Entlastung von Geschäftsführern = Ausschluss von Ersatzansprüchen?

Ersatzpflicht von Geschäftsführern

GmbH-Geschäftsführer sind verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Begehen sie eine Pflichtverletzung, haften sie der Gesellschaft für den daraus entstehenden Schaden (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Meistens stellen sich GmbH und ihre Gesellschafter die Frage, ob sie Ersatzansprüche gegen einen Geschäftsführer geltend machen sollen, erst nach dessen Ausscheiden aus dem Amt.

Entlastung von Geschäftsführern

Seit der Pflichtverletzung können dann schon mehrere Jahre vergangen sein. In dieser Zeit hat die jährlich stattfindende, ordentliche Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer in der Regel schon die Entlastung für das jeweils abgelaufene Geschäftsjahr erteilt (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Scheidet der Geschäftsführer anlässlich einer Veräußerung der Gesellschaft aus dem Amt, ist es zudem üblich, dass in dem Unternehmenskaufvertrag vereinbart wird, dass dem Geschäftsführer für den Zeitraum vom Beginn des laufenden Geschäftsjahres bis zum Vollzugstag noch die Entlastung erteilt wird. Mit der Entlastung der Geschäftsführung billigen die Gesellschafter die Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode und sprechen ihr, soweit sie ihre Tätigkeit fortsetzt, gleichzeitig für die künftige Geschäftsführung ihr Vertrauen aus.

Ausschluss von Ersatzansprüchen als Folge der Entlastung?

Hat die Entlastung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung nun den Ausschluss von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer zur Folge, soweit sie auf Pflichtverletzungen beruhen, die der Geschäftsführer in dem Zeitraum begangen hat, für den ihm Entlastung erteilt worden ist?

Zwei neuere Gerichtsentscheidungen befassen sich mit genau dieser Frage. In einem Urteil vom 10.2.2021 (Aktenzeichen: 4 U 18/20) gelangt das Oberlandesgericht Brandenburg zu dem Schluss, dass die Entlastung zu einem Ausschluss von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer führen kann:

Der Ersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG ist ausgeschlossen, wenn die Gesellschafter den Geschäftsführer entlastet haben und die Entlastung auch das beanstandete Geschäft umfasst.

Noch einen Schritt weiter geht der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 20.9.2020 (Aktenzeichen: II ZR 141/19). In dem Fall war der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG die Entlastung erteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte nun darüber zu entscheiden, ob die Entlastung der Komplementär-GmbH durch die Gesellschafterversammlung der KG dazu führt, dass auch Ersatzansprüche der KG gegen die Mitglieder der Geschäftsführung der Komplementär-GmbH ausgeschlossen sind. Der Bundesgerichtshof bejaht dies im Grundsatz:

Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich die Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur Kommanditgesellschaft.

Wenn hingegen die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH die Entlastung der Mitglieder ihrer Geschäftsführung beschließt, hat dies (jedenfalls in der nicht beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG) nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht zur Folge, dass die KG mit Ersatzansprüchen gegen die Mitglieder der Geschäftsführung der Komplementär-GmbH ausgeschlossen ist. Der Entlastungsbeschluss bewirke dann nur im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Komplementär-GmbH einen Anspruchsausschluss, nicht im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und KG.

Soweit ein Entlastungsbeschluss zum Ausschluss von Ersatzansprüchen führt, schließt er nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zudem eine Kündigung des Geschäftsführers wegen Pflichtverletzungen aus, die er in dem von dem Entlastungsbeschluss umfassten Zeitraum begangen hat.

Ausnahmen und Einschränkungen

Von diesen Grundsätzen macht der Bundesgerichtshof eine Ausnahme: Die Gesellschafterversammlung muss die Entlastung "ohne Vorbehalt" beschlossen haben. Der Entlastungsbeschluss kann so eingeschränkt werden, dass von ihm nur die Komplementär-GmbH, nicht aber deren Geschäftsführer umfasst sind. Denkbar ist auch eine Ausnahme bestimmter Sachverhalte, etwa wenn diese in Grundzügen bekannt, aber noch nicht abschließend aufgearbeitet sind.

Zudem versehen sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Oberlandesgericht Brandenburg die oben beschriebenen Grundsätze mit einer Einschränkung: Ersatzansprüche und Kündigungsgründe sind durch den Entlastungsbeschluss immer nur insoweit ausgeschlossen, als die in dem Zeitraum, für den die Entlastung erteilt wird, begangenen Pflichtverletzungen für die Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte der Geschäftsführung erkennbar sind oder soweit alle Gesellschafter privat Kenntnis von den Pflichtverletzungen erlangt haben. War die Pflichtverletzung den Gesellschafter nicht bekannt und mussten sie auch keine Kenntnis davon haben, hilft der Entlastungsbeschluss dem Geschäftsführer nicht.

Grundsätzlich anders verhält es sich schließlich in der Aktiengesellschaft: § 120 Abs. 2 AktG bestimmt hier ausdrücklich, dass ein Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung nicht zu einem Ausschluss von Ersatzansprüchen führt.

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