Der EuGH und deutsche Bundesgerichte ringen um die Deutungshoheit

Zwei Entscheidungen des EuGH sind in jüngerer Zeit auf deutliche Kritik deutscher Bundesgerichte gestoßen.

  • Der EuGH (Urteil vom 26. März 2020, Rs C 66/19) hat auf Vorlage des LG Krefeld für ein grundpfandrechtlich besichertes Verbraucherdarlehen entschieden, dass die Verbraucherkreditrichtlinie dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich sind, auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist. Der BGH hält die Entscheidung für unanwendbar (BGH Beschluss vom 31. März 2020, XI ZR 299/19), weil der EuGH seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe (vgl. dazu den Beitrag meines Kollegen Dr. Perkams vom 24. April 2020).
  • Noch deutlicher sind die Konfliktlinien in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020, 2 BvR 859/15: Hier attestiert das BVerfG dem EuGH, seine Auffassung im EuGH-Urteil vom 11. Dezember 2018 (Weiss u.a.), C-493/17, der Beschluss des EZB-Rates über das PSPP und seine Änderungen seien noch kompetenzgemäß, verkenne in offensichtlicher Weise Bedeutung und Tragweite des auch bei der Kompetenzverteilung zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 EUV) und sei wegen der vollständigen Ausklammerung der tatsächlichen Auswirkungen des Programms auf die Wirtschaftspolitik methodisch schlechterdings nicht mehr vertretbar.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Grenzüberschreitungen des EuGH eines der Argumente für den Brexit waren. Mehr judicial self-restraint beim EuGH und mehr Rücksichtnahme auf die in allen oder den meisten Mitgliedsstaaten anerkannten juristischen Prinzipien würde manche dieser Konflikte vermeidbar machen.