Die besten Preise für Hotelzimmer – nicht mehr nur bei Booking!
Es begann mit einer Reise des Präsidenten des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, an den Chiemsee und endete nun, rund 15 Jahre später, mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (19. September 2024, C-264/23 – Booking) – der kartellrechtliche Dauerbrenner der sog. Bestpreisklauseln. Diese haben in unterschiedlicher Ausgestaltung jahrelang die Hotelbranche geprägt und diverse Gerichte beschäftigt. Durch das nun vorliegende Urteil dürfte die Auseinandersetzung beendet sein – oder?
Hintergrund
Übersichtlich, einfach und (im besten Fall) vollständig: aus dem Alltag vieler Personen sind Buchungsplattformen nicht mehr wegzudenken. Bei der Hotelsuche kommt insbesondere Booking.com inzwischen eine bedeutende Rolle zu. Nutzer erhalten eine gebündelte Darstellung bestimmter Angebote, können Preise und Qualität vergleichen und dann direkt über die Plattform buchen. Hotels können durch Ihre Listung auf der Plattform mehr Kunden erreichen. Booking erhält dafür eine Provision von den Hotelbetreibern. Also eine Win-Win-Win-Situation?
Aus Sicht der Plattformen besteht dabei folgendes Risiko: Interessenten könnten Booking.com zwar für ihre Suche nutzen, die finale Buchung dann aber auf anderen Plattformen oder bei dem Hotel selbst vornehmen. Booking würde also seinen Service bereitstellen, aber keine Provision erhalten (sog. Trittbrettfahrereffekt).
Um dies zu verhindern, setzte Booking bei seinem Markteintritt in Deutschland im Jahr 2006 auf sog. „weite Bestpreisklauseln“. Hotelbetreiber verpflichteten sich dazu, weder auf ihren eigenen Vertriebskanälen (insb. ihrer Homepage) noch auf dritten Portalen günstigere Preise als bei Booking anzubieten. Diese Klausel qualifizierte zunächst das Bundeskartellamt und in der Folge auch das Oberlandesgericht Düsseldorf bei HRS, einem konkurrierenden Hotelplattformbetreiber, als kartellrechtswidrig, da u. a. neuen Plattformen der Zugang zum Markt versperrt würde. In der Folge strich auch Booking im Jahr 2015 diese Klausel aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Stattdessen setzte das Unternehmen fortan auf die sog. „enge Bestpreisklausel“. Dort wurde den Hotelbetreibern „nur“ noch untersagt, auf ihren eigenen Vertriebskanälen günstigere Preise als bei Booking anzubieten. Das Bundeskartellamt untersagte im Dezember 2015 dann auch diese Praxis, was nach abweichender Ansicht des OLG Düsseldorf schließlich im Mai 2021 durch den Bundesgerichtshof bestätigt wurde.
Nun erhielt auch der EuGH die Gelegenheit, sich zur Zulässigkeit der Klausel aus der Perspektive des EU-Kartellrechts zu äußern.
Das Urteil des EuGH
Der EuGH schloss sich im Ergebnis der Einschätzung des Bundesgerichtshofs an und entschied ebenfalls, dass die von Booking verwendete enge Bestpreisklausel gegen das EU-Kartellrecht verstoße. Diese sei insbesondere nicht als sog. „Nebenabrede“ zulässig, da sie für den Betrieb der Buchungsplattform nicht objektiv notwendig sei. An diese objektive Notwendigkeit seien hohe Anforderungen zu stellen. So müsse die Tätigkeit tatsächlich unmöglich werden; hingegen genüge es nicht, wenn die Tätigkeit nur schwerer durchführbar oder weniger rentabel wäre. Da einige EU-Länder sämtliche Arten von Bestpreisklauseln verboten hätten und Booking auch in diesen Ländern seinen Service anbiete, liege die Voraussetzung einer objektiven Notwendigkeit nicht vor. Der Tatbestand des Kartellverbots nach Art. 101 AEUV sei daher erfüllt.
Zu einer Freistellung nach der Vertikal-GVO äußerte sich der Europäische Gerichtshof nicht abschließend. Danach bleibt eine Freistellung der Klausel vom Kartellverbot (wohl) denkbar – vorausgesetzt, die Beteiligten erreichen jeweils nicht mehr als 30 % Marktanteile. Für Booking stellte jedenfalls der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss im Jahr 2021 fest, dass dessen Anteil auf dem Markt der Hotelbuchungsplattformen mehr als 30 % betrage. Bei anderen Beteiligten wären die Marktanteile im Einzelfall zu ermitteln.
Praxisfolgen
Auf den Einsatz der Bestpreisklauseln durch Booking hat die Entscheidung keinen unmittelbaren Einfluss. Der Grund: bereits aufgrund von Art. 5 Abs. 3 des Digital Markets Act (DMA) darf Booking diese Klauseln (sowie andere Maßnahmen mit gleicher Wirkung) seit dem 14. November 2024 in der Europäischen Union nicht mehr verwenden, wie die Europäische Kommission in einer Pressemitteilung vom selben Tage bekräftigte.
Interessant wird jedoch zu beobachten sein, ob und inwieweit die Bestpreisklauseln zukünftig in einem anderen Segment des Kartellrechts behandelt werden: dem Kartellschadensersatzrecht. Die ersten Klagen gegen Booking sind dem Vernehmen nach bereits anhängig. Da die Konstellation in einigen Facetten von den bislang geführten Kartellschadensersatzverfahren abweicht, darf die weitere Entwicklung mit Spannung beobachtet werden.