Unter dem Schlagwort Diversity (oder seinem deutschen Pendant: Vielfalt) richten immer mehr Unternehmen ihren Blick auf die Zusammensetzung der eigenen Belegschaft. Das fußt auf der Erkenntnis, dass eine homogene Gruppe dazu neigt, homogen zu denken, was schlimmstenfalls Geschäftschancen kostet. Unterschiedliche Lebenswege und persönliche Hintergründe erweitern die Perspektive.
Die beiden beinahe schon klassischen Diversity-Themen sind Migration und Geschlecht. Von den durch die Suche nach Arbeitsplätzen bzw. Arbeitskräften getriebenen Migrationsbewegungen der Vergangenheit legen im Ruhrgebiet beispielsweise Familiennamen und in den Lokaldialekt übernommene Begriffe anderer Sprachen beredtes Zeugnis ab. Und die – je nach Blickwinkel – Öffnung bzw. Eroberung der Arbeitswelt für bzw. durch Frauen hat sich zu einer Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unabhängig vom Geschlecht der Beschäftigten erweitert. In der aktuellen Diskussion geht es neben diesen beiden Säulen der Vielfalt vor allem um drei weitere Gesichtspunkte, nämlich Behinderung, Lebensalter und sexuelle Orientierung.
Diversity kann Konflikte heraufbeschwören. Ein typisches Beispiel ist die Frage, wie mit konkurrierenden Vielfaltsmerkmalen umzugehen ist: Nach welchen Kriterien entscheidet sich, ob die junge Migrantin, die 50-jährige Homosexuelle oder die streng katholische Mitarbeiterin mit der längsten Betriebszugehörigkeit auf eine bestimmte Weise behandelt (oder nicht behandelt) werden soll? Oder wie geht man mit Vorwürfen um, die über eine anonyme Whistleblowing-Hotline erhoben werden?
Andererseits gibt es Konfliktrisiken immer, und Furcht davor ist oft ein schlechter ratgeber. Eine echte und dokumentierte Bereitschaft zur Förderung von Vielfalt kann für Unternehmen sowohl bei der Kunden- als auch bei der Nachwuchsgewinnung ein Marktvorteil sein. Abgesehen davon – dies ist nicht zuletzt ein juristischer Blog – handelt es sich auch spätestens seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes um ein Compliance-Thema. Deshalb diskutieren viele deutsche Unternehmen aktuell darüber, wie Diversity strukturiert und mit Leben gefüllt werden kann. Sozusagen die Einstiegsstufe sind dabei Erklärungen, durch welche ein Unternehmen sich zu Vielfalt bekennt. Nächste Schritte könnten beispielsweise Selbstverpflichtungen, Förderprogramme/Quotenregelungen oder Verhaltensregelungen für Beschäftigte sein.
Um solche Ziele zu erreichen, stehen verschiedene rechtliche Mittel zur Verfügung (sofern man sie für das gewünschte Ziel überhaupt benötigt – Bekenntnisse und Selbstverpflichtungen eines Unternehmens betreffen die rechtlichen Beziehungen zum Personal unmittelbar erst einmal nicht). Spannend wird es aber, wenn man unter die Oberfläche des juristischen Vollzugs blickt. Dann zeigt sich nämlich, dass sehr grundsätzliche Fragen mitbedacht sein wollen.
Zum Beispiel das, was Juristen unter dem Stichwort Bestimmtheit vertraut ist und was man umgangssprachlich auf die Kurzformel bringen könnte „Was meinen Sie eigentlich?“. Juristen wissen, dass dies alles andere als eine triviale Frage ist, denn oft genug steckt dahinter die Frage „Was wollen Sie eigentlich?“. Bekenntnisse und Selbstverpflichtungen existieren ja nicht im luftleeren Raum, sondern wollen beachtet werden – und dann mag früher oder später die Frage relevant werden, was das Unternehmen eigentlich meinte, als es schrieb, „Wir setzen uns dafür ein, dass jede(r) so leben kann, wie sie bzw. er möchte“.
Erst recht kommt es auf die Bestimmtheit an, wenn Verhaltensregeln aufgestellt werden und womöglich noch mit Sanktionen belegt werden sollen. Dann muss schon aus Fairnessgründen für alle Beschäftigten eindeutig erkennbar sein, was künftig erlaubt sein soll und was nicht. Hier kann der Teufel im Detail stecken.
Diversity darf man nicht juristisch zu Tode diskutieren, aber Juristen können vielleicht hilfreiche Perspektiven einbringen (ganz im Sinne der Vielfalt). Es geht dabei weniger darum, sich in einem falsch verstandenen juristischen Sinne „abzusichern“, als darum, ein präzises Handwerkszeug und Formulierungserfahrung an den Tisch mitzubringen. Letztlich droht nämlich ein Imageschaden, wenn eine Erklärung schöner klingt, als sie gemeint ist. Insoweit gilt auch bei Diversity eine Grundregel des Anwaltshandwerks: Schweige unangenehme Themen und verborgene Konflikte in der internen Diskussion nicht tot. Besser, man bildet sich selbst in Ruhe eine Meinung, bevor man von der Dynamik einer Situation überrollt wird und nur noch reagieren kann.
In diesem Sinne meint die Überschrift dieses Artikels, dass zu wohlverstandener Diversity auch gehört, sich rechtzeitig Gedanken um potentielle Konfliktfelder zu machen – und darum, wie man damit umgehen möchte. Damit aus potentiellen Konflikten kein echter Streit entsteht.