Bundesverfassungsgericht billigt Klimaschutzgesetz NRW

Das Thema Klimaschutz hat spätestens seit der bahnbrechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr (wir berichteten: https://www.kuemmerlein.de/aktuelles/einzelansicht/reaktionen-auf-die-klimaschutz-entscheidung-des-bverfg) höchste juristische, nämlich verfassungsrechtliche, Kreise er-reicht. Seitdem sind auch Fachgerichte mit den Auswirkungen der Klimaschutz-Entscheidung befasst, wie beispielhaft ein Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Aachen zeigt (mein Kollege Nils Möller fasste den Beschluss kürzlich zusammen). Nun hatte das Bundesverfassungsgericht erneut über ein Klimaschutzgesetz zu entscheiden, allerdings nicht über das des Bundes.

Im Folgenden klären wir auf, worum es ging, wie das Gericht entschieden hat und welche Bedeutung der Beschluss hat.

Wer klagte und gegen was?

Tatsächlich ging es in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.01.2022 nicht nur um eine einzelne Verfassungsbeschwerde. Insgesamt lagen dem höchsten Gericht der Bundesrepublik elf Verfassungsbeschwerden junger Menschen vor, die sich jeweils gegen die Klimaschutzgesetze der Bundesländer wendeten, aus denen sie stammten. Mit auf dem Tisch lag auch das Klimaschutzgesetz NRW, kurz KSG NRW.

Inspiriert von der schon jetzt historischen Klimaschutz-Entscheidung aus Karlsruhe beriefen sich die Beschwerdeführer*innen vor allem auf die Verpflichtung des Staates aus Art. 20a GG, das Klima zu schützen.
Wir rekapitulieren: Nicht nur sei der Staat aus Art. 20a GG dazu verpflichtet, das Klima zu schützen, so das Bundesverfassungsgericht. Er müsse auch dafür Sorge tragen, dass schon heute ausreichend effektive Anstrengungen unternommen würden, um künftige Generationen nicht mit wesentlich strengeren Maßnahmen zum Schutze des Klimas übermäßig zu belasten. Diese „intertemporale Freiheitssicherung“ gebiete eine verhältnismäßige und gerechte Verteilung über die Generationen hinweg.

Wie hat das Bundesverfassungsgericht entschieden?

Die Entscheidung des Gerichts fiel aus Sicht der Beschwerdeführer*innen dieses Mal ernüchternd aus:

Zwar seien auch die Bundesländer über Art. 20a GG verpflichtet das Klima zu schützen, allerdings existiere, anders als für die Bundesrepublik insgesamt, kein hinreichend konkretes landesspezifisches CO2-Budget. Ein solches Budget sei aber gerade notwendig, um den Gesetzgeber überhaupt erst in eine Lage zu versetzen, in der er gezwungen ist, sich unter Beachtung von Freiheitsrechten künftiger Generationen mit einer freiheitsrechtsschonenden Verteilung des restlichen Budgets auseinanderzusetzen. Anders gewendet, wer nichts zu verteilen hat, läuft auch nicht Gefahr, sich eine unfaire oder ungleiche Verteilung vorwerfen lassen zu müssen.

Im Übrigen betonte das Bundesverfassungsgericht noch, dass den grundrechtlichen Schutzpflichten durch das Bundesklimaschutzgesetz hinreichend nachgekommen werde (eine ausführlichere Zusammenfassung der Begründung findet sich etwa bei Legal Tribune Online.

Was folgt aus dem Beschluss des BVerfG?

Es zeigt sich also, dass das Gericht aus verfassungsrechtlicher Perspektive nichts gegen die angegriffenen Klimaschutzgesetze, auch nicht gegen das KSG NRW, einzuwenden hatte.

Gleichzeitig wird durch diesen Beschluss klar: Die Musik in Sachen Einklagbarkeit von Klimaschutzrechten spielt nach aktuellem Stand auf der Bundesebene. Solange das dort festgelegte CO2-Budget nicht auf die einzelnen Bundesländer verteilt wird, können die Länder intertemporale Freiheitsrechte nicht verletzen. Ob ein solcher föderaler Ansatz wahrscheinlich ist, erscheint fraglich. Denn das Bundesklimaschutzgesetz verfolgt in seiner jetzigen Form eine sektorenbezogene Verteilung der verbleibenden Jahresemissionsmengen ohne den einzelnen Bundesländern individuelle Reduktionsvorgaben zu machen.

Nichtsdestotrotz kann der Bund seine Klimaziele nicht erreichen, wenn die Länder nicht mitziehen. Daher haben auch die Klimaschutzgesetze der Bundesländer ihre Berechtigung und es scheint sinnvoll, abschließend einige Aspekte des KSG NRW genauer zu betrachten.

Was sind die Kernpunkte des Klimaschutzgesetzes NRW?

Das KSG NRW wurde mit dem Gesetz zur Neufassung des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2021 novelliert. Unter Berücksichtigung dieser Novellierung lassen sich einige Kernpunkte herausarbeiten:

1. Festlegung von Klimaschutzzielen

Die Treibhausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen sollen im Vergleich zum Jahr 1990 schrittweise bis zum Jahr 2030 um mindestens 65% und bis zum Jahr 2040 um 88% gesenkt werden, sodass in 2045 die sog. Treibhausgasneutralität erreicht ist. 

Außerdem soll die Verwaltung des Landes NRW bis 2030 bilanziell klimaneutral sein. Zur Bündelung aller notwendigen Schritte wurde zudem eine neue Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate gebildet.

2. Einklagbarkeit von Rechten

Explizit nicht begründet werden durch das KSG NRW subjektive Rechte oder klagbare Rechtspositionen, was der bundesgesetzlichen Regelung entspricht. Folglich sind Klagen, die sich unmittelbar auf das KSG NRW stützen ausgeschlossen. Auch Unternehmen dürften vor diesem Hintergrund keine Klagen befürchten, die sich auf das KSG NRW stützen (klarstellend insoweit das  Urteil des OVG NRW v. 05.11.2021, 11 D 93/19.AK.

3. Ausbau erneuerbarer Energien und Speicherung von Kohlenstoff

Zur Erreichung dieser Ziele will die Landesregierung eine „Vorbildfunktion“ einnehmen. Erneuerbare Energien sollen verstärkt ausgebaut werden, insbesondere durch den Ausbau einer der Erzeugung, Nutzung und Verteilung von Wasserstoff dienenden Infrastruktur, ober- und unterirdische Kohlenstoffspeicherkapazitäten des Waldes sollen erhalten werden und Treibhausgasemissionen sollen in allen klimarelevanten Sektoren verringert und gebunden werden.

Der Umbau der Industrie und der Ausbau erneuerbarer Energiequellen stellt für die Politik und Gesellschaft ein echtes Mammutprojekt dar. In umweltrechtlicher Hinsicht gilt es für nordrhein-westfälische Unternehmen klug zu planen, um mögliche Beeinträchtigungen des eigenen Wirtschaftsbetriebes in vorteilhafte Wertschöpfung umzuwandeln.