Anforderungen an die Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses - Nichtigkeit eines Einziehungsbeschlusses bei nicht hinreichenden Mitteln für Einziehungsentgelt trotz stiller Reserven
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 26.06.2018 (II ZR 65/16) klargestellt, dass ein Beschluss über die Einziehung eines GmbH Geschäftsanteils nichtig ist, sofern das freie Vermögen der Gesellschaft zur Zahlung des Einziehungsentgelts nicht ausreicht.
Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über stille Reserven verfügt, nach deren Auflösung das Einziehungsentgelt gezahlt werden könnte.
Was war passiert (vereinfachter Sachverhalt)?
Die Klägerin war mit 25 % des Stammkapitals an der X-GmbH beteiligt. Aufgrund der Verletzung von Gesellschafterpflichten beschloss die Gesellschafterversammlung der X-GmbH die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin gegen Zahlung einer Abfindung. Diese Abfindung machte die Klägerin in dem Rechtsstreit gegen die X-GmbH geltend.
Der der Klägerin zustehende Abfindungsanspruch sollte durch einen Sachverständigen ermittelt werden.
Die Ermittlung des Wertes des eingezogenen Geschäftsanteils ergab, dass der verbleibende Abfindungsanspruch zugunsten der Klägerin 167.000 € beträgt. Das freie Vermögen der Gesellschaft belief sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung laut Bilanz nur auf 82.000 €.
Die Klägerin behauptete, es seien zudem Stille Reserven in Höhe von 393.000 € vorhanden gewesen.
Das LG hat der Klage auf Zahlung einer Abfindung zunächst stattgeben, das OLG wies die Berufung der X-GmbH zurück. Der BGH hob das Urteil sodann auf und verwies die Sache an das OLG zurück.
In ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Einziehungsbeschluss nichtig, sofern bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, das Stammkapital nicht in Anspruch nehmendem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann.
Ansicht des OLG
Das OLG stellte sich auf den Standpunkt, dass der Einziehungsbeschluss gleichwohl wirksam sei, sofern die Gesellschaft über ausreichende stille Reserven verfüge, um das Einziehungsentgelt zu bezahlen.
Korrektur des BGH - Berücksichtigung stiller Reserven als freies Vermögen stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung dar
In der Entscheidung des OLG sieht der BGH eine unzulässige Einschränkung des Gläubigerschutzes. Dies hier in der Form, dass der Grundsatz der Kapitalerhaltung nicht ausreichend berücksichtigt werde.
Es gilt eine bilanzielle Betrachtungsweise. Auszahlungen an (ausgeschiedene) Gesellschafter dürfen nicht zur Bildung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen.
Das Vorliegen einer Unterbilanz richtet sich dabei nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz.
Die bloße Möglichkeit zur Auflösung vorhandener stiller Reserven kann freiem Vermögen der Gesellschaft nicht gleichgestellt werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Auflösung der stillen Reserven im Einzelfall zumutbar ist.
Im Ergebnis können stille Reserven damit bei der Bestimmung des ungebundenen Vermögens keine Berücksichtigung finden.
Persönliche Haftung der anderen Gesellschafter droht
In Einzelfällen kann die persönliche Haftung von Gesellschaftern drohen.
Zu denken ist hier an den Fall, dass zwar der Einziehungsbeschluss wirksam ist (weil zu diesem Zeitpunkt das Stammkapital noch nicht angegriffen wird), das später vorhandene freie Vermögen aber zur Befriedigung des ausscheidenden Gesellschafters nicht ausreicht.
Haben die übrigen Gesellschafter hier z.B. treuwidrig eine (vorherige) Auflösung stiller Reserven unterlassen, können diese nach Ansicht des BGH zur anteiligen Zahlung der Abfindung verpflichtet sein.
Konsequenz
Die Entscheidung des BGH erhöht die Rechtssicherheit und bleibt konsequent bei der bilanziellen Betrachtungsweise.
Beschlüsse, die gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz verstoßen, sind nichtig.
Die Einziehung eines Geschäftsanteils sollte daher in jedem Fall sorgfältig vorbereitet werden.
Das freie Vermögen ist über eine aktuelle Handelsbilanz zu ermitteln. Für den Fall, dass dieses zur Zahlung des Abfindungsanspruches nicht ausreicht, kann eine Auflösung stiller Reserven angezeigt sein, um einen wirksamen Beschluss zu ermöglichen.
Der Grundsatz der Kapitalerhaltung ist zwingend. Von ihm kann auch in der Satzung nicht abgewichen werden. Gestaltungsspielraum besteht aber insofern, als in der Satzung neben einer Einziehung alternativ auch eine Zwangsabtretung vorgesehen werden kann, sodass die Vergütung von dem Erwerber und nicht mehr von der betroffenen Gesellschaft geschuldet wird. Die Verletzung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes ist damit ausgeschlossen.