalt wie in dem vorliegenden auf keinen Erwerber übergehe, komme daher nicht in Betracht. Ein Übergang auf beide Erwerber anteilig entsprechend der vom betreffenden Arbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben sei grundsätzlich denkbar, sofern eine Aufspaltung des Arbeitsvertrages möglich sei und weder eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nach sich ziehe noch die Wahrung der durch die Richtlinie gewährleisteten Ansprüche berühre.  

Konsequenzen für die deutsche Arbeitsrechtspraxis

Dem deutschen Arbeitsrecht ist eine Aufteilung eines Arbeitsverhältnisses fremd. In einem Fall wie dem Vorliegenden, in dem ein überwiegender Beschäftigungsanteil von einem Erwerber übernommen wurde, liegt die Annahme des Gesamtüberganges des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber, der den deutlich größeren Beschäftigungsanteil übernommen hat oder auch der Nichtübergang des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers, der keinem Betriebsteil zuzuordnen ist, nach deutschem Verständnis näher.

Zur Rechtssicherheit hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, wonach der Übergang auf mehrere Erwerber jedenfalls denkbar ist, leider nicht beigetragen.

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