BKartA stellt Leitlinienentwurf für Genossenschaften vor

Das BKartA hat kürzlich einen Entwurf zu Leitlinien für die Vereinbarkeit des Genossenschaftswesens mit dem Kartellrecht veröffentlicht (siehe hier) und die Öffentlichkeit zu Stellungnahmen aufgefordert. In dem 60-seitigen Papier behandelt die Behörde typische kartellrechtliche Problemfelder die sich in einem genossenschaftlichen Kontext und allgemein bei Verbundgruppen stellen können. Nachfolgend gehen wir auf einige Kernaussagen des Papiers ein.

Das „Genossenschaftsprivileg“ umfasst kein Konzernprivileg

Das BKartA betont, dass das Kartellverbot auch im genossenschaftlichen Kontext unverändert fortgilt, also grds. auch zwischen GenossenschaftsmitgIiedern sowie zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern. Insoweit habe das sog. Genossenschaftsprivileg keine Bedeutung.

Erklärungsbedürftig ist allerdings die Feststellung des Amtes, dass in Fällen, in denen zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern diverse Verträge zur Vereinheitlichung des wettbewerblichen Verhaltens gelten (bspw. bezüglich eines Pflichtsortiments, des Vertriebskonzepts, der Gestaltung der Verkaufsräume usw.) das Kartellverbot unter ihnen ggf. nicht gilt. Das BKartA stellt insoweit fest:

Aufgrund der [zuvor beschriebenen] engen Vorgaben ist der Wettbewerb der Genossenschaftsmitglieder untereinander sowie zur Genossenschaft gedämpft, sodass in diesem konkreten Fall gute Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Genossenschaft und ihre Mitglieder wegen der vertraglich vermittelten Einflussmöglichkeiten als wirtschaftliche Einheit zu betrachten sein könnten. (Rz. 30).

Es ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass das BKartA insoweit eine „neue Fallgruppe“ für die Gewährung des sogenannten Konzernprivilegs (d.h. der Nichtgeltung der kartellrechtlichen Verbote in einem Unternehmensverbund) schaffen wollte. In der aktuell gewählten Formulierung ließe sich die Aussage aber ggf. auch auf Franchisesysteme o.ä. Vertriebsmodelle mit engen Vorgaben seitens des Lieferanten übertragen. Daher wäre eine Klarstellung begrüßenswert, bspw. unter Bezugnahme auf BKartA, Fallbericht vom 16. Januar 2015, B2-64/14 – BayWa/RaiWa Lobsing.

Mitgliedschaft und Bezugsbindungen: Viele Genossenschaften sind als Bezugs-und Absatzverbünde organisiert. Aus diesem Grund sind Mitgliedschaft und Lieferbeziehung häufig verknüpft. In bestimmten Fällen können langlaufende Lieferbeziehungen kartellrechtlich kritisch sein, insbesondere wenn die Lieferbeziehung über einen Zeitraum von 5 Jahren hinausgreift und/oder die Beteiligten nicht unerhebliche Marktanteile auf den relevanten Absatz-oder Bezugsmärkten auf sich vereinen. Das BKartA empfiehlt daher die rechtliche Trennung von Mitgliedschaft und Lieferbeziehung; bezüglich der Mitgliedschaft selbst sind grds. längerfristige Kündigungsfristen gerechtfertigt. Ausschließ­lichkeits­bindungen hingegen müssen zur Vermeidung von Abschottungseffekten in der Regel kürzer gestaltet werden (Rz. 83 ff.).

Verbundgruppen: Speziell in Bezug auf Verbundgruppen stellt das BKartA fest, dass deren Kernaufgabe in der Warenbeschaffung im Eigen-und Vermittlungsgeschäft sowie zunehmend auch in der Unterstützung auf Absatzseite und bei sonstigen Dienstleistungen (etwa Logistik, IT) liegt. In der Regel seien die selbstständigen Unternehmen Gesellschafter der Verbundgruppe. Daneben gibt es Verbundgruppen, deren Mitglieder nur durch schuldrechtliche Verträge angeschlossen sind. (Rz. 66).

Online-Vertrieb allgemein: Soweit Genossenschaften oder Verbundgruppen unterstützende Aufgaben im Vertrieb übernehmen, stellt sich automatisch die Frage nach der kartellrechtlich zulässigen Reichweite einer Koordinierung in Bezug auf die Preissetzung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mitglieder häufig zumindest potentielle Wettbewerber sind. Dies gilt zwar nicht zwangsläufig für den stationären Handel (wo die räumlichen Märkte ggf. eng sind), aber für den mindestens ebenso bedeutsamen Onlinehandel, wo sie sich regelmäßig als Wettbewerber gegenüberstehen. Kartellrechtlich kritisch ist es bspw., wenn die Genossenschaft oder der Verbund insoweit Mindestverkaufspreise vorgibt, um einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den angeschlossenen Mitgliedern zu verhindern. Selbst die Hinterlegung eines vorgeschlagenen Verkaufspreises in einem einheitlichen Warenwirtschaftssystem durch die Zentrale ist ggf. kartellrechtlich bedenklich. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Mitglieder die Preise aufgrund des erforderlichen manuellen Korrekturbedarfs voraussichtlich nicht ändern werden. Preisempfehlungen sind hingegen zulässig (Rz. 100 ff.).

Plattformkooperationen: Das BKartA begrüßt Plattformkooperationen ausdrücklich. Aus Sicht der Behörde kann diese Vertriebsform insbesondere für kleine Händler wichtig sein, um online auf Augenhöhe mit großen Wettbewerbern konkurrieren zu können. Dennoch dürfe aus Sicht des BKartA in der Regel auch insoweit nicht von der Freistellungsfähigkeit von Preiskoodinierungen ausgegangen werden. Gleichzeitig verweist sie auf frühere Aussagen, wonach die Koordinierung kurzfristiger Sonderangebotskampagnen oder eine kurzfristige Vereinheitlichung der Aktionsverkaufspreise in Franchise- und ähnlichen Vertriebssystemen ausnahmsweise zulässig sein kann. Ergänzend formuliert das BKartA aber überraschend:

Dies kann nach Auffassung des BKartAs im Einzelfall auch dann zutreffen, denn verschiedene Händler einen gemeinsamen Internetauftritt unter ihrer gemeinsamen Dachmarke haben.

Es stellt sich die spannende Frage, ob das BKartA damit in bestimmten Sonderfällen von gemeinsamer Markennutzung eine Preiskoordinierung ausnahmsweise für zulässig erachtet; agiert eine Vertriebsplattform im Wesentlichen zugunsten kleiner Händler und vertritt sie nur einen kleinen Marktanteil, wäre dies zumindest vorstellbar (Rz. 108 ff.).

Marktinformationssysteme und Benchmarking: Das BKartA wiederholt die bereits bekannten Grenzen des Informationsaustausches im Verbandskontext. Es betont insbesondere, dass ein Austausch von aktuellen oder gar zukunftsgerichteten Preis-, Mengen-oder Kapazitätsinformationen als kartellrechtlich sensibel (und im Zweifel unzulässig) anzusehen ist. Dagegen wäre der Austausch von aggregierten und historischen Daten in der Regel unkritisch. Wichtig sei auch, dass die Marktinformationssysteme diskriminierungsfrei ausgestaltet sind, d. h. insbesondere jeder im Grundsatz auf die betreffenden Daten zugreifen können muss.

Einkaufskooperationen: schließlich wiederholt das BKartA die bereits in den Horizontalleitlinien der Kommission genannte Marktanteilsschwelle von 15 % für die Zulässigkeit von Einkaufskooperationen; sie bezieht sich sowohl auf die Einkaufs- als auch auf die Absatzseite.

Fazit

Das Papier erfüllt (wohl) die aus dem Koalitionsvertrag 2018 von CDU, CSU und SPD folgende Verpflichtung zur Schaffung von Leitlinien für Genossenschaften, es geht aber auch nicht weiter. Für die Rechtsanwender bietet es immerhin eine gewisse Anwendungshilfe als es einen Analyserahmen für einige zentrale Problemfelder bereithält. Es wäre ergänzend hilfreich, wenn das BKartA die gekennzeichneten Punkte noch weiter klarstellt.