Corona: Auswirkungen des Corona-Virus auf Großveranstaltungen - Wer zahlt die „Miete“?

Kündigungsmöglichkeit bei Anmietung von Veranstaltungsräumlichkeiten wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage?

Die jüngste Empfehlung des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen in den kommenden Wochen und Monaten abzusagen, hat zahlreiche Auswirkungen.

Für den Fall, dass Veranstaltungen nicht stattfinden können, weil die zuständige Behörde die Durchführung der konkreten Veranstaltung auf der Grundlage eines Erlasses der jeweiligen Landesregierung untersagt hat, stellt sich u.a. auch die Frage, wer das Risiko der Anmietung von Veranstaltungsräumen trägt. Darf ein Veranstalter, welcher zur Durchführung der Veranstaltung Räume (schon vor Kenntnis der Empfehlung des Ministers Spahn) angemietet hat und welchem die Durchführung der Veranstaltung aufgrund behördlicher Verfügung untersagt worden ist, diese Räume nun außerordentlich kündigen oder das Mietverhältnis in sonstiger Weise beenden?

Vorrang der Prüfung der vertraglichen Regelungen

Die Prüfung der Beendigungsmöglichkeiten von Nutzungsverträgen/Mietverträgen, die konkret die Durchführung von Veranstaltungen zum Gegenstand haben, also für diesen Nutzungszweck abgeschlossen worden sind, richtet sich in erster Linie nach den Regelungen des Nutzungsvertrages, welche somit vorrangig zu prüfen sind.

Der nachfolgende Beitrag kann daher nur Vorschläge für mögliche Lösungsansätze geben, bei welchen sodann aber immer auch der konkrete Einzelfall zu betrachten ist.

Lösungsansätze bei Fehlen ausdrücklicher vertraglicher Regelungen

Die Frage der vorzeitigen Beendigungsmöglichkeit wird sich allein für den Mieter stellen, weil der Vermieter kein Interesse an einer Kündigung haben wird, denn er kann die Räume zur Nutzung zur Verfügung stellen. Raumbezogen besteht kein öffentlich-rechtliches Nutzungshindernis. Hier liegt der Fall nicht anders als bei anderen Vermietungen, bei welchen es allein Aufgabe des Vermieters ist, die Mietsache vertragsgemäß zur Verfügung zu stellen und der Mieter sodann das Verwendungsrisiko trägt. Die Nutzungsuntersagung knüpft hier gerade nicht an die Beschaffenheit der Räume an, sondern betroffen ist allein die Nutzungsmöglichkeit/ Verwendungsmöglichkeit durch den Mieter.

Für den Mieter ist eine Beendigungs- oder Anpassungsmöglichkeit von erheblicher Bedeutung, weil dieser ansonsten die Miete für einen bestimmten Nutzungszeitraum zahlen müsste, ohne die Räume für die Veranstaltung (für diesen Nutzungszeitraum) nutzen zu können.

Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 BGB

Ausgangspunkt der Betrachtung der Beendigungsmöglichkeiten durch den Mieter ist der mietrechtliche Grundsatz, dass der Mieter eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Absatz 1 BGB nur auf Umstände (wichtige Gründe) stützen kann, die in der Person oder in der Sphäre des Vermieters gesetzt werden. Dies ist hier nicht der Fall, denn den Grund für die Nichtdurchführung der Veranstaltung setzt nicht der Vermieter. Auch hier gilt, dass der Grund für die fehlende Nutzungsmöglichkeit eben nicht in der Beschaffenheit der Räume zu sehen ist. Grund hierfür ist vielmehr die behördliche Untersagungsverfügung. Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs.1 BGB liegen somit nicht vor.

Unmöglichkeit

Auch ein Fall der Unmöglichkeit, bei welcher ein Mietverhältnis sogar ohne Kündigung als beendet gilt, lässt sich nach Auffassung der Verfasserin nicht begründen, weil es dem Vermieter grundsätzlich möglich ist, Räume für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung zu stellen. Der vorliegende Fall ist also nicht etwa vergleichbar mit dem Untergang der Mietsache (z.B. aufgrund Zerstörung) oder mit einem Rechtsmangel (Hinderung des Mieters an der Nutzung aufgrund eines entgegenstehenden Rechts eines Dritten, z.B. bei Besitzrechten eines Dritten im Falle der Doppelvermietung). Bei behördlich angeordneten Absagen von Großveranstaltungen darf der Mieter die Veranstaltung in den Räumen, die grundsätzlich für den Mietzweck geeignet sind, lediglich nicht stattfinden lassen. Es handelt sich also um einen Fall, in welchem dem Mieter die Verwendung des Raumes für den vertraglich vorausgesetzten Mietzweck allein aufgrund öffentlich-rechtlicher Untersagung nicht möglich ist (ähnlich wie bei Nichterhalten einer betrieblich erforderlichen Konzession).

Anpassung/Kündigung wegen Wegfalls oder Veränderung der Geschäftsgrundlage

Damit stellt sich die Frage, ob eine Kündigung (bzw. als milderes Mittel eine Vertragsanpassung) wegen Wegfalls oder Veränderung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen könnte.

Nach § 313 Absatz 1 BGB kann jede Partei eine Anpassung des Vertrages verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Ist eine Anpassung nicht möglich, kommt auch eine Kündigung in Betracht. Die Geschäftsgrundlage wird aus den gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Parteien gebildet. Die Geschäftsgrundlage entfällt u.a. auch dann, wenn eine tatsächliche Entwicklung eintritt, die von beiden Parteien nicht vorhergesehen worden ist. Eine Anpassung/Kündigung scheidet allerdings dann aus, wenn die Kündigungsgründe zum Risikobereich des Kündigenden (Mieters) gehören, weil die vertragliche Risikoverteilung von einer geänderten Geschäftsgrundlage unberührt bleiben muss.

Auch wenn man zugrunde legt, dass der Mieter grundsätzlich das Risiko für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung der Mietsache zu tragen hat und an die Annahme einer Änderung der gesetzlichen Risikoverteilung strenge Anforderungen zu stellen sind, so wird man bei einem Erlass der Landesregierung, welche alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern betrifft und einer auf dieser Grundlage ergangenen behördlichen Nutzungsuntersagung mit guten Gründen die Auffassung vertreten können, dass ein Ausnahmefall einer nicht vorhersehbaren tatsächlichen Entwicklung vorliegt, für welche der Mieter das Verwendungsrisiko nicht zu tragen hat. Anders als beim allgemeinen unternehmerischen Risiko des Mieters (Umsatz- und Gewinnerwartungen, Krankheit in der Person des Mieters bzw. seiner Mitarbeiter, etc.) liegt hier ein Fall vor, der mit anerkannten Fallgruppen der Äquivalenzstörung durchaus vergleichbar ist (z.B. nicht vorhersehbare übermäßige Beschaffungsschwierigkeiten, schwerwiegende Störungen durch Maßnahmen staatlicher Wirtschaftslenkung), zumal es sich um Umstände handelt, die außerhalb jeglichen Einflussbereiches des Mieters liegen und die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland betreffen, also eine Ausnahmesituation völlig losgelöst von der Art der Veranstaltung und der Person des Mieters entstanden ist.

Dagegen spricht auch nicht, dass nach herrschender Auffassung kein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angenommen wird, wenn ein Mieter eines Hotelzimmers, das Zimmer wegen Ausfalls einer Veranstaltung nicht mehr benötigt, denn anders als bei der Anmietung von Veranstaltungsräumen für einen bestimmten Zweck wird der private Anlass der Hotelzimmeranmietung gerade nicht Vertragsgegenstand.

Der Fall ist auch nicht mit der Anmietung von Unterkünften für Asylbewerber und späterem Rückgang der Asylbewerberzahl vergleichbar, denn anders als bei der Unterbringung von Asylbewerbern, bei welcher das Risiko des Rückgangs der Bewerberzahl und damit das Verwendungsrisiko bei Anmietung schon erkennbar ist, liegt hier ein Fall einer für keine Seite vorhersehbaren Entwicklung vor (ähnlich wie bei höherer Gewalt, welche neben Krieg, Naturkatastrophen u.a. auch bei Epidemien bejaht wird).

Ergebnis: Eine Kündigung des Vertrages über die Anmietung von Veranstaltungsräumen nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist im Falle einer behördlichen Untersagungsverfügung denkbar, sofern im Einzelfall keine abweichenden vertraglichen Regelungen bestehen, die gegen die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sprechen. Eine Kündigung wird allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn keine Anpassung des Vertrages (z.B. Änderung des Nutzungszeitraumes) zumutbar ist. Das Ergebnis ist auch nicht unbillig, wenn man berücksichtigt, dass ein Vermieter ohnehin das Vermarktungsrisiko für seine Immobilie trägt und eine Anmietung für den konkreten Nutzungszeitraum hier entweder gar nicht oder nur unter der Bedingung der Einräumung von Rücktrittsrechten erfolgt wäre, wenn den Vertragsparteien zu diesem Zeitpunkt die Empfehlung des Bundesgesundheitsministers schon bekannt gewesen wäre.

Hinweis: Die obigen Lösungsansätze werden nur für den Fall aufgezeigt, dass die Durchführung der Veranstaltung aufgrund einer behördlichen Verfügung untersagt worden ist und umfasst nicht diejenigen Fälle, in welchen der Veranstalter freiwillig von der Durchführung Abstand nimmt.

Autorin

  • Mietrecht
  • Prozessführung und Schiedsverfahren
  • Immobilienrecht