Bundesgerichtshof schafft Klarheit: Eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen älterer Mietrückstände unterliegt keiner Ausschlussfrist

Keine Anwendbarkeit des § 314 Abs.3 BGB

Ein Mietverhältnis ist u.a. dann gemäß § 543 Absatz 2 Ziffer 3 BGB kündbar, wenn sich der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug befindet oder sich der Verzug über mehr als 2 Termine erstreckt und der Mietrückstand zwei Monatsmieten erreicht. Vermieter stehen im Falle des Mietrückstandes des Mieters vor der Frage, ob sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des Kündigungstatbestandes des § 543 Abs.2 Ziffer 3 BGB sofort von der Möglichkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses Gebrauch machen oder erst einmal die weitere Entwicklung abwarten sollen. Gerade bei schwer vermietbaren Objekten kann es sowohl im Wohnraummietrecht als auch im Gewerberaummietrecht im Einzelfall für den Vermieter sinnvoller sein, den Mieter zunächst zu mahnen und abzuwarten, ob der Mieter den Rückstand zu einem späteren Zeitpunkt ggfs. doch begleichen wird, z.B. weil dieser sich nur vorübergehend in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt hat die Klägerin (eine katholische Kirchengemeinde) die Kündigung erst mehr als sieben Monate nach Entstehen des Kündigungsgrundes nach einer erfolglosen vorherigen Mahnung ausgesprochen.

Grundsätze der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Wohnraummietrecht

Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die mehr als sieben Monate nach entstehen des Kündigungsgrundes ausgesprochene Kündigung der Vermieterin gemäß § 314 Abs.3 BGB unwirksam sei, weil sie nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen nicht in angemessener Zeit erfolgt sei. Aus sozialen und ethischen Erwägungen dürfe eine Kündigung nach derart langer Zeit nicht mehr erklärt werden.

Dieser Auffassung ist der für das Wohnraummietrecht zuständige Senat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 13.Juli 2016, Az: VIII ZR 296/15 nicht gefolgt.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes findet § 314 Absatz 3 BGB, wonach der Berechtigte wirksam nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund kündigen kann, neben den speziell geregelten Vorschriften zur fristlosen außerordentlichen Kündigung im Wohnraummietrecht (§§ 543, 569 BGB) keine Anwendung. Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen festzulegen, dass die außerordentliche Kündigung nach §§ 543, 569 BGB innerhalb einer angemessenen Zeit ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat. Die fristlose Kündigung wird in §§ 543, 569 BGB abschließend geregelt. Gemäß der Gesetzesbegründung zu § 543 BGB besteht kein Bedürfnis für eine Festlegung von Kündigungsausschlussfristen, weil ein Kündigungsrecht nach ständiger Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen verwirkt werden könne. Nach der Gesetzesbegründung zu § 314 BGB werden die spezialgesetzlichen Einzelbestimmungen durch § 314 BGB weder aufgehoben noch geändert.

Anwendbarkeit der Grundsätze der BGH-Entscheidung auch auf das Gewerberaummietrecht?

Ausgehend von der Begründung der BGH-Entscheidung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass diese Grundsätze der BGH-Entscheidung vom 13.Juli 2016 unverändert auch auf das Gewerberaummietrecht übertragen werden können, also der für das Gewerberaummietrecht zuständige 12. Senat des BGH der Entscheidung des 8. Senates folgen wird. Die Vorschrift des § 543 BGB hat ihren Standort im Titel „Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse“ ist damit unmittelbar auch auf Gewerberaummietverhältnisse anwendbar. Die Gesetzesbegründung, auf welche der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung Bezug nimmt, bezieht sich somit auf alle Mietverhältnisse.

Welche Fragen verbleiben nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes?

In seiner Entscheidung verweist der Bundesgerichtshof ausdrücklich auf die Möglichkeit, dass eine „Verzögerung“ einer Kündigung im Einzelfall zur Verwirkung des Kündigungsrechtes führen kann. Dies erfordert aber, dass neben dem sog. „Zeitmoment“ ein sog. „Umstandsmoment“ festzustellen ist, also tragfähige Anhaltspunkte für ein berechtigtes Vertrauen des Mieters vorliegen, dass der Vermieter von seinem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Mietrückstands keinen Gebrauch machen werde.

Praxistipp: Auch nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes ist also im Einzelfall eine Prüfung erforderlich, ob eine Verwirkung des Kündigungsrechts nach allgemeinen Grundsätzen anzunehmen ist.

Gemäß § 543 Absatz 3 BGB bedarf eine Kündigung wegen Mietrückstandes gemäß § 543 Absatz 2 Ziffer 3 BGB grundsätzlich keiner vorherigen Abmahnung. Bei einer „Verzögerung“ der Kündigung könnte eine Kündigung, die ohne unmittelbar vorhergehende Abmahnung ausgesprochen wird aber überraschend und somit rechtsmissbräuchlich sein.

Praxistipp: Bei einer Verzögerung der Kündigung ist somit zu empfehlen, den Mieter in einem nahen zeitlichen Zusammenhang vor Erklärung der Kündigung zuvor abzumahnen, was in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt im Übrigen auch geschehen ist.

Autorin

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