Corona: Entschädigung bei Betriebsschließungen – Handlungsbedarf für Unternehmen

Nachdem seit Mitte März durch die entsprechenden Verordnungen und Allgemeinverfügungen eine Vielzahl von Unternehmen zu Schließungen und Einstellungen ihrer Geschäftsbetriebe gezwungen worden sind, standen zunächst staatliche Stützungsmaßnahmen durch Soforthilfen und Kredite im Vordergrund der Überlegungen der Unternehmen und auch der medialen Berichterstattung. Zwischenzeitlich nimmt aber auch die Diskussion um Entschädigungs- oder Erstattungsansprüche an Fahrt auf. Neben etwaigen Ansprüchen gegen Versicherungen, insbesondere aus Betriebsschließungspolicen, spielen hier auch Ansprüche gegen den Staat eine Rolle.

In vorhergehenden Blogbeiträgen haben wir bereits auf Entschädigungsansprüche bei Berufsausübungsverboten und auf Entschädigungsansprüche bei einem Ausfall der Kinderbetreuung hingewiesen.

Doch auch für Gastronomen und Messeveranstalter sowie andere Unternehmer, die wegen der derzeitigen Maßnahmen ihre Geschäfte schließen mussten, können im Einzelfall staatliche Entschädigungsansprüche wegen der Betriebsschließung in Betracht kommen.

Überblick zu Entschädigungsansprüchen bei Berufsausübungsverboten

Wie wir dargestellt haben, können Unternehmer staatliche Entschädigungsansprüche geltend machen, wenn ihnen die Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit untersagt wird. Dieser Entschädigungsanspruch besteht jedoch nur bei der Gefahr, dass sich ein Unternehmer infiziert haben könnte, beispielsweise, weil er unmittelbaren Kontakt zu einem Infizierten hatte, aber selbst keine Symptome zeigt. Eine solche Entschädigung kann also nur verlangen, wer nicht selbst am Corona-Virus erkrankt ist.

Erweiterung auf faktische Berufsausübungsverbote erforderlich

Diese Entschädigungsregelung für Berufsausübungsverbote in § 56 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erfasst unmittelbar jedoch nur die Fälle, in denen gegen den Unternehmer oder einzelne Arbeitnehmer (d.h. gegen konkret ansteckungsverdächtige Personen) Berufsausübungsverbote nach § 31 IfSG erlassen werden. Die derzeitigen bundes- und landesrechtlichen Ministerialerlasse sowie die kommunalen Allgemeinverfügungen zur Eindämmung des Corona-Virus werden jedoch auf § 28 IfSG gestützt. Von diesen Maßnahmen sind dabei eine Vielzahl von Unternehmen betroffen, bei denen kein Ansteckungsverdacht besteht.

Für den Unternehmer macht es dabei keinen Unterschied, ob die Berufsausübung wegen eines möglichen Verdachts untersagt wird oder ob die Berufsausübung eine Unterbrechung der Infektionskette beabsichtigt. In beiden Fällen ist der Unternehmer nicht infiziert, darf seinen Beruf aber nicht ausüben.

(Analoge) Anwendung der Entschädigungsansprüche

Dieses ungleiche Ergebnis kann nicht das letzte Wort sein. Das Infektionsschutzgesetz lässt hier jedoch weitere Möglichkeiten:

So sieht § 65 Abs. 1 S. 1 IfSG eine Entschädigung vor, wenn „ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird“. Hiernach besteht somit eine allgemeine Entschädigungsmöglichkeit, die als Auffangtatbestand fungiert. Die Gesetzesbegründung sagt dazu, dass von dieser Regelung „alle in der Praxis vorkommenden Entschädigungsfälle erfasst sein“ dürften (Begründung des Gesetzesentwurfs der Vorgängerregelung im Bundesseuchengesetz 1971, BT-Drs. VI/1568, S. 10).

Der Gesetzgeber wollte also mit dieser Regelung einen Auffangtatbestand schaffen, der systematische Ungerechtigkeiten erfasst und besonders schwere Auswirkungen auf bestimmte Geschäftszweige ausgleicht. Dies muss (um dem Charakter eines Auffangtatbestands gerecht zu werden) sowohl für präventive Maßnahmen als auch für Maßnahmen der Gefahrenabwehr gelten.

Wenn ein einzelner Betroffener trotzdem nicht unter diese Regelung fallen sollte, kommt zudem auch eine analoge Anwendung der Entschädigungsansprüche in Betracht (sowohl eine Analogie zu § 65 Abs. 1 S. 1 IfSG als auch eine Gesamtanalogie zu den Entschädigungsansprüchen der §§ 56 ff. IfSG), da die Interessenlagen nicht nur vergleichbar sind, sondern bei wirtschaftlicher, politischer und sozialer Betrachtung übereinstimmen.

Beispielhaft sei hierbei ein Frisör genannt, für den es keinen Unterschied macht, ob ihm die Berufsausübung untersagt wird, weil er Kontakt zu einem Infizierten hatte, aber selbst keine Symptome zeigt (er also gesund ist, denn als Kranker hätte er keinen Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG) oder ob die Berufsausübung untersagt wird, weil die Berufsausübung selbst die Möglichkeit einer Infektion erhöhen könnte.

In beiden Fällen bleibt es dabei: Der Frisör ist gesund, er darf seinen Beruf aber nicht ausüben. Ob ihm ein Entschädigungsanspruch zusteht, kann nicht davon abhängen, in welcher Form die Berufsausübung untersagt wird, da sich der Staat ansonsten durch die formale Gestaltung dem gesetzlich vorgesehenen Entschädigungsanspruch entziehen könnte. Somit müssen die Entschädigungsansprüche auch auf die derzeitigen Fälle des faktischen Berufsausübungsverbotes (zumindest entsprechend) angewendet werden.

Entschädigung nach den allgemeinen Entschädigungsregelungen des Polizei- und Ordnungsrechts

Da die Entschädigungsregelungen des Infektionsschutzgesetzes außerdem nicht abschließend sind (Begründung der weitestgehend gleichen Regelungen der §§ 48 ff. im früheren Bundesseuchengesetz, BT-Drs. 3/1888, S. 27), kommen zudem bei rechtmäßigen und rechtswidrigen Maßnahmen die allgemeinen Entschädigungsregelungen des Polizei- und Ordnungsrechts in Betracht, insbesondere § 39 Abs. 1 lit. a) und b) OBG NRW. Während die bisher im Rahmen der Corona-Pandemie angefochtenen Maßnahmen einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten haben, müssen die Maßnahmen zur Aufhebung der Beschränkungen detailliert geprüft werden. Rechtswidrige Verfügungen drohen hierbei insbesondere bei ungleichen bzw. teilweisen Lockerungen der geltenden Einschränkungen. Solche Ungleichheiten und möglichen Nachteile für manche (dadurch benachteiligte) Geschäftszweige sollten die betroffenen Unternehmen nicht hinnehmen.

Enteignender Eingriff

Neben diesen spezialgesetzlichen Ansprüchen kommen zudem auch staatshaftungsrechtliche Ansprüche in Betracht. Auch wenn die behördlichen Maßnahmen dabei rechtmäßig sind, kann der Adressat einer Maßnahme eine Entschädigung für einen enteignenden Eingriff verlangen. Hierfür muss keine Enteignung im technischen Sinne vorliegen. Es reicht aus, dass der Unternehmer zum Schutze des Gemeinwohls dazu gezwungen wird, ein Sonderopfer einzugehen.

Nach der Rechtsprechung liegt ein solches Sonderopfer vor, wenn der Unternehmer von der Maßnahme besonders schwer getroffen wird oder wenn die Maßnahme einen Gleichheitsverstoß darstellt, also manche Gruppen besonders schwer trifft.

Auch dies passt in beiderlei Hinsicht zu den derzeitigen Auswirkungen der Maßnahmen: Zum einen sind manche Unternehmen (beispielsweise Gastronomen, Künstler oder Messe-Veranstalter) besonders schwer von den behördlichen Maßnahmen betroffen. Zum anderen treffen die Maßnahmen nur manche Wirtschaftszweige spürbar (wie die vorstehend genannten),während andere Wirtschaftszweige (beispielsweise Online-Dienste-Anbieter, Cloud- und Streaming-Anbieter sowie weite Teile des Online-Handels, aber auch der Lebensmitteleinzelhandel) wenige bis keine wirtschaftlichen Nachteile durch die Maßnahmen erleiden. Diese Wirtschaftszweige, die besonders schwer getroffen werden, sind daher zum Schutze des Gemeinwohls gezwungen, das mit der Betriebsschließung einhergehende Sonderopfer einzugehen.

Ergebnis: Es besteht Handlungsbedarf

Insgesamt zeigt sich: Unternehmen sollten die Maßnahmen und den weiteren (wirtschaftlichen) Verlauf der Corona-Krise nicht als unausweichliches Schicksal hinnehmen. Die Unternehmen und ihre Geschäftsleitung müssen gerade durch die anstehenden finanziellen Herausforderungen stets ein wachsames Auge für die geltenden Maßnahmen haben, damit mögliche Entschädigungsansprüche mit Erfolg geltend gemacht werden können.

Mit einer konkreten Prüfung von Ansprüchen sollte nicht lange gewartet werden. § 56 Abs. 11 IfSG sah bislang vor, dass Anträge auf Entschädigung innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit zu stellen sind. Mit dem "Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" wurde diese Frist auf zwölf Monate verlängert.

Wenn Sie Fragen zu möglichen Ansprüchen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung der Entschädigungsansprüche haben, stehen wir Ihnen gern beratend zur Seite.