EuGH-Urteil zum Alleinvertrieb: Verkaufsverbote nur bei nachweisbarer Zustimmung aller Händler zulässig
EuGH-Urteil zum Alleinvertrieb: Verkaufsverbote nur bei nachweisbarer Zustimmung aller Händler zulässig
Mit Urteil vom 8. Mai 2025 (C‑581/23, Beevers Kaas/Albert Heijn) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, unter welchen Voraussetzungen Anbieter ihren Händlern verbieten dürfen, aktiv in ein exklusiv zugewiesenes Vertriebsgebiet zu verkaufen. Die Entscheidung betrifft zentrale Fragen des europäischen Kartellrechts und konkretisiert die Anforderungen an wirksame Alleinvertriebsvereinbarungen.
Ein Verkaufsverbot in ein Exklusivgebiet ist demnach nur dann zulässig, wenn der Anbieter gegenüber allen übrigen Händlern klar kommuniziert hat, dass dieses Gebiet einem bestimmten Abnehmer exklusiv zugewiesen ist – und diese Händler dem aktiven Verkaufsverbot ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben. Die bloße Tatsache, dass andere Händler das Gebiet nicht aktiv bearbeiten, reicht nicht aus, um eine zulässige Vereinbarung im Sinne des Kartellrechts anzunehmen.
Hintergrund: Streit um den Käsevertrieb in Belgien
Cono, Hersteller von Beemster-Käse, hatte der Beevers Kaas BV exklusiv das Recht eingeräumt, diesen Käse in Belgien zu vertreiben. Die Supermarktkette Albert Heijn bezog jedoch ebenfalls Käse von Cono und verkaufte ihn in Belgien – obwohl sie von der Exklusivvereinbarung wusste. Beevers Kaas sah darin einen Verstoß gegen das ihr gewährte Alleinvertriebsrecht, während Albert Heijn sich auf das Kartellrecht berief: Ein Verkaufsverbot sei nicht zulässig, wenn es nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen erfülle.
Die Entscheidung des EuGH: Klare Anforderungen an Verkaufsverbote
Der EuGH stellte klar:
- Ein Verkaufsverbot gegenüber anderen Händlern ist nur dann gruppenfreigestellt, wenn
(a) der Anbieter sie konkret aufgefordert hat, das Exklusivgebiet zu respektieren, und
(b) sie dieser Aufforderung zugestimmt haben – entweder ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten. - Der reine Umstand, dass Händler in ein bestimmtes Gebiet nicht aktiv verkaufen, reicht nicht aus, um eine solche Zustimmung anzunehmen.
- Zulässig kann ein Verkaufsverbot hingegen sein, wenn die Zustimmung der Händler durch objektive Indizien belegt werden kann, etwa wenn – der Anbieter eine entsprechende Vertragsklausel oder Mitteilung verwendet hat,
– und ein System zur Überwachung oder Sanktionierung bei Zuwiderhandlung besteht.
Der EuGH betont außerdem: Die Ausnahme vom Kartellverbot (Art. 4 lit. b Ziff. i Vertikal-GVO) gilt nur für den Zeitraum, in dem eine solche Vereinbarung und Zustimmung tatsächlich nachgewiesen werden kann.
Praktische Implikationen für Unternehmen
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen für Hersteller und Anbieter, die mit exklusiven Vertriebsstrukturen arbeiten:
- Die Zuweisung eines Exklusivgebiets allein reicht nicht. Anbieter müssen aktiv und nachweisbar sicherstellen, dass andere Händler sich an ein Verkaufsverbot halten.
- Verträge sollten Verkaufsverbote ausdrücklich regeln – idealerweise schriftlich und mit klarer Bezugnahme auf die Exklusivität.
- Konkludente Vereinbarungen sind rechtlich möglich, aber unsicher. Sie bergen Beweisschwierigkeiten und kartellrechtliche Risiken.
- Wer Exklusivhändler schützen will, sollte Zusatzmaßnahmen zur Durchsetzung (etwa Überwachung oder Sanktionen) in sein Vertriebssystem integrieren.
Fazit
Der EuGH verschärft die Anforderungen an die kartellrechtskonforme Ausgestaltung von Alleinvertriebssystemen. Anbieter können den Schutz exklusiv zugewiesener Gebiete nicht stillschweigend voraussetzen, sondern müssen ihn ausdrücklich mit allen betroffenen Händlern vereinbaren – und im Streitfall auch belegen können. Vertriebsverträge sollten entsprechend überprüft und angepasst werden, um rechtssicher zu bleiben.


