Das neue Hinweispapier zum Preisbindungsverbot – Hilfestellung durch das Bundeskartellamt

Das Bundeskartellamt hat am 25. Januar 2017 den Entwurf eines Hinweispapiers zum Preisbindungsverbot im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels veröffentlicht. Interessierte haben bis zum 10. März 2017 die Möglichkeit, zu diesem Entwurf Stellung zu beziehen. In dem Hinweispapier erläutert das Bundeskartellamt, wie es bestimmte Verhaltensweisen im vertikalen Verhältnis zwischen Herstellern und Händlern einschätzt; es bindet aber weder andere Kartellbehörden noch Gerichte. In dieser Hinsicht ähnelt es den Vertikalleitlinien der Europäischen Kommission, in denen sich diese u.a. zum Preisbindungsverbot äußert. Trotz der thematischen Beschränkung auf den Lebensmitteleinzelhandel ist zu erwarten, dass das Bundeskartellamt die entsprechenden Verhaltensweisen in anderen Branchen ebenso beurteilen wird.

INHALT DES PREISBINDUNGSVERBOTES
Eine gemäß § 1 GWB verbotene vertikale Preisbindung liegt immer dann vor, wenn der Abnehmer der Ware oder Dienstleistung – in der Beziehung zwischen Hersteller und Händler also der Händler – in seiner Freiheit eingeschränkt wird, die Abgabepreise an seine Kunden für die von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen selbst festzulegen. Als sog. Kernbeschränkung stellt die Preisbindung eine unabhängig von der Höhe der Marktanteile der beteiligten Unternehmen spürbare Wettbewerbsbeschränkung dar. Mangels effizienzsteigernder Wirkungen sind Preisbindung grundsätzlich nicht gemäß § 2 GWB freistellungsfähig. Hiervon ausgenommen ist grundsätzlich die Bindung des Abnehmers an einen Höchstpreis, den er bei seinem Vertrieb nicht überschreiten darf. Darüber hinaus ist eine Freistellung von Fest- oder Mindestpreisen ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen bei der Markteinführung neuer Produkte, bei kurzfristigen Sonderangebotskampagnen in franchise- oder franchiseähnlichen Systemen oder zur Vermeidung der Trittbrettfahrerproblematik bei beratungsintensiven Produkten denkbar. Regelmäßig drohen deshalb bei Verstößen gegen das Preisbindungsverbot Bußgelder gemäß § 81 GWB, die bis zu 10 % des Gesamtumsatzes der am Verstoß beteiligten Unternehmensgruppe betragen dürfen.

ZEITLICHER ZUSAMMENHANG
In den vergangenen Jahren hat das Bundeskartellamt in mehreren Verfahren Bußgelder wegen vertikaler Preisbindungen im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels verhängt. Betroffen waren Schokolade, Fruchtgummi, Bier und Röstkaffee. Im Rahmen dieser Verfahren veröffentlichte das Bundeskartellamt im Jahr 2010 ein Schreiben des Vorsitzenden der zuständigen 11. Beschlussabteilung an verfahrensbetroffene Unternehmen, das eine vorläufige Bewertung verschiedener Verhaltensweisen enthielt. Dieses Vorsitzendenschreiben erlangte Beachtung auch über den Lebensmitteleinzelhandel hinaus. Denn auch in anderen Branchen verhängte das Bundeskartellamt in den vergangenen Jahren zum Teil hohe Bußgelder wegen Verstößen gegen das Preisbindungsverbot, so u.a. bei Spielwaren, Matratzen, portablen Navigationsgeräte und Möbeln.

WESENTLICHER INHALT DES HINWEISPAPIERS
Das Hinweispapier legt zunächst den rechtlichen und ökonomischen Hintergrund vertikaler Preisbindungen im Lebensmitteleinzelhandel dar. Klargestellt wird insbesondere, dass Lebensmittel nicht beratungsintensive Standardprodukte seien und vertikale Preisbindungen in diesem Bereich deshalb keine effizienzsteigernden Wirkungen aufwiesen, sodass diese meist nicht freistellungsfähig seien.

Zudem erläutert das Kartellamt seine Fallpriorisierung und die von ihm getroffene Auswahl der Verfahrensart (Bußgeld- oder Verwaltungsverfahren). Letztere hängt insbesondere von der Komplexität des Sachverhalts und der ökonomischen und rechtlichen Fragestellungen ab.

Kern des Hinweispapiers ist aber eine Darstellung verschiedener Verhaltensweisen, verbunden mit einer kartellrechtlichen Bewertung. Das Papier greift hierzu einige im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels regelmäßig auftretende Problembereiche heraus. Da diese Verhaltensweisen nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel zu finden sind, hat das Hinweispapier letztlich für eine Vielzahl von Branchen Bedeutung.

DIE PROBLEMBEREICHE IM ÜBERBLICK
Fest- und Mindestpreise sind grundsätzlich nach § 1 GWB unzulässig. Dies gilt unabhängig davon, wie sie definiert werden, also ob ein Ladenverkaufspreis unmittelbar festgelegt wird, ein Spannenaufschlag festgelegt wird, oder an den Ladenverkaufspreis eines anderen Händlers angeknüpft wird. Auch ein Preispflegerabatt ist unzulässig, da er dem Händler einen wirtschaftlichen Anreiz zur Einhaltung des Fest- oder Mindestpreises gibt. Das Setzen von Anreizen oder die Ausübung (subtilen) Drucks, um den Händler zur Einhaltung eines Preises anzuhalten, stellt zudem für sich genommen einen Verstoß des Herstellers gegen das Umgehungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 GWB dar. Hält sich der Händler an die Preisbindung oder erklärt er auf irgendeine Weise seine Zustimmung, verstößt er ebenso wie der Hersteller gegen § 1 GWB.

Unverbindliche Preisempfehlungen (UVP) sind grundsätzlich erlaubt, müssen aber einseitig bleiben. Eine nach § 1 GWB verbotene Preisabsprache liegt bereits vor, wenn der Händler der Preisempfehlung gegenüber dem Hersteller explizit zustimmt oder auf andere Weise erkennen lässt, dass er die UVP einzuhalten gedenkt, da diese dann wie ein Festpreis wirkt. Gleiches gilt, wenn der Hersteller durch Anreize oder (subtilen) Druck den Händler zur Einhaltung der UVP anhält. Weicht der Händler dennoch von der UVP ab, verstößt der Hersteller gleichwohl gegen § 21 Abs. 2 GWB.

Mengenmanagement, insbesondere im Rahmen von Aktionsplanungen, ist ebenfalls grundsätzlich zulässig. Hersteller dürfen Händlern jedoch keine Aktionen auf deren eigene Kosten untersagen. Wenn der Händler dem Hersteller den geplanten Aktionspreis nennt, kann hierin die nach § 1 GWB unzulässige Zusage zu einem vom Hersteller genannten Preis bestehen.

Spannengarantien können die implizite Zusage des Herstellers begründen, dass auch der übrige Markt einen bestimmten Preis nicht unterschreitet, worin eine Anreizgewährung nach § 21 Abs. 2 GWB, oder auch eine nach § 1 GWB verbotene Vereinbarung liegen kann. Ausgleichsforderungen können zudem Druck auf den Hersteller ausüben, auch die anderen Händler zu binden. Zulässig ist es jedoch grundsätzlich – allerdings abhängig von den jeweiligen Umständen – im Rahmen von Nachverhandlungen Ausgleichsforderungen zu stellen.

Die Nichtaufnahme oder der Abbruch von Geschäftsbeziehungen ist zulässig, solange keine Gründe genannt oder auch nur angedeutet werden, die im Zusammenhang mit der Preispolitik der anderen Seite stehen. Anderenfalls liegt wegen der Druckausübung oft ein Verstoß gegen § 21 Abs. 2 GWB vor. Wird die Belieferung danach fortgesetzt, liegt eine nach § 1 GWB verbotene Absprache nahe. Auszuschließen ist ein Verstoß nur bei abschließender Weigerung des Vertragsschlusses oder der -verlängerung. Dies schließt nicht aus, zu einem späteren Zeitpunkt wieder Verhandlungen aufzunehmen.

Auch der Datenaustausch über Verkaufspreise und -mengen zwischen Händlern und Herstellern ist grundsätzlich zulässig. Dies gilt solange der Austausch einem legitimen Zweck, insbesondere der Marktforschung, nicht jedoch der bloßen Preisüberwachung, dient. Der Austausch darf keine irgendwie geartete Abstimmung oder Absprache ermöglichen, da dies gegen § 1 GWB verstoßen würde. Insbesondere sollten Verkaufspreise deshalb immer erst mit deutlichem zeitlichem Abstand zu ihrer vorherigen Verwendung ausgetauscht werden. Ein Austausch über zukunftsbezogene Preise oder Aktionspreise ist generell unzulässig.

PRAXISTIPP
Die im Hinweispapier beschriebenen Fallbeispiele zeigen, dass oft nur ein schmaler Grat zwischen erlaubten und nach § 1 GWB oder § 21 Abs. 2 GWB verbotenen Verhaltensweisen besteht. Hersteller, gerade auch für solche mit Händlersystemen, sollten deshalb unter allen Umständen vermeiden, Druck auf ihre Händler auszuüben oder Anreize zu setzen, um Preise oder UVP durchzusetzen. Umgekehrt müssen Händler aufpassen, dass sie sich nicht durch explizite Zustimmung zu einer Preisvorgabe oder einer UVP selbst an einem Verstoß gegen § 1 GWB beteiligen. Ebenso müssen sie darauf achten, dass sie keine aktuellen oder gar zukünftigen Verkaufspreisinformationen an den Hersteller weitergeben. Unternehmen müssen also vorsichtig agieren, um hohe Bußgelder zu vermeiden und sollten deshalb im Zweifelsfall Rechtsrat einholen.

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