EU Lieferkettengesetz auf der Zielgeraden

Die EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) – in der deutschen Öffentlichkeit meistens (ungenau) als EU Lieferkettengesetz bezeichnet – befindet sich auf der Zielgeraden: Laut einer Pressemitteilung des Europäischen Parlaments hat der zuständige Rechtsausschuss (Legal Affairs Committee) am 19. März 2024 mit der erforderlichen Mehrheit für den zur Abstimmung gestellten Entwurf der CSDDD gestimmt.

Die Richtlinie bedarf zu ihrem Inkrafttreten noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union, was von Beobachtern des politischen Betriebs in Brüssel aber nur noch als Formalität angesehen wird.

Dem Beschluss des Rechtsausschusses lag ein angepasster Entwurf der CSDDD vom 15. März 2024 zugrunde (auf Englisch als PDF hier im Volltext verfügbar), der gegenüber dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission unter anderem Änderungen bei den von der CSDDD erfassten Unternehmen vorsieht.

Ziele

Die CSDDD verpflichtet Unternehmen, Vorkehrungen zu treffen, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt möglichst zu vermeiden und jedenfalls zu minimieren, und zwar in Bezug auf ihre eigenen Tätigkeiten, die Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften und die Tätigkeiten ihrer Geschäftspartner in der Lieferkette der Unternehmen. Wie diese Vorkehrungen auszusehen haben, bestimmt die CSDDD in umfangreichen Detailregelungen, die hier nicht im Einzelnen dargestellt werden können.

Um dieses Ziel zu erreichen, sieht die CSDDD die Errichtung von Aufsichtsbehörden vor, welche die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben überwachen. Flankiert wird dies durch umfangreiche Berichtspflichten der Unternehmen, die Möglichkeit zur Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen sowie eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen.

Die CSDDD verpflichtet Unternehmen außerdem, einen Übergangsplan für den Klimaschutz zu verabschieden und umzusetzen, der nach besten Kräften die Vereinbarkeit des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C gemäß dem Paris-Übereinkommen sicherstellen soll.

Erfasste Unternehmen

Der nun verabschiedete Entwurf bezieht sich nicht mehr nur auf Kapitalgesellschaften, sondern umfasst auch die in Anhang II der Richtlinie 2013/34/EU genannten Personengesellschaften. Aus deutscher Sicht sind von der CSDDD damit die Rechtsformen Aktiengesellschaft (einschließlich Societas Europaea), Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft erfasst.

Die CSDDD gilt nur für Unternehmen, die in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR:
    • Das Unternehmen beschäftigte im Durchschnitt mehr als 1.000 Mitarbeiter und erzielte im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss festgestellt wurde oder hätte festgestellt werden müssen, einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 450 Mio. EUR; oder
    • Das Unternehmen hat die unter dem vorherigen Absatz genannten Schwellenwerte nicht erreicht, ist aber die oberste Muttergesellschaft einer Gruppe, welche die Schwellenwerte im letzten Geschäftsjahr, für das ein konsolidierter Jahresabschluss festgestellt wurde oder hätte festgestellt werden müssen, erreicht hat; oder
    • Das Unternehmen hat Franchise- oder Lizenzvereinbarungen in der Union mit unabhängigen Drittunternehmen geschlossen oder ist die oberste Muttergesellschaft einer Gruppe, die Franchise- oder Lizenzvereinbarungen in der Union gegen Lizenzgebühren geschlossen hat, wenn diese Vereinbarungen eine gemeinsame Identität, ein gemeinsames Geschäftskonzept und die Anwendung einheitlicher Geschäftsmethoden gewährleisten und wenn sich diese Lizenzgebühren auf mehr als 22,5 Mio. EUR im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss festgestellt wurde oder hätte festgestellt werden müssen, und sofern das Unternehmen die oberste Muttergesellschaft einer Gruppe war oder ist, die im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss festgestellt wurde oder hätte festgestellt werden müssen, einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 80 Mio. EUR erzielt hat.
  • Gesellschaften mit Sitz in einem Drittland:
    • Das Unternehmen hat in dem vorletzten Geschäftsjahr in der Union einen Nettoumsatz von mehr als 450 Mio. EUR erzielt; oder
    • Das Unternehmen hat die unter dem vorstehenden Absatz genannten Schwellenwerte nicht erreicht, ist aber die oberste Muttergesellschaft einer Gruppe, die auf konsolidierter Basis die unter dem vorstehenden Absatz genannten Schwellenwerte in dem vorletzten Geschäftsjahr erreicht hat; oder
    • Das Unternehmen hat in der Union Franchise- oder Lizenzvereinbarungen gegen Lizenzgebühren mit unabhängigen Drittunternehmen geschlossen oder ist die oberste Muttergesellschaft einer Gruppe, die in der Union Franchise- oder Lizenzvereinbarungen gegen Lizenzgebühren mit unabhängigen Drittunternehmen geschlossen hat, sofern diese Vereinbarungen eine gemeinsame Identität, ein gemeinsames Geschäftskonzept und die Anwendung einheitlicher Geschäftsmethoden gewährleisten und sich diese Lizenzgebühren in dem vorletzten Geschäftsjahr in der Union auf mehr als 22,5 Mio. EUR beliefen und sofern das Unternehmen bzw. die Gruppe in dem vorletzten Geschäftsjahr in der Union einen Nettoumsatz von mehr als 80 Mio. EUR erzielt hat.

Befreiungsmöglichkeit für oberste Mutterunternehmen

Für oberste Muttergesellschaften gibt es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, sich von den Vorgaben der CSDDD zu befreien:

  • Dazu muss die Haupttätigkeit der obersten Muttergesellschaft im Halten von Anteilen an operativen Tochtergesellschaften bestehen und sie darf sich nicht an Management-, operativen oder Finanzentscheidungen beteiligen, die sich auf die Gruppe oder eine oder mehrere ihrer Tochtergesellschaften auswirken.
  • Diese Befreiung ist an die Bedingung geknüpft, dass eines der in der Union niedergelassenen Tochterunternehmen der obersten Muttergesellschaft dazu bestimmt wird, die in wesentlichen Bestimmungen der CSDDD festgelegten Verpflichtungen im Namen der obersten Muttergesellschaft zu erfüllen, einschließlich der Verpflichtungen der obersten Muttergesellschaft in Bezug auf die Tätigkeiten ihrer Tochterunternehmen.
  • In einem solchen Fall muss die benannte Tochtergesellschaft mit allen erforderlichen Mitteln und rechtlichen Befugnissen ausgestattet werden, um diesen Verpflichtungen wirksam nachzukommen, insbesondere um sicherzustellen, dass die benannte Tochtergesellschaft von den Unternehmen der Gruppe die relevanten Informationen und Unterlagen erhält, um die Verpflichtungen der obersten Muttergesellschaft gemäß der Richtlinie zu erfüllen.
  • Um diese Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen zu können, muss die oberste Muttergesellschaft ein Verfahren bei den zuständigen Behörden durchlaufen.
  • Darüber hinaus haftet die oberste Muttergesellschaft gemeinsam mit der benannten Tochtergesellschaft für die Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus der CSDDD.

Bußgelder / Zivilrechtliche Haftung

Die CSDD sieht vor, dass die Mitgliedstaaten ihre Regeln durch die Einrichtung von Aufsichtsbehörden durchsetzen müssen. Bei Verstößen gegen die Vorschriften haben die Aufsichtsbehörden unter anderem das Recht und die Pflicht, Bußgelder auf der Grundlage des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens zu verhängen. Die Höchstgrenze der Bußgelder muss mindestens 5 % des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens in dem Geschäftsjahr, das der Entscheidung über die Verhängung der Geldbuße vorausging, betragen.

Darüber hinaus unterliegen die Unternehmen einer zivilrechtlichen Haftung: Ein Unternehmen kann nach der CSDDD für den einer natürlichen oder juristischen Person zugefügten Schaden haftbar gemacht werden, sofern das Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen bestimmte Verpflichtungen aus der CSDD verstoßen hat und infolge dieses Verstoßes ein nach nationalem Recht geschütztes Rechtsgut der natürlichen oder juristischen Person verletzt wurde. Ersetzt werden soll nur der tatsächlich entstandene Schaden, einen Strafschadensersatz sieht die CSDDD – vorbehaltlich weiter reichender mitgliedstaatlicher Regelungen – nicht vor.

Inkrafttreten / Umsetzungsfrist / Anwendungszeitpunkt

Die CSDDD wird am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Union in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten müssen die CSDDD innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten umsetzen. Für die Anwendung der mitgliedstaatlichen Regelungen gilt:

  • Die Bestimmungen der Mitgliedstaaten müssen drei Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD für Unternehmen gelten, die (a) ihren Satzungssitz in dem Mitgliedstaat und im Durchschnitt mehr als 5.000 Beschäftigte haben und im letzten Geschäftsjahr vor dem Zeitpunkt der Anwendung einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 1.500 Mio. EUR erzielt haben, oder (b) ihren Satzungssitz in einem Drittland haben und im letzten Geschäftsjahr vor dem Zeitpunkt der Anwendung einen Nettoumsatz von mehr als 1.500 Mio. EUR in der Union erzielt haben.
  • Die Bestimmungen der Mitgliedstaaten müssen vier Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD für Unternehmen gelten, die (a) ihren Satzungssitz in dem Mitgliedstaat und im Durchschnitt mehr als 3.000 Beschäftigte haben und im letzten Geschäftsjahr vor dem Zeitpunkt der Anwendung weltweit einen Nettoumsatz von mehr als 900 Mio. EUR erzielt haben, oder (b) ihren Satzungssitz in einem Drittland haben und im letzten Geschäftsjahr vor dem Zeitpunkt der Anwendung einen Nettoumsatz von mehr als 900 Mio. EUR erzielt haben.
  • Für alle anderen Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der CSDDD fallen, müssen die Bestimmungen der Mitgliedstaaten fünf Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD gelten.

Umsetzung in Deutschland

Es steht zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber die CSDDD nach ihrem Inkrafttreten durch eine Anpassung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) umsetzen wird.

Dieses erfasst seit dem 1. Januar 2024 Unternehmen mit Sitz im Inland, die selber oder in der Gruppe mindestens 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen, ohne dass es auf den erzielten Umsatz ankommt. Dadurch hat das LkSG einen im Vergleich zur CSDDD erweiterten Anwendungsbereich.

Es ist derzeit eher nicht zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber die bislang vom LkSG erfassten Unternehmen zukünftig davon ausnehmen wird, weil die CSDDD erst ab einem bestimmten Umsatz eingreift. Derzeit wahrscheinlicher ist, dass er die Anforderungen der CSDDD auch auf die schon bislang vom LkSG erfassten Unternehmen erstrecken wird.

Entscheidend wird letztlich sein, wie sich die politische Lage in Deutschland im Zeitpunkt der Umsetzung darstellen wird. Wesentliche Stimmen der Opposition und auch Teile der aktuell regierenden Koalition haben sich gegen die CSDDD ausgesprochen, was zur Folge hatte, dass Deutschland sich bei der Abstimmung in Brüssel der Stimme enthalten hat.

Autor

  • Gesellschaftsrecht
  • M&A
  • Prozessführung und Schiedsverfahren