Das Europäische Nachlasszeugnis – Die Lösung für den internationalen Erbfall?

Für Erbfälle ab dem 17.08.2015 regelt die EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) für die Mehrzahl der EU-Staaten einheitlich, dass sich das auf den Erbfall anwendbare Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers richtet, soweit dieser nicht unter den Voraussetzungen des Art. 22 EuErbVO eine Rechtswahl getroffen hat.

Der in der Vergangenheit häufig schwierige und komplexe Nachweis der Stellung als Erbe wurde durch Schaffung eines einheitlichen Europäischen Nachlasszeugnisses (kurz „ENZ“) deutlich vereinfacht. Verteilte sich das Nachlassvermögen auf mehrere EU-Staaten, waren die Erben in der Vergangenheit bislang verpflichtet, in jedem Staat, in dem Nachlassvermögen belegen war, einen eigenen nationalen Erbnachweis zu beantragen, sofern ein ausländischer Erbnachweise zur Registerumschreibung (z.B. des Grundbuchs) nicht anerkannt wurde. Ein solches Vorgehen war nicht nur zeitaufwendig, sondern vor allen Dingen mit erheblichen Kosten verbunden.

Im Rahmen der EuErbVO wurde nunmehr ein einheitlicher Erbnachweise geschaffen, der in jedem EU Staat, in dem die Verordnung Anwendung findet, als ausreichender Nachweis des Erbrechts akzeptiert wird. Damit – so hoffte man – sei die Ausstellung weiterer nationaler Dokumente nicht mehr notwendig. Im Laufe der vergangenen Jahre hat die Praxis jedoch gezeigt, dass dieses Ziel bislang nicht erreicht werden konnte. Schwierigkeiten ergeben sich bis heute aus dem von Staat zu Staat divergierenden nationalen Registerrecht, welches von der EuErbVO unberührt blieb. So fordern einige Staaten zur Korrektur des eigenen Grundbuchs/Registers neben dem ENZ weiterhin die Vorlage zusätzlicher nationaler Dokumente.

Will beispielsweise ein in Deutschland ansässiger Erbe unter Geltung deutschen Erbrechts eine Registrierung im französischen Grundstücksregister erwirken, verlangen die französischen Behörden weiterhin die Vorlage eines „attestation immobilière“/„attestation notariée“, welches nur von französischen Notaren ausgestellt werden kann. Aus französischer Sicht ist das ENZ für den französischen Grundbuchverkehr nicht tauglich, da es nicht die gleichen 

Informationen enthalte wie die französische Bescheinigung. Das ENZ stelle lediglich einen Nachweis für die Stellung als Erben dar, entfalte darüber hinaus aber keine Wirkung im französischen Grundbuchrecht.

Ob diese Haltung der französischen Behörden vor dem Hintergrund des Art. 69 Abs. 5 EuErbVO, der ausdrücklich anordnet, dass das ENZ ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats darstellt, mit der EU- Erbrechtsverordnung vereinbar ist, ist bislang hoch umstritten und höchstrichterlich noch ungeklärt. Jeder Erbe sollte sich im internationalen Erbfall – trotz des Vorliegens eines ENZ – über die Gepflogenheiten im jeweiligen Staat der Belegenheit von Nachlassvermögen und über das jeweilige Registerrecht vor Ort informieren, um sicherzustellen, dass das eigene Erbrecht auch im Ausland wirksam durchgesetzt werden kann.

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