Corona: Corona-Beschlüsse in der GmbH ohne Gesellschafterversammlung - Beschlussfassung in Zeiten der Pandemie

Durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 („COVMG“) wurden für die Aktiengesellschaft die Voraussetzungen für eine sog. „digitale Hauptversammlung“ geschaffen. Eine „digitale Gesellschafterversammlung“ gibt es demgegenüber für die GmbH durch das COVMG nicht. Wie sieht es also für Gesellschafterbeschlüsse bei der GmbH während der Pandemie aus?

Grundlagen der Beschlussfassung in der GmbH

Trifft der Gesellschaftsvertrag keine Regelung über die Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen, gilt gemäß § 45 Abs. 3 GmbHG die gesetzliche Regelung § 48 GmbHG. Gemäß § 48 Abs. 1 GmbHG werden Beschlüsse der Gesellschaft grundsätzlich in Versammlungen gefasst. Eine Beschlussfassung ohne Versammlung ist nur in engen Ausnahmefällen möglich. Das Gesetz sieht in § 48 Abs. 2 GmbHG hierfür zwei Varianten vor, nämlich wenn „sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären“. Die erste Variante setzt also voraus, dass alle Gesellschafter mit dem Beschlussinhalt einverstanden sind, d.h. in der Sache zustimmen, und dies in Textform erklärt haben. Es liegt dann eine einhellige Stimmabgabe für den Beschlussantrag vor. Nach der zweiten Variante ist eine Beschlussfassung ohne Gesellschafterversammlung zulässig, wenn sich sämtliche Gesellschafter mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklärt haben. Bei dieser zweiten Variante bedarf es einer Einstimmigkeit somit lediglich in Bezug auf den Abstimmungsmodus, nicht jedoch hinsichtlich der Sachentscheidung. Im Unterschied zur ersten Variante können in diesem Fall somit auch Stimmen gegen den Beschlussantrag abgegeben werden.

Was gilt während der Pandemie?

Art. 1 § 2 COVMG sieht eine temporäre Ausnahme von § 48 Abs. 2 GmbHG vor. Demnach können Beschlüsse der Gesellschafter abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden.

Die Ausnahmeregelung ist am 28.3.2020 in Kraft getreten und gilt gemäß § 7 Abs. 2 COVMG zunächst für alle Gesellschafterversammlungen, die im Jahr 2020 abgehalten werden. COVMG). Gemäß § 8 COVMG besteht die Möglichkeit, die Ausnahmeregelung bis längstens 31.12.2021 zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in der Bundesrepublik Deutschland geboten erscheint.

Was bedeutet das?

Dies bedeutet, dass der Initiator einer Beschlussfassung, regelmäßig die Geschäftsführung einer GmbH, jedenfalls im Jahr 2020 eine Beschlussfassung in Textform anordnen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob sämtliche Gesellschafter dieser Form der Abstimmung zustimmen, sich an ihr beteiligen oder in der Sache zustimmen. Einer entsprechenden Grundlage in der Satzung bedarf es nicht.

Andere Formen der Beschlussfassung ohne Präsenzveranstaltung, wie Telefon- oder Videokonferenzen, sieht das COVMG für die GmbHG demgegenüber nicht vor. Diese sind während der Pandemie auch nur dann zulässig, wenn dies ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.

Sinn und Zweck des Gesetzes

Nach der Begründung des Gesetzgebers (S. 5) ist Sinn und Zweck der Regelung, die betroffenen Unternehmen in die Lage zu versetzen, auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben.

Wie verhält sich § 2 COVMG zu Regelungen des Gesellschaftsvertrags?

Für Gesellschaften, die eine Regelung zur Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen im Gesellschaftsvertrag haben, d.h. § 48 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob auch in diesen Fällen die neue „Option“ des § 2 COVMG Anwendung findet. Dies betrifft beispielsweise Fälle, in denen der Gesellschaftsvertrag (i) den Wortlaut des § 48 Abs. 2 GmbHG wiederholt und damit zum Satzungsgegenstand macht oder (ii) nur eingeschränkt für bestimmte Beschlüsse eine Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen zulässt.

Nach dem Wortlaut von § 2 COVMG wird dadurch lediglich ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung des § 48 Abs. 2 GmbHG ermöglicht, d.h. die Regelung hat keinen unmittelbaren Einfluss auf gesellschaftsvertragliche Regelungen. Legt man allerdings den Gesetzeszweck (Gesetzesbegründung, S. 5) zugrunde, wonach die Handlungsfähigkeit der Gesellschaften durch Erleichterungen bei der Abhaltung von Gesellschafterversammlung auch während der Corona-Pandemie sichergestellt werden soll, spricht dies für eine weite Auslegung des § 2 COVMG mit der Folge, dass auch Gesellschaften mit vergleichbareren gesellschaftsvertraglichen Regelungen wie § 48 Abs. 2 GmbHG von der Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen gemäß § 2 COVMG Gebrauch machen könnten. Ob dies auch dann gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag für bestimmte Beschlussgegenstände einen Präsenzbeschluss ausdrücklich anordnet, erscheint hingegen zweifelhaft. Da insoweit noch keine Praxis und erstrecht keine Rechtsprechung zu dieser Frage existiert, besteht derzeit eine Rechtsunsicherheit. Im Zweifelsfall ist daher in diesen Fällen zu empfehlen, auch weiterhin die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter einzuholen.

Wann gilt die Regelung nicht?

Die Ausnahmeregelung § 2 COVMG dürfte allerdings dann nicht gelten, soweit sich eine Präsenzpflicht aus dem Gesetz ergibt, da weder der Wortlaut des § 2 COVMG, noch die Gesetzesbegründung die Durchbrechung dieser gesetzlichen Regelungen erlauben. Ausdrückliche gesetzliche Ausnahmen bestehen bei der Beschlussfassung über die Verschmelzung (§ 13 Abs. 1 S. 2 UmwG), die Spaltung (§ 125 i.V.m. § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG) und den Formwechsel (193 Abs. 1 S. 2 UmwG).

Bei Satzungsänderungen ist eine Abstimmung gemäß § 2 COVMG möglich, wenn man von der grundsätzlichen Zulässigkeit schriftlicher Beschlussfassungen in Kombination mit einer Beurkundung dieser Erklärungen ausgeht. Insoweit ist bereits zur gesetzlichen Regelung des § 48 Abs. 2 GmbHG umstritten, ob diese Ausnahmemöglichkeiten auch für Satzungsänderungen gelten, da diese nach § 53 GmbHG zwingend der notariellen Beurkundung bedürfen. Nach der älteren, bislang aber wohl weiterhin geltenden Rechtsprechung und einiger Stimmen in der Literatur kann die Stimmabgabe bei Beurkundungspflicht nur in einer Versammlung erfolgen. Die heute ganz überwiegende Meinung im Schrifttum will demgegenüber auch bei Satzungsänderungen die Möglichkeit der Willensbildung durch die Anwendung des § 48 Abs. 2 GmbHG erleichtern, was durch die sukzessive Abgabe der Zustimmungserklärungen durch die Gesellschafter beim Notar erfolgen können soll. In diesem Fall muss gegenüber dem Notar der Nachweis geführt werden, dass alle Gesellschafter zur Stimmabgabe aufgefordert wurden und die qualifizierte Mehrheit der Gesellschafter für die Satzungsänderung gestimmt hat, was nach der in der Literatur vertretenen Auffassung durch notariell beglaubigte Abstimmungserklärungen der Gesellschafter erfolgen kann. Mangels einschlägiger Rechtsprechung besteht bislang aber eine erhebliche Rechtsunsicherheit, ob diese Form der Beurkundung auch von den Registergerichten anerkannt wird.

Durchführung der Abstimmung gemäß § 2 COVMG

Für die Durchführung der Abstimmung, insbesondere die Einleitung der Abstimmung, die Fristsetzung sowie die Formulierung des Beschlussgegenstandes, gelten grundsätzlich die allgemeinen Voraussetzungen.

Im Hinblick auf die durch § 2 COVMG neu eingeführte „Option“ (es besteht kein Muss, davon Gebrauch zu machen), mit der von dem Grundsatz des Einverständnisses aller Gesellschafter abgewichen wird, ist der Geschäftsführung bzw. dem Initiator der Beschlussfassung zu empfehlen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Beschluss auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter wirksam gefasst werden kann. Da § 2 COVMG nach seinem Wortlaut für beide Varianten des § 48 Abs. 2 GmbHG gilt, sollte zudem bei der Einleitung der Beschlussfassung klargestellt werden, ob sich die Abweichung von dem Einstimmigkeitserfordernis nur auf die Form der Abstimmung oder auch auf den Beschlussgegenstand selbst bezieht.

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