Ende auf Raten für die Aussetzung der Insolvenzantragspflichten

Unter dem Eindruck des Lockdown – umfassende Antragsaussetzung

Mit Aufkommen der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber Unternehmen u.a. dadurch unterstützt, dass bis zum 30. September 2020 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt wurde. Die Antragspflicht bestand allerdings weiter fort, wenn die antragsbegründende Insolvenzreife keine Folge der COVID-19-Pandemie war oder schon von vornherein keine Aussicht bestand die Zahlungsunfähigkeit wieder zu beseitigen.

Daneben sah das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz ursprünglich die Möglichkeit vor, diese Aussetzung der Insolvenzantragspflichten bis zum 31. März 2021 zu verlängern.

Der Gesetzgeber entscheidet überraschend streng

Statt allerdings – wie häufig erwartet – diese Verlängerungsmöglichkeit auszuschöpfen, hat der Gesetzgeber Ende September die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nur noch bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt. Zusätzlich gilt diese Neuerung des Gesetzes zur Änderung des COVID-19-Insolvenzanpassungesetzes ausschließlich für die Antragspflicht aufgrund von Überschuldung. Im Falle von Zahlungsunfähigkeit ist die Antragspflicht hingegen seit dem 1. Oktober 2020 nicht mehr ausgesetzt.

Die neu eingeführte Differenzierung zwischen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung erklärt der Gesetzgeber insbesondere damit, dass "die Rechtfertigungsbedürftigkeit für die Aussetzung von Antragspflichten bei Zahlungsunfähigkeit ungleich höher ist als bei der Überschuldung. Bei zahlungsunfähigen Unternehmen ist die Krise bereits so weit fortgeschritten, dass die Unternehmen nicht mehr in der Lage sind, ihre laufenden Kosten und Verbindlichkeiten zu decken." Daher sei der fortlaufende Betrieb zahlungsunfähiger Unternehmen ungleich belastender für den Rechtsverkehr als der Fortbetrieb von "nur" überschuldeten Unternehmen. Ausdrücklich spricht der Gesetzgeber außerdem davon, dass "anders als in der Ausnahmesituation im März und April, in der die Ereignisse sich überstürzt hatten und die Betroffenen Zeit und Gelegenheit benötigten, sich auf die Entwicklungen einzustellen, […] eine Verschonung von zahlungsunfähigen Unternehmen derzeit nicht notwendig und nicht verhältnismäßig" erscheint.

Ein etwaiges Moratorium für betroffene Unternehmen, um ohne Insolvenzantrag durch die Krise zu kommen, ist also vom Tisch. Für zahlungsunfähige Unternehmen greift die Antragspflicht aus § 15a InsO mittlerweile wieder mit voller Härte.

Der bis Ende 2020 einzig verbleibende Rettungsring und die Zeit danach

Damit hat der Gesetzgeber Unternehmen nur noch im Falle einer Überschuldung einen Rettungsring zugeworfen (oder – je nach Ansicht – eine Gnadenfrist bis zum Ende des Jahres eingeräumt). Zurzeit kommt es auf eine die Überschuldung als Eröffnungsgrund ausschließende positive Fortführungsprognose (die maßgeblich von der langfristigen Zahlungsfähigkeit abhängt) mithin nicht an. Schafft es ein überschuldetes Unternehmen seine kurzfristige Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, hat es gute Chancen sich um eine womöglich langfristig weiterhin zu erwartende Zahlungsunfähigkeit (und die damit oft einhergehende negative Fortführungsprognose) für den Moment keine Sorgen machen zu müssen. Ein "nur" überschuldetes Unternehmen kann bis zum Ende des Jahres in den Genuss der jüngsten gesetzlichen Antragsaussetzung nach Art. 1 des Änderungsgesetzes kommen.

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Gesetzesänderung nur eine kurze Verschnaufpause verschafft. Das zu erwartende Ende der Antragspflichtaussetzung auch für die Überschuldung sollte bereits heute in den Blick genommen werden; denn spätestens zum 1. Januar 2021 dürften überschuldete Unternehmen den Überschuldungsbestand und eine eventuelle Fortführungsprognose erstellen und prüfen müssen. Das sollte mit hinreichendem zeitlichen Vorlauf vorbereitet werden.

Der Gesetzgeber schweigt zur vermutlich andauernden Prognoseunsicherheit

Dieser voraussichtlichen Herausforderung zum Jahreswechsel dürfte auch nicht Folgendes entgegengehalten werden können: Wegen der andauernden wirtschaftlichen Verwerfungen ist eine (Fortführungs-)Prognose über die zukünftige finanzielle Lage eines Unternehmens oft nicht sehr belastbar. Ob sich das angesichts der andauernden Pandemie in rund drei Monaten gebessert hat, ist zweifehlhaft.

Der Gesetzgeber hat dies durchaus gesehen: Um u.a. die Prognoseunsicherheit zu vermeiden, hält der Gesetzgeber die Aussetzung der Antragspflicht im Falle der Überschuldung bis Ende des Jahres für praktisch geboten. Zur (Prognose-)Unsicherheit in der Zeit danach schweigt der Gesetzgeber jedoch (bislang).

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