Dringender Handlungsbedarf bei arbeitgeberfinanzierten Direktversicherungen

Viele Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern etwas Gutes tun und sich als attraktiver Vertragspartner zeigen möchten, denken über die Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung nach. Dabei scheuen die meisten die umfangreichen Haftungsfolgen, die entstehen, wenn eine betriebliche Altersversorgung in Form der Direktzusage gewährt wird, der Arbeitgeber sich also verpflichtet, direkt aus seinem Vermögen Altersversorgungsleistungen an die Mitarbeiter zu zahlen, wenn diese das Rentenalter erreichen. Eine attraktive Alternative ist der Abschluss einer Direktversicherung für den Arbeitnehmer, deren Beiträge der Arbeitgeber übernimmt. Die Hoffnung dabei ist, dass mit der Zahlung der Beiträge an die Versicherung alles Notwendige getan wurde und die Auszahlung der Rente nach Erreichen des Rentenalters allein durch die Versicherung erfolgt.

Problem: Vorzeitiges Ausscheiden

Ungeahnte Probleme können jedoch entstehen, wenn ein Arbeitnehmer nicht bis zur Erreichung des Rentenalters im Unternehmen verbleibt, sondern den Arbeitgeber wechselt, nachdem er eine unverfallbare Anwaltschaft auf die betriebliche Altersversorgung erworben hat. Für Zusagen auf betriebliche Altersversorgungen, die nach dem 01.01.2018 erteilt wurden, tritt die Unverfallbarkeit der Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung bereits dann ein, wenn der Arbeitnehmer das 21. Lebensjahr vollendet hat und die Versorgungszusage mindestens drei Jahre bestanden hat (§ 1b Abs. 1 BetrAVG n.F.).

Scheidet ein Mitarbeiter mit einer unverfallbaren Anwaltschaft aus, muss ermittelt werden, wie hoch die Ansprüche des Arbeitnehmers sind. Hierzu regelt § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 BetrAVG für die betriebliche Altersvorsorge in Form einer Direktversicherung, dass die Berechnung grundsätzlich nach dem sogenannten Quotierungsverfahren zu erfolgen hat.

Sogenanntes Quotierungsverfahren

Das Quotierungsverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass zunächst ermittelt wird, welchen Anspruch der Mitarbeiter hätte, wenn er planmäßig bis zum Übergang in die Altersrente gearbeitet hätte. Dieser Anspruch wird anteilig reduziert und zwar quotal im Verhältnis der tatsächlichen Beschäftigungszeit in Bezug zu der Beschäftigungszeit, die der Arbeitnehmer bis zur Erreichung des Rentenalters im Unternehmen verbracht hätte.

Der sich hieraus ergebende Anspruch des Arbeitnehmers, der schlicht anhand der anteilig im Unternehmen verbrachten Zeit berechnet wird, entspricht nicht zwingend dem Betrag, den die Direktversicherung auf der Grundlage der Versicherungsbedingungen für die im Vergleich zur geplanten Versicherungsdauer deutlich kürzere tatsächliche Beschäftigungsdauer gewährt. Hintergrund kann z. B. sein, dass Abschlussgebühren von der Versicherung in den ersten Jahren in Abzug gebracht werden und die Versorgungsleistung entsprechend mindern.

Haftungsfolge

Ist die Versicherungsleistung geringer als der nach dem Quotierungsverfahren errechnete Anspruch des Arbeitsnehmers, haftet der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG für die bestehende Differenz. Seine Erwartung, mit dem Abschluss der Direktversicherung alles getan zu haben, um keiner weiteren Haftung ausgesetzt zu sein, erfüllt sich in diesem Fall nicht.

Versicherungsförmige Lösung

Der Gesetzgeber hat dieses Problem gesehen und daher in § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrAVG die Möglichkeit geschaffen, dass der Arbeitgeber ausnahmsweise die sogenannte versicherungsförmige Lösung wählt, also nur auf die Zahlung haftet, die die Versicherung bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers leistet. Auf dieser Weise kann der Arbeitgeber die Nachhaftung vermeiden.

Da diese Lösung zu erheblichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen kann, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Das Bezugsrecht muss spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden des Arbeitsnehmers unwiderruflich sein, das Recht aus dem Versicherungsvertrag darf durch den Arbeitgeber nicht abgetreten oder beliehen worden sein und es dürfen keine Beitragsrückstände vorhanden sein.
  • Nach dem Versicherungsvertrag dürfen vom Beginn der Versicherung, frühestens jedoch vor den Beginn der Betriebszugehörigkeit an, die Überschussanteile nur zur Verbesserung der Versicherungsleistung zu verwenden sein.
  • Der ausgeschiedene Arbeitnehmer muss nach dem Versicherungsvertrag das Recht zur Fortsetzung der Versicherung mit eigenen Beiträgen haben.

Sind diese Vorrausetzung erfüllt, konnte der Arbeitgeber in der Vergangenheit bereits bei der Erteilung der Versorgungszusage darauf hinweisen, dass er ausschließlich die versicherungsförmige Lösung wählt und keine zusätzliche Haftung erfolgt.

Handlungsbedarf wegen Änderung der Rechtsprechung

Das Bundesarbeitsgericht hat diese weitverbreitete Praxis nunmehr für unzulässig erklärt (BAG, Urteil vom 19.05.2016 – 3 AZR 794/14). Seiner Rechtsprechung gemäß kann der Arbeitgeber die versicherungsförmige Lösung nicht mehr bei der Zusage der betrieblichen Altersversorgung für anwendbar erklären, sondern nur noch dann wählen, wenn seine Wahl in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht. Ein solcher Zusammenhang besteht insbesondere dann, wenn eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt wird oder ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird. Für seine Wahl hat der Arbeitgeber lediglich drei Monate nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers Zeit.

Wichtig ist es daher zukünftig im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Arbeitnehmers zu prüfen, ob eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung zugesagt wurde. Ist dies der Fall, muss geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Wahl der die Zusatzhaftung des Arbeitgebers ausschließenden versicherungsförmigen Lösung gegeben sind. Ist dies der Fall, muss innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eine entsprechende Erklärung sowohl gegenüber dem Arbeitnehmer als auch gegenüber der Direktversicherung erfolgen. Es handelt sich um einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit dem Zugang beim Empfänger wirksam wird, das heißt wichtig ist auch, dass der Zugang bewiesen werden kann. Dabei müssen die erforderlichen Versicherungsdaten, die Versicherungsgesellschaft und Versicherungsvertragsnummer angegeben werden. Der Arbeitnehmer muss in der Lage sein, die Versicherung mit eigenen Beiträgen fortführen zu können, ohne dass er hierzu Erkundigungen anstellen muss. Außerdem muss er auf die Rechtsfolgen der versicherungsförmigen Lösung hingewiesen werden.

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