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BGH Urteil vom 25.03.2025 (II ZR 202/22)

Der Nachweis des Aktienbesitzes als Voraussetzung für die Teilnahme an der Hauptversammlung

Welche Anforderungen gelten für den Nachweis der Aktionärseigenschaft als Teilnahmevoraussetzung gemäß § 123 Abs. 3 und 4 AktG? Mit dieser Frage hat sich ganz aktuell der Zweite Senat des Bundesgerichtshofs befasst. In der Leitsatzentscheidung stellt er – abweichend von der Vorinstanz OLG Stuttgart – klar, dass die unwiderlegliche Vermutung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG nur für börsennotierte Aktiengesellschaften gilt. Zugleich betont er bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, die Inhaberaktien ausgegeben haben, deren weitgehende Satzungsautonomie bei der Gestaltung der Teilnahme- und Nachweisanforderungen.

Sachverhalt:

Der Kläger stritt sich mit der Compagnie De Developpment De L’Eau S.A. („CDE“) darüber, ob ihm oder der CDE eine Mehrheitsbeteiligung (12.860.677 Inhaberaktien) an dem nicht börsennotierten Waffenhersteller H&K AG (die „AG“) gehört (zu dieser Auseinandersetzung OLG Frankfurt NZG 2024, 202 und BGH XI ZR 8/24). Die CDE und deren Obergesellschaft S. Ltd. hatten jeweils am 17. Juli 2020 der AG mitgeteilt, dass sie nach Freigabe durch das Bundeswirtschaftsministerium unmittelbar bzw. (im Fall der S. Ltd.) mittelbar mehr als ein Viertel der Aktien (§ 20 Abs. 1 AktG) und eine Mehrheitsbeteiligung (§ 20 Abs. 4 AktG) erworben hätten. Am gleichen Tag veröffentlichte die AG eine Ad-hoc Mitteilung zur Übernahme des Mehrheitsanteils durch die CDE.

Am 20. Juli 2020 lud der Vorstand der AG zur virtuellen Hauptversammlung auf den 27. August 2020 ein. Zu den Anmelde- und Nachweisformalien regelt § 14.1 der Satzung der AG:

Zum Nachweis reicht ein von einem […] Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut […] oder von einem deutschen Notar in Textform […] erstellter besonderer Nachweis des Anteilsbesitzes, eine entsprechende Bescheinigung der Gesellschaft oder ein sonstiger, von der Gesellschaft als ausreichend angesehener Nachweis aus.

Mit der fristgerechten Anmeldung wurde der AG die Bestätigung der Partnerin einer Anwalts-LLP übersandt, in der diese versichert, für die CDE 12.880.677 Aktien der AG in Verwahrung zu haben.

Bei der Hauptversammlung wurden mit den Stimmen der CDE gefasste Beschlüsse vom Vorsitzenden festgestellt. Der Kläger macht mit seiner Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage sinngemäß geltend, die Hauptversammlung sei nicht beschlussfähig gewesen, weil die CDE nicht als Mehrheitsaktionärin legitimiert und nicht teilnahmeberechtigt gewesen sei.

Die Entscheidung:

Der BGH schließt sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht an. Zwar sei – anders als vom Berufungsgericht angenommen, die unwiderlegliche Vermutung der Legitimation des § 123 Abs. 4 Satz5 AktG auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft nicht – auch nicht analog – anwendbar. Er begründet dies ausführlich aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Normzweck.

Dennoch sei die CDE zu recht als Aktionärin zu der Hauptversammlung zugelassen worden. Außerhalb der für börsennotierte Gesellschaften geltenden Regeln stehe der Satzung ein erheblicher Spielraum bei der Ausgestaltung der Nachweisanforderungen zu. Die Anforderungen an den Nachweis des Aktienbesitzes müssten hinreichend bestimmt sein. Sie dürften die Teilnahme nicht unnötig erschweren. Die oben zitierte Bestimmung in der Satzung der AG überschreite diesen Spielraum nicht. Wenn es möglich sei, auf den Nachweis ganz zu verzichten, könne die Satzung auch niederschwellige Voraussetzungen definieren und der Gesellschaft einen Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der vorgelegten Nachweise zubilligen. Die Bestätigung einer Anwaltskanzlei, unterzeichnet von einer Partnerin, genüge dem in der Satzung definierten Nachweiserfordernis. Gründe, an der Richtigkeit der Bestätigung zu zweifeln, habe es nicht gegeben. Die Gesellschaft habe den ihr vorgelegten Nachweis, wie in § 14.1 der Satzung vorgesehen, genügen lassen. Das sei zulässig und verletze nicht die Rechte des Klägers. Die Frage, ob dem Kläger oder der CDE das Eigentum an den Aktien zustehe, sei – auch im Hinblick auf das Interesse an einer rechtssicheren Durchführung der Hauptversammlung – nicht von der Gesellschaft zu klären. Dies müsse außerhalb des Verfahrens der Zulassung zur Hauptversammlung geschehen, notfalls mithilfe einstweiligen Rechtsschutzes.

Einordnung:

Das Urteil gibt für die Praxis der Hauptversammlung wichtige Anhaltspunkte für die Handhabung der Teilnahmebestimmungen. Es stellt mit einleuchtender Begründung klar, dass die bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft geltenden spezifischen Regelungen nicht ohne weiteres auf eine nicht börsennotierte Gesellschaft übertragen werden können. Auch werden die für eine satzungsmäßige Ausformung des Teilnahmerechts bei kleineren Gesellschaften geltenden Anforderungen nicht überdehnt. Wichtig ist vor allem die Erkenntnis, dass das Anmelde- und Zulassungsverfahren der Hauptversammlung kein Ort zur Klärung von Eigentumsstreitigkeiten zwischen echten und vermeintlichen Aktionären ist.

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