Die Atemwegserkrankung COVID-19 („Corona virus disease 2019“, nachfolgend Corona genannt) breitet sich seit Ende letzten Jahres unaufhaltsam in der Welt aus. Die Anzahl bestätigter Fälle ist allein in Deutschland mittlerweile auf 2.369 (Stand 12.03.2020, 19.30 Uhr) gestiegen. Neben der Omnipräsenz in den Medien ist Corona längst auch in der Arbeitswelt allgegenwärtig. Nachstehend fassen wir die wichtigsten Fragen zusammen, die sich Arbeitgebern im Zusammenhang mit Corona stellen.
Schutzmaßnahmen zugunsten der Mitarbeiter
Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter zu treffen. Diese Pflicht umfasst grundsätzlich auch, die Mitarbeiter vor Infektionskrankheiten zu schützen. Der Arbeitgeber muss allerdings nur vor Gefahren schützen, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen, sich mit einer Krankheit zu infizieren. Entsprechende Schutzmaßnahmen können beispielsweise sein:
- Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung
- Information der Mitarbeiter über bestehende Infektionsrisiken
- Aufklärung über Hygienestandards (Husten-Etikette, Händewäschen etc.)
- Bereitstellung einer ausreichenden Hygieneinfrastruktur (Desinfektionsmittel, erhöhte Reinigungsmaßnahmen etc.)
In Einzelfällen u.U. auch:
- Verringerung der Infektionsgefahr durch Reorganisation der Arbeitsplätze und -abläufe
- In Einzelfällen ggf. auch Gesundheitskontrollen (Temperaturscanner etc.)
Kann der Mitarbeiter aus Angst vor Ansteckung die Arbeit verweigern?
Mitarbeiter haben nur dann ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Ausübung ihrer Tätigkeit mit einer objektiv erheblichen persönlichen Gefahr für ihre Gesundheit verbunden ist. Ein generell bestehendes Infektionsrisiko ist insofern nicht ausreichend. Soweit ein Mitarbeiter also prophylaktisch eigenmächtig von der Arbeit fernbleibt, wäre dies grundsätzlich als (unzulässige) Arbeitsverweigerung zu qualifizieren und könnte vom Arbeitgeber entsprechend sanktioniert werden.
Denkbar ist ein Leistungsverweigerungsrecht nur dann, wenn ein erhöhtes Risiko der Ansteckung besteht, beispielsweise, weil ein anderer „erkrankter“ Mitarbeiter im direkten Umfeld tätig wird.
Können weiterhin Dienstreisen angeordnet werden?
Wenn ein Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrags zur Erbringung von Dienstreisen verpflichtet ist, darf der Arbeitgeber auch im Falle einer möglichen Corona-Pandemie grundsätzlich weiterhin Dienstreisen anordnen. Eine solche Weisung des Arbeitgebers muss jedoch „billigem Ermessen“ i.S.v. § 106 GewO entsprechen. Insofern muss der Arbeitgeber auch den Gesundheitsschutz seiner Arbeitnehmer berücksichtigen. Liegt eine erhebliche Gefährdung des Arbeitnehmers vor, so entspricht eine Dienstreise nicht mehr billigem Ermessen und kann nicht einseitig angeordnet werden. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn für die Region eine offizielle Reisewarnung ausgegeben wurde oder der Arbeitnehmer Vorerkrankungen aufweist.
Haben Arbeitnehmer ein Recht auf Home-Office?
Ohne eine entsprechende vertragliche oder kollektivrechtliche Regelung kann grundsätzlich weder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig ins Home-Office versetzen, noch hat der Arbeitnehmer ein Recht auf Arbeit im Home-Office.
Eine Ausnahme besteht lediglich für Fälle, in denen der Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht gehalten wäre, seine Tätigkeit (soweit möglich) im Home-Office auszuüben. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Arbeitnehmer ein mögliches Infektionsrisiko für die anderen Mitarbeiter darstellt. Darüber hinaus können Arbeitgeber und Arbeitnehmer abweichende Vereinbarungen über eine vorübergehende Tätigkeit im Home-Office jederzeit einvernehmlich treffen.
Wie geht man mit konkreten Verdachtsfällen um?
Im Falle einer auftretenden Pandemie hat der Arbeitgeber das Recht, einen kranken Arbeitnehmer mit einschlägigen Krankheitssymptomen zu fragen, ob er sich – etwa während seines Urlaubs – in einem Risikogebiet aufgehalten oder Kontakt zu bestätigten Corona-Patienten bestanden hat.
Um ein Infektionsrisiko durch möglicherweise erkrankte Mitarbeiter im Unternehmen auszuschließen, kann der Arbeitgeber die betroffenen Personen jedoch vorsorglich für den Zeitraum der maximalen Inkubationszeit – im Fall von Corona 14 Tage – (bezahlt) von der Arbeit freistellen. Alternativ können Mitarbeiter vorsorglich übergangsweise von den anderen Kollegen räumlich separiert oder (soweit möglich) ins Home-Office versetzt werden.
Im Falle einer behördlich angeordneten Quarantäne hat der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer Verdienstausfall für die Dauer von maximal sechs Wochen nach § 56 Infektionsschutzgesetz zu zahlen. Arbeitgeber sollten sich jedoch in jedem Fall die entsprechende behördliche Anordnung vorlegen lassen. Die ausgezahlten Beträge kann sich der Arbeitgeber nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen innerhalb von drei Monaten von der zuständigen Behörde erstatten lassen.
Was passiert, wenn Mitarbeiter an Corona erkranken?
Mitarbeiter, die aufgrund einer Corona-Erkrankung arbeitsunfähig sind, haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Bestimmungen.
Darüber hinaus treffen den Arbeitgeber erhöhte Schutzpflichten gegenüber den anderen Mitarbeitern, wenn ein Mitarbeiter im Unternehmen erkrankt ist. Es muss sichergestellt werden, dass für die anderen Mitarbeiter kein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht. Insbesondere sollte der Erkrankte – auch im Falle seiner Arbeitswilligkeit – von der Arbeit freigestellt bzw. auf die Tätigkeit im Home-Office verwiesen werden.
Zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung der Erkrankung kann auch den gesunden Mitarbeitern – einvernehmlich – eine zeitweise Tätigkeit im Home-Office angeboten werden. Die Schließung des gesamten Betriebs ist hingegen nur im Ausnahmefall oder aufgrund behördlicher Anordnung angezeigt.
Wenn ein Großteil der Arbeitnehmer erkrankt ist und ggf. eine Betriebsunterbrechung droht, handelt es sich regelmäßig um einen „außergewöhnlichen Fall“ im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, sodass Überstunden im gesetzlich zulässigen Umfang gegenüber den gesunden Mitarbeitern angeordnet werden können.
Wie ist die Rechtslage, wenn Kindergärten und Schulen schließen?
Die Mitarbeiter sind grundsätzlich selbst für die Organisation der Betreuung ihrer Kinder verantwortlich. Dementsprechend müssen die Mitarbeiter im Falle einer Schließung der Kindergärten und Schulen zunächst für eine alternative Betreuung Sorge tragen.
Kann eine alternative Betreuung der Kinder nicht gewährleistet werden, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf (unbezahlte) Freistellung von der Arbeitsleistung nach § 275 Abs. 3 BGB, weil ihm die Leistungserbringung mangels Beaufsichtigung der Kinder nicht zugemutet werden kann.
Soweit die Verhinderung der Erbringung der Arbeitsleistung nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ (üblicherweise nicht länger als 5 Tage) besteht und auch eine Tätigkeit im Home-Office oder der Abbau von Überstunden nicht möglich sind, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB, wenn dessen Anwendbarkeit nicht ausgeschlossen wurde. Im Streitfall trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen anderweitiger Betreuungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer.
Für weitere Fragen stehen Ihnen alle Kolleginnen und Kollegen unserer arbeitsrechtlichen Abteilung jederzeit gern persönlich zur Verfügung.