Corona: Entschädigung für umsonst bereitgehaltene Produktionsmittel?

Trotz der seit dieser Woche geltenden Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen (zum Beispiel durch die Corona-Schutz Verordnung des Landes NRW) befindet sich das Wirtschaftsleben in vielen Bereichen nach wie vor in Schockstarre. Weil finanzielle Mittel fehlen, Lieferanten ausfallen oder ganze Betriebe unter Quarantäne stehen, liegen viele Großprojekte auf Eis.

Gerade Werkunternehmer trifft dies schwer. Obwohl sie leistungswillig und leistungsfähig sind, können sie ihre Arbeiten oft nicht fortsetzen. Sie sind auf die Projektorganisation und Mitwirkung des Bestellers angewiesen, der etwa dafür verantwortlich ist, notwendige Vorarbeiten zu leisten. Im Zusammenhang mit Bauprojekten müssen Besteller etwa dafür sorgen, dass Pläne erstellt werden, Genehmigungen vorliegen und ein baureifes Grundstück zur Verfügung steht.

Was aber, wenn der Besteller seinen Mitwirkungsplichten nicht nachkommt und der Unternehmer vergeblich Personal und andere Produktionsmittel bereithält? Wer muss für diese Kosten aufkommen? Eine bislang kaum beachtete Vorschrift aus dem Werkvertragsrecht könnte bei Auftragnehmern für Entlastung sorgen.

Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB

Gemäß § 642 BGB steht dem Unternehmer ein Entschädigungsanspruch zu, wenn für die Herstellung eines Werkes die Mitwirkung des Bestellers erforderlich ist und sich der Besteller mit der Vornahme der Mitwirkungshandlung in Verzug befindet. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Risiken eines Projektstillstands nicht allein auf den Unternehmer zu verlagern.

Wie sich der Entschädigungsanspruch berechnet war lange Zeit höchst umstritten. Erst kurz vor dem Siedepunkt der Coronakrise wurde diese Frage vom BGH mit Urteil vom 30.01.2020 (Az. VII ZR 33/19) beantwortet.

Enge Grenzen des Entschädigungsanspruchs außerhalb von Krisenzeiten

Nach der Grundsatzentscheidung des BGH steht dem Unternehmer eine verschuldensunabhängige Entschädigung für die von ihm während des Annahmeverzugs unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel zu. Der Anspruch ist daran zu orientieren, welche Anteile der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich Wagnis, Gewinn und allgemeinen Geschäftskosten auf die vom Unternehmer während des Annahmeverzugs unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallen. Nicht zu berücksichtigen ist, was er infolge des Annahmeverzugs an Aufwendungen erspart hat oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.

§ 642 BGB enthält dabei keine konkrete Berechnungsmethode für den Entschädigungsanspruch. Anders als in Fällen der Kündigung durch den Besteller kann der Unternehmer nicht einfach seine allgemeinen Geschäftskosten abzüglich der ersparten Aufwendungen in Ansatz bringen.

Er muss konkret darlegen, welche Produktionsmittel er während des Annahmeverzugs für das Projekt bereitgehaltenen hat und welche Vergütung er mit diesen Mitteln während des Annahmeverzugs erwirtschaftet hätte. Auch ist es an ihm, nachzuweisen, dass die vorgehaltenen Mittel tatsächlich nicht anderweitig eingesetzt wurden bzw. eingesetzt werden konnten. Dies fällt in der Regel schwer und ist der Grund dafür, warum § 642 BGB außerhalb von Krisenzeiten einen praktisch sehr eingeschränkten Anwendungsbereich hat (bzw. zukünftig haben wird).

Entschädigungsanspruch in Zeiten von Corona

Während die Auffassung des BGH zwar grundsätzlich eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 642 BGB zu Lasten des Unternehmers zur Folge hat, dürfte sie ihm im Rahmen der Coronakrise gewisse Spielräume eröffnen. Schließlich hat der Unternehmer aktuell kaum Möglichkeiten, sein Personal und seine sonstigen Produktionsmittel anderweitig einzusetzen.

Zwar wird zum Teil vertreten, dass eine Entschädigung nach § 642 BGB nur dann greift, wenn der Besteller den Ausfall seiner Mitwirkung in zumutbarer Weise beeinflussen kann. Eine solche Auslegung widerspricht aber der noch einmal vom BGH betonten Verschuldensunabhängigkeit des Entschädigungsanspruchs.

Ausblick

Es ist zu erwarten, dass sich Besteller in naher Zukunft Regressforderungen ihrer Unternehmer ausgesetzt sehen. Ob die Forderungen durchschlagen, kann vor dem Hintergrund der aktuellen Ausnahmesituation nicht eindeutig bewertet werden. Weil der BGH das in diesem Beitrag zitierte Urteil kurz vor der Coronakrise gesprochen hat, besteht die Möglichkeit, dass er seine Einschätzung mit Blick auf Fälle höherer Gewalt noch einmal überdenkt. Jedenfalls aber sind Besteller gut beraten, mit ihren Geschäftspartnern schnellstmöglich in Verhandlungen über interessengerechte Lösungen zu treten.