Die Gigafactory stockt – Teslas Hürdenlauf durchs Planungsrecht

Nachdem sich der Bau des BER im vergangenen Jahrzehnt zum Sinnbild für regulierungsbedingte Ineffizienz bei der Planung und Genehmigung von Infrastrukturprojekten auf deutschem Boden entwickelte, schien sich im Jahr 2019 nur wenige Kilometer entfernt die Gelegenheit zu ergeben, ein leuchtendes Gegenbeispiel in Form der hochmodernen Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg zu schaffen. Von der Ankündigung des Projekts im November 2019 bis zum Produktionsstart im Juli 2021 sollten nach damaliger Planung nur wenig mehr als anderthalb Jahre vergehen. Inzwischen stockt der nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) durchgeführte Genehmigungsprozess. Der voraussichtliche Produktionsstart wurde auf Ende 2021 verschoben und weitere Verzögerungen sind nicht mehr ausgeschlossen. Tesla-CEO Elon Musk selbst nahm dies zum Anlass, veraltete Genehmigungsprozesse zu kritisieren und den aktiven Abbau von Bürokratie insbesondere für klimafreundliche Infrastrukturprojekte zu fordern. Doch was genau sind die genehmigungsrechtlichen Hintergründe, die auch im Falle der Gigafactory zu einer Verlangsamung beitragen? Der folgende Überblick soll eine juristische Einordnung exemplarisch ausgewählter Probleme bieten:

1. Erneute Beteiligung der Öffentlichkeit bei Änderungen am Vorhaben

Die Durchführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung, in der insbesondere auch die Ergebnisse einer Umweltverträglichkeitsprüfung zur Einsicht ausgelegt werden, ist inzwischen der auch europarechtlich zwingende Standard für Infrastruktur- und Industrieprojekte. Für die Gigafactory finden sich die einschlägigen Vorschriften im BImSchG, der 9. Durchführungsverordnung zum BImSchG (9. BImSchV) und dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Eine erste Öffentlichkeitsbeteiligung wurde bereits im Frühjahr 2020 durchgeführt. Nun steht jedoch möglicherweise eine zweite Runde bevor, da sich Tesla entschieden hat, zusätzlich zur Automobilfabrik auch eine Anlage zur Herstellung von Batteriezellen zu errichten. Die rechtliche Verpflichtung hierzu entstammt § 22 Abs. 1 UVPG. Danach ist eine erneute Beteiligung grundsätzlich erforderlich, wenn und soweit der Vorhabenträger die auszulegenden Unterlagen im Laufe des Verfahrens ändert. Die Motivation hinter dieser Regelung ist dabei freilich nicht schwer zu erraten. Dem gemeinschaftsrechtlich verankerten Konzept der „informierten Öffentlichkeit“ als Korrektiv im Planungsprozess kann nur dann Rechnung getragen werden, wenn sie auch an allen wesentlichen Änderungen des Vorhabens teilhaben kann und diese nicht nach Abschluss der Öffentlichkeitsbeteiligung „im Hinterzimmer“ vorgenommen werden können.

Von einer solchen erneuten Beteiligung kann allerdings unter bestimmten Umständen abgesehen werden. Das ist der Fall, wenn nach § 22 Abs. 2 UVPG (und gleichlautend § 8 Abs. 2 S. 3 der 9. BImSchV) zusätzliche erhebliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen nicht zu besorgen sind, insbesondere, wenn sie durch Vorkehrungen des Vorhabenträgers ausgeschlossen werden. Zweifellos wird Tesla im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung diese Möglichkeit prüfen. In Anbetracht des für die Batteriefabrik wohl erforderlichen Raumbedarfs in einem Waldgebiet, zusätzlicher Emissionen verschiedener Art sowie möglicherweise auch der Verwendung umweltgefährdender Stoffe im Herstellungsprozess dürften hier auch ohne genaue Kenntnis vom Vorhaben zumindest Zweifel angebracht sein.

2. Gerichtlicher Rodungsstopp und artenschutzrechtliche Hindernisse

Weiteres Kopfzerbrechen dürften Tesla die gerichtlichen Eilverfahren bezüglich der vorhabenbedingten Waldrodungen bereiten.

Zunächst ordnete das VG Frankfurt (Oder) im Dezember kurzzeitig einen Rodungsstopp an. Das Landesamt für Umwelt Brandenburg hatte den vorzeitigen Beginn von Waldrodungen zugelassen. Hiergegen hatten zwei Umweltverbände Eilanträge unter Berufung auf artenschutzrechtliche Zugriffstatbestände nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) gestellt. Die dort enthaltenen Verbote stellen stets eine hohe Hürde in Genehmigungsverfahren dar und konnten – man denke an die Bechsteinfledermaus im Hambacher Forst – schon so manches Vorhaben zumindest vorübergehend aufhalten. Im Fall Tesla war der Grund für den Rodungsstopp letztlich zunächst nur verfahrenssichernder Natur. In Form eines Hängebeschlusses (auch „Zwischenverfügung“) ordnete das VG die Unterlassung von Rodungsarbeiten bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Eilanträge an. Diese Befugnis sieht die Verwaltungsgerichtsordnung zwar gar nicht vor, zur Wahrung des Gebots effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gilt ein solcher Beschluss jedoch als zulässig, um zu verhindern, dass bis zur Entscheidung unwiderrufliche Fakten geschaffen werden. Der Verfahrensgegenstand wäre bei parallel weiterlaufender Rodung wohl bis zur Entscheidung erledigt gewesen, da kein Wald mehr existiert hätte, den ein Ausgang im Sinne der Umweltverbände hätte schützen können. Die Verzögerung hielt sich letztlich in Grenzen. Nach drei Tagen wies das Gericht die Eilanträge ab.

Eine hiergegen gerichtete Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht hatte dann teilweise Erfolg. In einem Randbereich der Rodungsfläche sah das OVG einen möglichen Verstoß gegen das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in Bezug auf dort ansässige und besonders geschützte Zauneidechsen. Das Tötungsverbot bedeutet dabei keineswegs, dass jeder unvermeidbare Verlust einzelner Exemplare einen Verstoß darstellt. Dann wären größere Bauvorhaben in der Tat kaum noch denkbar. Vielmehr stellt das Gericht unter Bezug auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar, dass für einen Verstoß das Tötungsrisiko für Individuen signifikant erhöht sein muss. Vom Vorhabenträger könne verlangt werden, dass die gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen sachgerecht angewandt würden. Dies sei vorliegend nicht passiert. Zwar habe Tesla Umsetzungsmaßnahmen für Zauneidechsen durchgeführt, diese seien jedoch entgegen fachlicher Gebotenheit zu einem Zeitpunkt geschehen, als sich viele Tiere bereits in ihren Winterquartieren befunden hätten. Dadurch bestehe noch immer eine signifikant erhöhte Tötungsgefahr aufgrund einer möglichen Rückkehr in den betroffenen Bereich.

3. Ausblick

Die weiteren Entwicklungen rund um die Gigafactory dürfen gespannt verfolgt werden. Die artenschutzrechtlichen Hindernisse scheinen aus der Ferne nicht unüberwindlich. Eine weitere Öffentlichkeitsbeteiligung mit einer erneut hohen Zahl an Einwendungen wäre jedoch geeignet, dem Vorhaben weiter Sand ins Getriebe zu streuen.