Das Metro-Urteil des BGH – eine Fundgrube des Gesellschaftsrechts Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.02.2021 – II ZR 65/19

Es gibt nicht viele Urteile des Bundesgerichtshofs im Kapitalgesellschaftsrecht, die eine Fülle rechtlicher Fragen mit hoher Praxisrelevanz beleuchten. Die Entscheidung vom 23. Februar 2021 ist eine solche. Eine Rezension oder auch nur eine Zusammenfassung der Urteilsgründe würde den Rahmen dieses Beitrags bei weitem sprengen. Es wird sicher bald eine Reihe von Rezensionen geben, die das Urteil im ganzen oder einzelne Aspekt eingehend analysieren werden. An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass man die Entscheidung als Pflichtlektüre für jeden am Gesellschafts- und Umwandlungsrecht Interessierten bezeichnen darf. Es lohnt sich aber schon jetzt ein Blick auf die wesentlichen Themen der Entscheidung und ihre Kernaussagen.

Sachverhalt:

Ohne die Phantasie zu sehr zu strapazieren wird man die Beklagte, im Urteil als börsennotierte M. Group bezeichnet, schnell als damalige METRO AG identifizieren. Sie übertrug Ende 2016 nach Maßgabe des Umwandlungsgesetzes ihren Geschäftsbereich Groß- und Lebensmitteleinzelhandel auf eine Tochter-AG, und zwar zum Teil im Wege der Ausgliederung und zum Teil im Wege der Abspaltung. Soweit das Vermögen ausgegliedert wurde, erhielt die METRO AG im Wege der Kapitalerhöhung geschaffene neue Aktien am übernehmenden Rechtsträger. Als Gegenleistung für die Abspaltung erhielten die Aktionäre der METRO AG im Verhältnis 1 : 1 neue Aktien der übernehmenden Aktiengesellschaft. Dabei wurden im selben Verhältnis wie bei der METRO AG Stamm- und Vorzugsaktien gewährt. Sonderbeschlüsse wurden nicht gefasst. Der Ausgliederungs- und Abspaltungsvertrag war vor der Hauptversammlung ohne notarielle Mantelurkunde und ohne Vollmachten ausgelegt worden. Ein zuvor abgeschlossener Vertrag über die Einräumung einer Option zum Erwerb von Geschäftsanteilen an der Immobilien-GmbH war nicht zusammen mit dem Spaltungsvertrag beurkundet worden.

Inhalte der Entscheidung:

Der BGH urteilt über eine Reihe von Fragen und stellt bei dieser Gelegenheit auch noch einmal für die Praxis der Hauptversammlung und des Umwandlungsrechts wichtige Punkte klar. Die Kernsätze sollen hier als „Appetithappen“ für die spätere gründliche Auswertung des Urteils thesenartig zusammengefasst werden.

  1. Ein Sonderbeschluss der Stammaktionäre nach § 65 Abs. 2 Satz 2 UmwG ist nicht erforderlich, wenn es neben den stimmberechtigten Stammaktien als weitere Aktiengattung nur stimmrechtslose Vorzugsaktien gibt.
  2. Ungeachtet der Vorschriften des Umwandlungsgesetzes kann bei Verschmelzungen und Spaltungen ein Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre nach § 141 Abs. 1 AktG erforderlich sein. § 65 Abs. 2 UmwG ist insofern keine abschließende Sonderregelung.
  3. § 141 Abs. 1 AktG schützt die Vorzugsaktionäre nur gegen unmittelbare Beeinträchtigungen. Unmittelbare Beeinträchtigungen sind nachteilige Veränderungen der rechtlichen Ausgestaltung des Vorzugs, nicht aber Maßnahmen, die den Vorzug nur wirtschaftlich negativ beeinflussen.
  4. Notariell zu beurkunden sind mit einem Spaltungsvertrag sämtliche Abreden, die nach dem Willen der Beteiligten mit diesem ein einheitliches Ganzes bilden, also mit ihm stehen und fallen sollen. Ein nur wirtschaftlicher Bezug zwischen mehreren Verträgen begründet einen solche wechselseitige Abhängigkeit nicht.
  5. Für die Auslegungspflicht des § 63 UmwG genügt es nicht, wenn nur der Spaltungsvertrag zugänglich gemacht wird. Die notarielle Mantelurkunde und Vollmachten müssen ebenfalls ausgelegt werden. Eine Anfechtung des Spaltungsbeschlusses wegen einer Auslegung nur des Spaltungsvertrages scheitert regelmäßig nach § 243 Abs.  4 Satz 1 AktG an der fehlenden Wesentlichkeit des Verstoßes.
  6. Die Nichtbeantwortung von Fragen löst keine Verletzung des Auskunftsrechts gemäß § 131 AktG aus, wenn sie bei einem Spaltungsvorgang auf das Wertverhältnis zwischen alten und neu gewährten Aktien abzielen. Denn gemäß § 125 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 und § 15 Abs. 1 UmwG ist eine Anfechtung des Spaltungsbeschlusses wegen des Umtauschverhältnisses oder des Wertes der neuen Anteile als Gegenleistung zugunsten des Spruchverfahrens ausgeschlossen.
  7. Für § 128 UmwG kommt es nur auf die rechnerische Quote an den als Gegenleistung für die Spaltung gewährten Anteilen am übernehmenden Rechtsträger an. Ist diese identisch mit der quotalen Beteiligung am übertragenden Rechtsträger, müssen den Zustimmungsbeschluss nicht alle Aktionäre/Gesellschafter fassen.

Die stark komprimierte Darstellung zeigt das breite Spektrum der behandelten Rechtsfragen. Es ist deshalb nicht schwer zu prognostizieren, dass das „METRO-Urteil“ schon bald zu den viel zitierten und gelesenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Aktien- und Umwandlungsrecht zählen wird.

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