Eine Diskriminierung ist schnell vermutet

Fühlt ein Mitarbeiter sich ungerecht behandelt, etwa weil er weniger verdient als ein Kollege oder weil ihm mitgeteilt wird, dass er die Probezeit nicht bestanden hat und sein Arbeitsverhältnis beendet wird, steht schnell die Vermutung im Raum, der Mitarbeiter könnte benachteiligt worden sein, weil er vielleicht der einzige männliche oder der älteste Kollege ist oder ein anderes Diskriminierungsmerkmal vorliegt.

Gesetzliche Vermutungsregelung

Da es regelmäßig sehr schwierig ist, zu beweisen, dass eine Ungleichbehandlung wegen des Alters, des Geschlechts, einer Schwerbehinderung oder eines anderen Diskriminierungsmerkmals erfolgt ist, hilft das Gesetz mit der Regelung in § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Nach dieser Norm reicht es für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus, dass der Arbeitnehmer Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals vermuten lassen. Gelingt dies, muss der Arbeitgeber den Vollbeweis erbringen, dass keine Diskriminierung erfolgt ist, was im Regelfall mit erheblichen Problemen verbunden ist. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Arbeitnehmer glauben, allein mit der Darstellung, dass sie das älteste Belegschaftsmitglied waren, als einziger Mann beschäftigt wurden oder der einzige schwerbehinderte Mitarbeiter waren, bereits ausreichend vorgetragen zu haben, um Entschädigungszahlungen zu erhalten.

Aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes

Einen solchen Fall hatte auch das Bundesarbeitsgericht am 26.01.2017 (8 AZR 736/15) zu entscheiden. Der dortige Kläger war als schwerbehinderter Mensch anerkannt und als Kurierfahrer teilzeitbeschäftigt. Im Juni 2013 stockte die Arbeitgeberin die Arbeitszeit von 12 der insgesamt 16 teilzeitbeschäftigten Kuriere um jeweils fünf Stunden auf. Den Kläger berücksichtigte sie nicht, obwohl dieser bereits mehrfach um die Erhöhung seiner Wochenstundenzahl gebeten hatte. Der Kläger behauptete nun, er sei für die Stundenerhöhung nicht berücksichtigt worden, weil er schwerbehindert sei, sodass eine entschädigungspflichtige Diskriminierung vorläge.

Im Ergebnis verwies das Bundesarbeitsgericht die Klage zurück, da es davon ausgegangen ist, dass der Kläger keine ausreichenden Indizien nachgewiesen hat, die eine Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung vermuten ließen. Die gesetzlich geregelte Vermutung der Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals greift nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes nur, wenn die benachteiligte Person Indizien vorträgt und gegebenenfalls beweist, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass das Diskriminierungsmerkmal für die Benachteiligung ursächlich ist. Indizien, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals nur als möglich erscheinen lassen, reichen nicht aus. Allein der Vortrag des Klägers, dass er der einzige schwerbehinderte Arbeitnehmer in der Vergleichsgruppe der teilzeitbeschäftigten Kuriere war, reicht daher nicht für die Annahme einer Diskriminierung aus.

Fazit

Das Bundesarbeitsgericht hat zugunsten der Arbeitgeber klargestellt, dass Arbeitnehmer, die sich diskriminiert fühlen, mehr darlegen müssen, als dass bei ihnen ein Diskriminierungsmerkmal gegeben ist. Hier ist allerdings in der Praxis äußerste Vorsicht geboten, da bereits ein unbedachter Satz über die Folgen einer Schwerbehinderung, die Leistungsfähigkeit eines älteren Mitarbeiters oder ähnliches ein Indiz für eine Diskriminierung darstellen können. Wird ein solches Indiz vom Arbeitnehmer belegt, muss der Arbeitgeber den Vollbeweis erbringen, dass ausschließlich andere Gründe zu der Benachteiligung geführt haben, was in der Praxis extrem schwierig ist.

Jedes Indiz einer Ungleichbehandlung aufgrund des Alters, der Schwerbehinderung, des Geschlechts oder andere Diskriminierungsmerkmale sollte daher unbedingt vermieden werden.

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