Bewegung im Fernwärmerecht – Referentenentwurf zur Novelle der AVBFernwärmeV veröffentlicht

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 07. August 2024 einen Referentenentwurf (RefE) zur Novellierung der AVBFernwärmeV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme) veröffentlicht, dem wesentlichen Rechtsrahmen für das Verhältnis zwischen Fernwärmeversorgungsunternehmen (FVU) und Kunden. Der Entwurf geht in etlichen Punkten deutlich über den Referentenentwurf von Juli 2022 hinaus. Die Einführung einer Preisregulierung, wie zuletzt von der Monopolkommission in ihrem diesjährigen Hauptgutachten empfohlen, ist hiernach allerdings nicht geplant. Die Länder und Verbände hatten bis zum 20.08.2024 Zeit, zum Entwurf Stellung zu beziehen.

Erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der Novellierung

Die Fernwärmeversorgung ist - verglichen mit Strom und Erdgas – weit weniger streng reguliert, und dies, obwohl Fernwärmenetze natürliche Monopole sind und regelmäßig durch vertikal integrierte Unternehmen betrieben werden, die Erzeugung, Verteilung und Vertrieb in einer Hand konzentrieren. Aufgrund der Netzgebundenheit der Fernwärmeversorgung sind die Kunden nach ihrer Systementscheidung locked-in, vielerorts besteht sogar ein Anschluss- und Benutzungszwang. Die seit 1980 im Wesentlichen unverändert geltende AVBFernwärmeV macht FVU insbesondere Vorgaben über die Gestaltung ihrer Preisänderungsklauseln, reguliert jedoch nicht die Preishöhe als solche. Eine dahingehende Kontrolle kann nur durch die Kartellbehörden über die Missbrauchsaufsicht nach § 19 GWB erfolgen. Aktuell führt das Bundeskartellamt hierzu sechs Pilotverfahren (vgl. Jahresbericht 2023/2024). Gegenstand wiederkehrender Zivilklagen von Kunden sind hingen die Zulässigkeit von Preisänderungen und die (mangelnde) Transparenz der Preisänderungsklauseln.

Dem Fernwärmesektor kommt im Rahmen der Wärmewende eine entscheidende Rolle zu. Da der Wärmesektor für rund 20 % der CO2-Emission in Deutschland verantwortlich ist (fast 75 % aller Wohnungen werden mit Gas oder Öl beheizt) und dezentrale Lösungen wie Wärmepumpen allein den zukünftigen Heizungsbedarf insbesondere bei größeren Mehrfamilien- und Mietshäusern nicht abdecken können, will die Bundesregierung über eine Dekarbonisierung der Erzeugung von Fernwärme einerseits und den weiteren Ausbau der Fernwärmeversorgung zulasten von Gas und Öl andererseits die deutschen und europäischen Klimaziele erreichen. Dementsprechend weisen sowohl das novellierte Gebäudeenergiegesetz (GEG) als auch das zum 01.01.2024 in Kraft getretene Wärmeplanungsgesetz (WPG) der Fernwärmeversorgung eine besondere Bedeutung zu.

Nachdem das BMWK am 25.07.2022 einen ersten, nicht weiterverfolgten Referentenentwurf veröffentlicht hatte, hat es nunmehr 2 Jahre später einen grundlegend überarbeiteten und erweiterten Referentenentwurf vorgelegt. Vor dem Hintergrund der Wärmewende und der zunehmenden Digitalisierung sollen vor allem Verbraucherrechte stärker berücksichtigt werden, ohne dass die Interessen der FVU bezüglich Planbarkeit und Wirtschaftlichkeit gänzlich vernachlässigt werden.

Wesentlichen Änderungen der AVBFernwärmeV durch den RefE:

  • Erweiterte Veröffentlichungspflichtigen

Die bisher verstreut geregelten Veröffentlichungspflichten der FVU sollen in § 1a RefE zusammengefasst und im Sinne des Verbraucherschutzes um weitere Pflichten ergänzt werden. Zudem werden die Transparenzanforderungen an die Vorgaben digitaler Kommunikation angepasst. Bei der Verwendung von Preisänderungsklauseln sollen nunmehr detaillierte Angaben zur Nachvollziehbarkeit von Preisänderungen gemacht werden, u. a. über die Quellen der in der Preisänderungsklausel verwendeten Indizes, Details zu Beschaffungsstruktur und Energieträgermix, durchschnittliche Abnahmepreise für verschiedene Bedarfsszenarien und nicht zuletzt eine Musterberechnung sowie ein interaktives Berechnungsinstrument, mit dem Kunden Auswirkungen der Preisänderungsklauseln vor Vertragsschluss selbst berechnen und damit nachvollziehen können. Hinzu kommen detailliertere Angaben zu Netzverlusten, CO2-Emissionen u.a. Nicht bei allen neuen Angaben ist ersichtlich, wie diese zu mehr Verbraucherschutz beitragen sollen; in jedem Fall gehen diese Pflichten mit erheblichem Zusatzaufwand für die FVU einher. Ausnahmen gelten nur für Gebäudenetze im Sinne des GEG und sogenannte Kleinstnetze mit weniger als 100 Haushaltsanschlüssen bzw. einer Wärmeabnahme von nicht mehr als 2 MWh pro Meter Fernwärmeleitung.

Ergänzt werden die Veröffentlichungspflichten durch erweiterte Informationspflichten bei Änderung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen (AVB) des FVU (§ 4 Abs. 2 RefE). Anders als bisher muss das FVU nicht nur seine geänderten AVB öffentlich bekanntgeben; erforderlich ist neben der individuellen Kundenunterrichtung auch, die Änderungen hinsichtlich ihres Umfangs, Anlasses und ihrer Voraussetzungen zu erläutern.

  • Detailliertere Vorgaben zur Gestaltung von Preisänderungsklauseln

Nach dem Referentenentwurf sollen der grundlegend überarbeitete § 24 und der neu einzufügende § 24a deutlich detailliertere Vorgaben zur Gestaltung von Preisänderungsklauseln enthalten als bisher. Unverändert bleibt jedoch die Zusammensetzung einer Preisänderungsklausel aus Kosten- und Marktelement; auch die Anforderungen an Vollständigkeit und Transparenz derartiger Klauseln sollen unangetastet bleiben.

Der Referentenentwurf nimmt eine Reihe vom Bundesgerichtshof (BGH) in mittlerweile zahlreichen Entscheidungen vor allem der vergangenen 5 Jahre herausgearbeiteten Grundsätze auf und führt diese fort. Dies gilt beispielsweise für die Verwendung von Indizes im Kostenelement; diese müssen die vom FVU bei der Erzeugung und der Bereitstellung der Fernwärme im Wesentlichen, tatsächlich eingesetzten Energieträger und die wesentliche Beschaffungsstruktur des FVUs mit angemessener Genauigkeit widerspiegeln. Basiert das Kostenelement hingegen auf den tatsächlichen Kosten des FVU, ist nunmehr der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zu berücksichtigen; das FVU darf also nur Kosten berücksichtigen, soweit sie bei wirtschaftlicher Betriebsführung nicht hätten vermieden werden können.

Für das sogenannte Marktelement, das regelmäßig durch einen oder mehrere Indizes abgebildet wird, sieht der Referentenentwurf vor, dass dem vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Wärmepreisindex der Charakter eines Regelbeispiels zukommt, die Verwendung dieses Indexes also zweifelsfrei die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Ebenfalls in Fortsetzung der BGH-Rechtsprechung ist den FVU die Änderung der Preisänderungsklausel beim Wechsel des Energieträgers bzw. der Änderung der Beschaffungsstruktur gestattet, wenngleich nur binnen eines Jahres nach Vornahme der Änderung. Die in wirtschaftlicher Hinsicht letztlich zentral(en) Regelung(en) erscheinen nach erster Bewertung sachgerecht und bergen für die FVU keine, gegenüber der bekannten Rechtsprechung überraschenden Neuerungen.

  • Abgestufte Vertragslaufzeiten und kürze Kündigungsfristen

Da die FVU erheblich in die Errichtung und den Erhalt der Fernwärmenetze investieren müssen, dürfen Versorgungsverträge derzeit eine Anfangslaufzeit von bis zu 10 Jahren aufweisen. Wird der Vertrag nicht von einer der beiden Seiten mit einer Frist von 9 Monaten gekündigt, verlängert sich dieser stillschweigend um jeweils weitere 5 Jahre. Der Referentenentwurf will nun in § 32 AVBFernwärmeV ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen der Anbieter- und der Verbraucherseite herstellen. Eine Anfangslaufzeit von 10 Jahren soll deshalb zukünftig nur noch bei neu hergestellten Hausanschlüssen oder bei einer wesentlichen Erhöhung der vereinbarten Wärmeleistung zulässig sein, um den Unternehmen die notwendige Planungssicherheit zu geben. Folgeverträge für einen bereits hergestellten Hausanschluss dürfen hingegen nur noch eine Anfangslaufzeit von maximal 5 Jahren aufweisen. Bei der Anschlusslaufzeit soll ebenfalls differenziert werden: während diese gegenüber Gewerbekunden maximal 5 Jahre betragen darf, soll sie gegenüber Verbrauchern auf nur noch 2 Jahre begrenzt sein. Die Kündigungsfrist soll einheitlich auf jeweils 6 Monate verkürzt werden.

  • Abrechnungs- und messtechnische Vorgaben

Schließlich sollen die bisherigen Regelungen für Messung und Abrechnung sowie zu Hausanschluss, Übergabestation und Kundenanlage durch Übernahme entsprechender Bestimmungen aus der Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsverordnung (FFVAV) bzw. Anlehnung an Verordnungen aus dem Bereich der Strom- und Gasversorgung (NAV bzw. NDAV sowie Strom- und GasGVV) im Sinne des Verbraucherschutzes angepasst werden.

Der weitere Zeitplan des BMWK ist ehrgeizig: Nach Abschluss der Länder- und Verbändeanhörung muss der Referentenentwurf in ggf. angepasster Fassung zunächst innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden. Erklärtes Ziel ist es gleichwohl, dass die Novelle der AVBFernwärmeV nach Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat noch in diesem Jahr in Kraft tritt.

Es bleibt also spannend – Fortsetzung folgt!

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