Die Ausbreitung des Corona-Virus hat bereits erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Beziehungen deutscher und internationaler Unternehmen. Aufgrund von Quarantänemaßnahmen müssen viele Betriebe auf Teile ihres Personals verzichten oder gar vollständig schließen. In Zeiten der Globalisierung sind weltweite Lieferketten unmittelbar betroffen. Materialengpässe führen zu Lieferschwierigkeiten, die sich wiederum negativ auf Produktion und Liquidität auswirken.
Um als Unternehmen angemessen auf diese wirtschaftliche Ausnahmesituation reagieren zu können, ist es von erheblicher Bedeutung, die eigenen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit bestehenden Liefer- und Leistungsbeziehungen zu kennen.
Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist dabei insbesondere die Frage, ob ein Fall höherer Gewalt („Force Majeure“), eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung oder eine Störung der Geschäftsgrundlage angenommen werden kann.
Höhere Gewalt („Force Majeure“)
Kann ein Unternehmen aufgrund von Lieferschwierigkeiten, Produktionsausfällen oder Liquiditätsengpässen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie seinen eigenen vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, macht es sich grundsätzlich gemäß den §§ 280 ff. BGB schadensersatzpflichtig. Dies gilt nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nur dann nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Ob eine solche Exkulpation gelingt, ist je nach Einzelfall zu beurteilen und hängt vielfach von den konkreten vertraglichen Vereinbarungen ab.
Viele Vertragswerke enthalten mittlerweile sogenannte Force-Majeure-Klauseln, in denen die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien in Fällen höherer Gewalt explizit geregelt werden. Solche Klauseln befreien die Parteien häufig wechselseitig für die Dauer der höheren Gewalt von ihren vertraglichen Leistungspflichten sowie einer etwaigen Schadensersatzhaftung.
Es stellt sich somit die Frage, ob auch die vorliegende Corona-Pandemie als ein Fall höherer Gewalt angesehen werden kann. Dies richtet sich primär nach der konkreten Formulierung der Force-Majeure-Klausel. Sind darin ausdrücklich Epidemien, Pandemien, Krankheiten oder Quarantänemaßnahmen als Beispiele genannt, erleichtert dies eine entsprechende Zuordnung.
Findet dagegen lediglich der Begriff „höhere Gewalt“ Verwendung oder fehlt es an einer Aufzählung eindeutig einschlägiger Beispiele, bedarf es einer näheren Auslegung der Force-Majeure-Klausel.
Höhere Gewalt wird dabei zumeist definiert als ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis. Es spricht viel dafür, auch die Corona-Pandemie als ein solches Ereignis und damit als einen Fall höherer Gewalt anzusehen. In vergleichbaren Konstellationen (das AG Augsburg bezüglich der SARS-Virus-Epidemie im Jahr 2013 sowie das AG Homburg im Jahr 1992 zu einem Ausbruch von Cholera) wurde das Vorliegen von höherer Gewalt im Reiserecht bereits bejaht.
Enthält das Vertragswerk eine Force-Majeure-Klausel und nimmt man einen Fall von höherer Gewalt an, bedeutet dies jedoch nicht automatisch, dass die Vertragsparteien von sämtlichen Leistungspflichten befreit sind. Auch dies hängt vom jeweiligen Einzelfall und insbesondere von der konkreten Formulierung der Klausel ab. Denkbar ist beispielsweise, dass der Schuldner danach weiterhin verpflichtet ist, seine Leistungen in einem ihm zumutbaren Umfang zu erbringen sowie den Gläubiger über etwaige Unterbrechungen der Leistungserbringung und deren Dauer zu unterrichten.
Unmöglichkeit der Leistungserbringung
Aber auch ohne Force-Majeure-Klausel kann ein Ausschluss der Leistungspflichten gegeben sein. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist dies dann der Fall, soweit die Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
Im Rahmen von Vertragsbeziehungen dürfte die Leistungserbringung aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie zumeist jedoch lediglich erschwert und nicht per se unmöglich sein. Dies wird man wohl allenfalls im Falle von öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsverboten für gesamte Betriebe annehmen können. Bei Quarantänemaßnahmen für beispielsweise nur einen Teil der Belegschaft ist dagegen weiterhin von der grundsätzlichen Möglichkeit der Leistungserbringung auszugehen.
Die Leistungserbringung kann dann jedoch mit einem grob unverhältnismäßigen Aufwand verbunden oder dem Schuldner unzumutbar sein. Ist dies der Fall, steht dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Wann eine solche grobe Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit tatsächlich anzunehmen ist, richtet sich ebenfalls nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Der Schuldner hat aber zumindest alles ihm Mögliche zu unternehmen, um seine Leistungspflichten zu erfüllen. Es müssen dabei sämtliche Kapazitäten ausgeschöpft und alle denkbaren Alternativen der geschuldeten Leistungserbringung in Erwägung gezogen werden. Damit verbundene Unannehmlichkeiten in tatsächlicher wie finanzieller Hinsicht hat der Schuldner hinzunehmen.
Im Falle der Unmöglichkeit ist der Schuldner zwar von seiner Leistungspflicht befreit. Er bleibt dem Gläubiger jedoch grundsätzlich weiterhin zum Ersatz des damit verbundenen Schadens verpflichtet. Auch insoweit kommt es darauf an, ob der Schuldner sich exkulpieren kann. Dies wird jedenfalls bei einem öffentlich-rechtlich angeordneten Tätigkeitsverbot aufgrund der Corona-Pandemie in der Regel anzunehmen sein.
Störung der Geschäftsgrundlage
Kann man sich weder auf eine vertragliche Force-Majeur-Klausel noch auf einen Fall der Unmöglichkeit berufen, kommt unter Umständen noch eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 313 BGB in Betracht.
Dafür müssen sich zunächst Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, schwerwiegend geändert haben. Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertrag von den Parteien nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen worden wäre, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Schließlich muss einer Partei aufgrund der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sein.
Es müsste also zunächst der Umstand, dass die Erbringung der Leistungspflichten nicht durch eine Pandemie erheblich eingeschränkt wird, tatsächlich Grundlage des jeweiligen Vertrages geworden sein. Dies wird letztlich davon abhängen, um welche Art der Leistungsbeziehung es sich handelt und wie konkret diese von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen ist. Kommt es zu einem erheblichen Missverhältnis zwischen grundsätzlicher Risikoverteilung und den vertraglichen Leistungspflichten, wird man einen Anspruch auf Vertragsanpassung bejahen können. Lediglich wenn die Vertragsanpassung nicht möglich oder dem Schuldner unzumutbar ist, besteht subsidiär auch ein Anspruch auf Kündigung des Vertragsverhältnisses.
Handlungsempfehlung
Wenn ein Unternehmen unmittelbar von der Corona-Pandemie betroffen ist und nicht oder nicht mehr vollumfänglich seinen Liefer- und Leistungspflichten nachkommen kann, sollten die jeweiligen Vertragswerke zunächst auf etwaige Force-Majeure-Klauseln durchgesehen werden. In solchen Klauseln sind grundsätzlich vorrangig die bei Vorliegen von höherer Gewalt einschlägigen Rechte und Pflichten geregelt.
Im Falle der Leistungsverweigerung wegen grob unverhältnismäßigem Aufwandes oder Unzumutbarkeit ist stets zu berücksichtigen, dass dies eine Schadensersatzhaftung nach sich ziehen kann. Es sollten daher sämtliche Vorkehrungen getroffen werden, die erforderlich sind, um die eigenen Leistungspflichten auch trotz der erheblichen Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie weiterhin bestmöglich erfüllen zu können.