Ein Prost auf die Verjährung!

"Verjährung" ist eines der Lieblingswörter von jedem, der gegen Regeln verstoßen hat. Das Institut der Verjährung findet sich in allen Rechtsgebieten, neben dem Zivilrecht insbesondere auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht. Bei seinem Eintritt bildet es den wohl sichersten Hafen, den das Recht zu bieten hat. Die Verjährung dient dem Rechtsfrieden und begünstigt naturgemäß denjenigen, der anderenfalls verurteilt werden könnte.

Die Gegenseite mag daher kurz vor Ablaufen der Verjährungsfrist mitunter ins Schwitzen kommen. Oder sie wird überrumpelt, so wie die Staatsanwaltschaft im Bierkartell-Verfahren.

Das Bierkartell-Verfahren

Das Bundeskartellamt hatte in den Jahren 2013 und 2014 Bußgelder in Höhe von insgesamt EUR 338 Mio. gegen eine Reihe von Bierbrauereien verhängt, unter anderem ein Bußgeld in Höhe von EUR 62 Mio. gegen die Carlsberg-Brauerei (Az.: B10-105/11). Es warf den Brauereien kartellrechtswidrige Preisabsprachen in den Jahren 2006 bis 2008 vor.

Einzig Carlsberg legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Das OLG Düsseldorf kam aufgrund der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis, dass Carlsberg lediglich versuchte Kartellverstöße im Jahr 2007 nachzuweisen seien. Für die Zeit danach gebe es keine Anzeichen mehr für kartellrechtswidrige Absprachen oder deren Umsetzung. Auch den Eintritt eines Schadens hielt das Gericht nicht für nachgewiesen. Daher stellte das OLG das Verfahren (Az.: V-4 Kart 2/16) gegen Carlsberg ein.

Verjährung

Die bußgeldrechtliche Verjährung von Kartellverstößen richtet sich nach § 81 Abs. 8 GWB, §§ 31 ff. OWiG. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 81 Abs. 8 Satz 2 GWB fünf Jahre. Sie beginnt nach § 31 Abs. 3 OWiG, wenn die rechtswidrige Handlung beendet wird oder der rechtswidrige Erfolg eingetreten ist. Der Verjährungsbeginn setzt also voraus, dass keine weiteren Kartellvereinbarungen mehr getroffen oder umgesetzt werden und keine Schäden mehr eintreten.

Die Verjährung wird zwar durch die in § 33 Abs. 1 OWiG aufgezählten Unterbrechungshandlungen der Kartellverfolgungsbehörden, insbesondere Ermittlungshandlungen, unterbrochen und beginnt gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG nach der jeweiligen Unterbrechungshandlung von neuem. Allerdings gilt nach § 33 Abs. 2 Satz 2 OWiG eine absolute Verjährungsfrist, die nicht aufgrund von Unterbrechungshandlungen von neuem beginnt. Diese Frist ist doppelt so lang wie die Regelverjährungsfrist und beträgt für Verstöße gegen § 1 GWB somit zehn Jahre.

Im Bierkartell-Verfahren war entscheidend, dass die rechtswidrigen Handlungen durch Calsberg bereits zehn Jahre vor der Einstellung des Verfahrens durch das OLG Düsseldorf, also spätestens Anfang 2009, beendet worden waren. Bei einem versuchten Verstoß, von dem das OLG Düsseldorf im Fall von Carlsberg ausging, konnte kein Schaden eintreten. Aus diesem Grund war die rechtswidrige Handlung von Carlsberg tatsächlich schon im Jahr 2007 beendet. Es kam also - jedenfalls nach den vom Kartellamt veröffentlichten Informationen - bei der Einstellungsentscheidung im Jahr 2019 nicht einmal darauf an, ob Carlsberg noch im Jahr 2008 oder nur im Jahr 2007 an Absprachen beteiligt war.

Ergebnis

Schafft das Urteil neue Verteidigungsmöglichkeiten für Kartellanten? Wohl kaum. Die Regelung des § 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG war sicherlich auch vor dem Urteil des OLG Düsseldorf kein Geheimnis. Ebenso wenig ihre Anwendbarkeit im Kartellrechtordnungswidrigkeitsrecht. Aber das Urteil vermag, die Aufmerksamkeit auf die Frage der Verjährung zu richten.

Ein derartiges Zeitspiel ist einerseits riskant. Ist es bereits kein Geheimnis, dass das OLG Düsseldorf dazu neigt, höhere Bußgelder zu verhängen als das Bundeskartellamt, hatte die Staatsanwaltschaft sogar ein Bußgeld in Höhe von EUR 250 Mio. gegen Carlsberg gefordert, was eine Vervierfachung bedeutet hätte. Weder für das Gericht noch für die Staatsanwaltschaft entfalten die vom Bundeskartellamt erlassenen Bußgeldleitlinien Bindungswirkung. Auch ein Verschlechterungsverbot existiert nicht. Schließlich ist davon auszugehen, dass das Bundeskartellamt und die Staatsanwaltschaft zukünftig stärker darauf achten werden, nicht in die Nähe der Verfolgungsverjährung zu geraten. Aufgrund dieses Risikos zog der Mitkartellant Radeberger seinen Einspruch kurz vor Prozessbeginn wieder zurück.

Andererseits beweist diese Entscheidung eindrucksvoll, dass es unter Umständen durchaus lohnend sein kann, auf Zeit zu spielen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kartellverstoß bereits einige Zeit zurückliegt, das behördliche Verfahren bereits längere Zeit gedauert hat und substantielle Zweifel am vom Bundeskartellamt festgestellten Sachverhalt bestehen. Die Einlegung eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes sollte also nicht rundweg ausgeschlossen werden.