Bundeskartellamt untersagt Facebook die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen

Das Bundeskartellamt hat mit Entscheidung vom 06.02.2019 Facebook weitreichende Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten aufgelegt (s. Pressemitteilung vom 07.02.2019; siehe auch Fallbericht vom 15.02.2019). Künftig dürfen die zum Facebook-Konzern gehörenden Dienste (WhatsApp, Oculus, Masquerade und Instagram) Nutzerdaten zwar weiterhin sammeln. Eine Zuordnung dieser Daten zum Nutzerkonto bei Facebook ist aber nur noch mit freiwilliger Einwilligung des Nutzers möglich. Wird die Einwilligung nicht erteilt, müssen die Daten bei den anderen Diensten verbleiben und dürfen nicht kombiniert mit den Facebook-Daten verarbeitet werden. Eine Sammlung und Zuordnung von Daten von Drittwebseiten zum Facebook-Nutzerkonto ist in der Zukunft ebenfalls nur nach freiwilliger Einwilligung des Nutzers zulässig. Für den Fall, dass die Nutzer die hiernach erforderlichen Einwilligungen nicht erteilen, muss Facebook entsprechende Lösungsvorschläge erarbeiten und dem Bundeskartellamt vorlegen (siehe auch Hintergrundpapier des Bundeskartellamts vom 07.02.2019).

Marktbeherrschende Stellung von Facebook auf dem Markt für soziale Netzwerke in Deutschland

Das Bundeskartellamt stützt seine Untersagungsverfügung auf § 19 Abs. 1 GWB. Hiernach ist es marktbeherrschenden Unternehmen verboten, ihre Marktstellung missbräuchlich auszunutzen. Nach Ermittlungen des Bundeskartellamts erreicht Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke einen Marktanteil von ca. 90 %. Dienste wie Snapchat, YouTube oder Twitter, aber auch berufliche Netzwerke wie LinkedIn und XING böten jeweils nur einen Ausschnitt der Leistung eines sozialen Netzwerks an und seien deshalb nicht in den relevanten Markt einzubeziehen. Aber auch unter Einbeziehung dieser Dienste würde Facebook einschließlich seiner Tochterunternehmen Instagram und WhatsApp auf so hohe Marktanteile kommen, die die Annahme eines Monopolisierungsprozesses nahelegen. Zudem habe der Wettbewerber Google+ unlängst angekündigt, sein soziales Netzwerk bis April 2019 einzustellen.

Missbräuchliche Ausnutzung der Marktmacht durch Umfang der Sammlung, Verwertung und Zuführung der Daten auf dem Facebook-Nutzerkonto

Nach den Geschäftsbedingungen von Facebook können Nutzer das soziale Netzwerk bislang nur unter der Voraussetzung nutzen, dass Facebook auch außerhalb der Facebook-Seite Daten über den Nutzer im Internet oder auf Smartphone-Apps sammelt und dem Facebook-Nutzerkonto zuordnet. Alle auf Facebook selbst, den konzerneigenen Diensten wie z.B. WhatsApp und Instagram sowie den auf Drittwebseiten gesammelten Daten können mit dem Facebook-Nutzerkonto zusammengeführt werden. Die Daten aus diesen Drittquellen werden dabei bereits dann gesammelt und dem Facebook-Nutzerkonto zugeordnet, sofern der betreffende Nutzer die Webseite oder die App aufruft, ohne den Facebook- "Like- "oder "Share-Button" zu berühren oder gar zu bestätigen. Selbst dann, wenn für den Internetnutzer gar kein Facebook-Symbol auf der Webseite sichtbar ist, fließen vielfach Daten des Nutzers von einer Internetseite zu Facebook.

Die Frage der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung ist aufgrund einer Abwägung der Interessen des marktbeherrschenden Unternehmens mit den Interessen der betroffenen Marktgegenseite unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung zu beantworten. Hier sind also die wirtschaftlichen Interessen von Facebook mit den Interessen der Nutzer an der selbstbestimmten Verfügungsgewalt über ihre persönlichen Daten gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigen sind zudem die Interessen der aktuellen du potentiellen Wettbewerber von Facebook. Facebook ist aufgrund der Vielzahl seiner Nutzer des Umfangs der gesammelten persönlichen Daten für immer mehr Werbekunden unverzichtbar. Potentielle Wettbewerber von Facebook könnten deshalb von einem Marktzutritt abgeschreckt werden, weil Facebook bisher über einen überragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten, insbesondere persönlichen Daten seiner Nutzer verfügt.

Datenschutzverstoß als Konditionenmissbrauch

Konkreter Ansatzpunkt für das Bundeskartellamt ist hier der Konditionenmissbrauch nach der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB . Hiernach ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen verboten. Das Bundeskartellamt stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der in Sachen VBL-Gegenwert und VBL-Gegenwert II sowie im Fall Pechstein. Der Bundesgerichtshof sieht hiernach die Vereinbarung von Vertragsbestimmungen als missbräuchlich an, wenn anhand von Wertungen des Zivilrechts, etwa des AGB-Rechts unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden oder sich dies anhand einer grundrechtlichen Interessabwägung ergibt. Hieran anknüpfend hat das Bundeskartellamt die Vertragskonditionen von Facebook anhand datenschutzrechtlicher Wertungen, insbesondere der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geprüft. Denn das Datenschutzrecht bezweckt den Schutz des Betroffenen vor ungerechtfertigten Datenverarbeitungen seiner personenbezogenen Daten durch die Marktgegenseite.

Nach Auffassung des Bundeskartellamts hat diese Prüfung ergeben, dass Facebook keine wirksame Rechtfertigung für die Erhebung von Daten aus anderen konzerneigenen Diensten sowie aus Facebook Business Tools und der Verknüpfung der Daten mit den Facebook-Konten hat. Weder sei die Datenverarbeitung für die Vertragserfüllung erforderlich, noch ergebe die Interessenabwägung, dass Facebooks Interessen an der Datenverarbeitung die Nutzerinteressen überwögen. Schließlich habe Facebook auch keine wirksame Einwilligung zur Verarbeitung der hier betroffenen Daten eingeholt. Eine solche läge nur dann vor, wenn die Bereitstellung des Dienstes Facebook.com nicht von der Erteilung der Einwilligung abhängig gemacht werden würde. Das Bundeskartellamt prüft insoweit im Einzelnen die Rechtfertigungstatbestände von Art. 6 DSGVO (s. nochmals Fallbericht vom 15.02.2019).

Konkrete Vorgaben an Facebook

Das Bundeskartellamt hat Facebook im Wesentlichen untersagt, dass es in seinen Vertragskonditionen die Nutzung des sozialen Netzwerks davon abhängig macht, dass Facebook Daten, die bei der Nutzung von anderen Diensten oder Webseiten anfallen, mit Facebook-Nutzerkonten zu verknüpfen und zu verwenden. Facebook ist die Verwendung dieser Nutzungsbedingungen, aber auch die tatsächliche Datenverarbeitung auf Grundlage dieser Bedingungen untersagt. Facebook hat das beanstandete Verhalten innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten abzustellen. Will Facebook weiterhin ohne Einwilligung der Nutzerdaten aus anderen Quellen sammeln und mit dem Facebook-Nutzerkonto zusammenführen, muss diese Form der Datenverarbeitung stark beschränkt werden. Hierfür gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten, die Facebook innerhalb der nächsten vier Monate ausarbeiten und dem Bundeskartellamt vorlegen muss. Aufgrund der Zuständigkeit des Bundeskartellamts bezieht sich die Verfügung ausschließlich auf die in Deutschland ansässigen privaten Nutzer von Facebook.

Wie auch in den meisten anderen Missbrauchsfällen hat das Bundeskartellamt ein kartellbehördliches Verwaltungsverfahren und kein Bußgeldverfahren geführt. Hintergrund ist, dass aufgrund der bei der Frage der missbräuchlichen Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung vorzunehmenden Interessenabwägung für das handelnde Unternehmen häufig nicht hinreichend klar erkennbar ist, ob ein Missbrauch zu bejahen ist oder nicht. Von der verfassungsrechtlichen Frage der Verhältnismäßigkeit einer Bußgeldverhängung abgesehen, würde dem Bundeskartellamt in derartigen Fällen nur schwer der erforderliche Nachweis eines fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhaltens gelingen. Allerdings ist das Bundeskartellamt befugt, die Verwaltungsentscheidung über Zwangsmittel durchzusetzen. Es ist also befugt, bei nicht rechtzeitiger Umsetzung der Verfügung oder fortdauernder Verstöße hiergegen Zwangsgelder oder auch Bußgelder gegen Facebook zu verhängen.

Fortgang des Verfahrens

Die Entscheidung des Bundeskartellamts ist noch nicht rechtskräftig. Facebook hat mittlerweile beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Entscheidung, einschließlich eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde eingelegt. Abzuwarten bleibt auch, wie sich andere nationale Kartellbehörden verhalten. Das Bundeskartellamt weist in seiner Pressemittelung darauf hin, dass es sich während des Verfahrens eng sowohl mit der Europäischen Kommission als auch mit anderen ausländischen Wettbewerbsbehörden abgestimmt habe. Die weitere Entwicklung in dieser Sache bleibt also spannend.

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