Im November 2021 hat das BKartA eine finale Fassung der „Leitlinien für die Vereinbarkeit des Genossenschaftswesens mit dem Kartellrecht“ veröffentlicht. Das BKartA hatte dazu bereits im Mai 2021 einen Entwurf veröffentlicht und interessierte Kreise zu Stellungnahmen aufgefordert. Zu dem Entwurfstext haben wir seinerzeit auch in einem umfänglichen Blogbeitrag Stellung bezogen (siehe hier).
Die nun veröffentlichte, finale Fassung des Leitfadens berücksichtigt nach Angaben des Kartellamtspräsidenten Andreas Mundt diverse Anregungen aus der Praxis. Der Abfassung des Papiers seien u.a. Gespräche mit den Spitzenverbänden der Genossenschaften, dem deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. (DGRV), dem Raiffeisenverband e.V. (DRV) sowie dem DER MITTELSTANDSVERBUND – ZGV e.V. (ZGV) vorausgegangen.
Inhaltlich unterscheidet sich die finale Fassung nur in Nuancen vom Vorentwurf, weshalb wir insoweit zusammenfassend auf unseren Blogbeitrag aus Mai 2021 (s.o.) Bezug nehmen. Lediglich bezüglich einzelner Passagen erfolgt eine im Vergleich zum Vorentwurf tiefer gehende Befassung mit der einschlägigen Entscheidungspraxis deutscher Gerichte zum Genossenschaftswesen, insbesondere zu den ungeschriebenen Ausnahmen vom Kartellverbot (Rz. 41 ff.). Inhaltlich Neues halten die endgültigen Leitlinien im Ergebnis nicht bereit. Entscheidend dürfte insoweit (weiterhin) die folgende Feststellung sein:
Die behördliche und auch gerichtliche Kartellrechtspraxis ist sich der besonderen Funktion von Genossenschaften, ihrer Verfasstheit und demokratischen Entscheidungsstrukturen bewusst. […] Gleichwohl sind Genossenschaften nicht prinzipiell vom Kartellrecht ausgenommen. Insbesondere existiert kein spezifisches Genossenschaftsprivileg im Kartellrecht. (Leitlinien, Rz. 75 f.).
Die Leitlinien betonen, dass Genossenschaften – dem Grundsatz nach – kartellrechtlich ebenso zu behandeln sind wie andere Formen der Unternehmenskooperation. Ein Genossenschaftsprivileg im engeren Sinne gibt es nur in ausgewählten Tätigkeitsbereichen, etwa in der Landwirtschaft (§ 28 GWB), dort jedoch unabhängig von der gewählten Rechtsform. Kritisch sind daher nicht Absprachen zwischen Genossenschaften, sondern – je nach Einzelfall – auch übermäßig lange Bezugsbindungen oder ein Verbot der Doppelmitgliedschaft.
Es handelt sich um eine Anwendungshilfe, die vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu Gute kommen soll. Das BKartA erfüllt damit den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag 2018, wonach u.a. Leitlinien entwickelt werden sollen, die die Vereinbarkeit des Genossenschaftswesens mit dem deutschen Kartellrecht zum Gegenstand haben – nicht mehr, aber auch nicht weniger.