Familienstiftungen (Teil 1) – Steuerklassenprivileg vs. Erbersatzsteuer – was wird fallen?

24. März 2025
Dr. Markus Schewe

In absehbarer Zeit wird eine Entscheidung des EuGH wichtige Auswirkungen auf die Zukunft von Familienstiftungen als Gestaltungsinstrument haben. Das Finanzgericht Köln (Beschluss vom 30.11.2023 – 7 K 217/21) hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob das Steuerklassenprivileg für inländische Familienstiftungen auch auf durch Inländer in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum errichtete Familienstiftungen anzuwenden ist.

Hintergrund des Falles ist eine vor einigen Jahren von einer in Deutschland lebendenden Stifterin in Liechtenstein errichtete rechtsfähige Familienstiftung. Die Übertragung von Vermögen bei der Errichtung einer Familienstiftung ist steuerrechtlich als Schenkung zu qualifizieren und unterfällt damit der Besteuerung nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Grundsätzlich ist bei einer schenkweisen Übertragung von Vermögen auf eine juristische Person die denkbar schlechteste Steuerklasse mit den höchsten Steuersätzen anzuwenden und zwar Steuerklasse III mit einem Anfangssteuersatz von 30 % oder einem Freibetrag von lediglich 20.000,00 EUR.

Für die erstmalige Kapitalausstattung einer Familienstiftung macht § 15 Abs. 2 ErbStG aber eine wichtige Ausnahme – das sog. Steuerklassenprivileg. Danach ist für die Besteuerung (fiktiv) das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Stifter und dem nach der Stiftungssatzung entferntesten Berechtigten maßgeblich. Es ist also das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Stifter und der Person zugrunde zu legen, die nach der Satzung begünstigt ist und zwar diejenigen, bei der die weiteste Verwandtschaftsentfernung vorliegt. Im konkreten Fall hatte die Stifterin sich selbst und die mit ihr in absteigender Linie verwandten Abkömmlinge begünstigt. In diesem Fall wäre unter Anwendung des Steuerklassenprivilegs eine Besteuerung nach Steuerklasse I mit einem Freibetrag von 100.000,00 EUR und einem Eingangssteuersatz ab 7 % (30 % erst ab einem Vermögen von 26 Mio. EUR) in Frage gekommen. Das Finanzamt hielt § 15 Abs. 2 ErbStG aber nicht für anwendbar, weil die Norm von einer im Inland errichteten Familienstiftung ausgehe und folglich für eine im Ausland errichtete Stiftung das Steuerklassenprivileg nicht gelte, folglich wäre hier die Steuerklasse III gegeben.

Das Hessische Finanzgericht hatte bereits in einer Entscheidung aus 2019 die Beschränkung auf inländische Familienstiftungen für eindeutig unzulässig gehalten, weil dies gegen die europarechtliche Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Eine Anrufung des EuGH war wegen der Überzeugung des Gerichts von der Unwirksamkeit der Inlandsbeschränkung nicht erforderlich, die zunächst eingelegte Revision zum BFH hatte das Finanzamt später zurückgenommen. Eine finale Klärung dieser Frage blieb also aus. Das Finanzgericht Köln geht in seiner aktuellen Entscheidung nicht soweit, dass es bereits von der Unzulässigkeit der Inlandsbeschränkung ausgeht, sondern hat lediglich Zweifel an der Vereinbarkeit von § 15 Abs. 2 ErbStG mit der europarechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit, die – obwohl Liechtenstein kein EU-Staat ist – hier aber trotzdem betroffen ist, da das ebenso im Verhältnis zu Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsrates gilt.

Das Finanzgericht Köln sieht als einzige mögliche Rechtfertigung für die ausschließliche Privilegierung von inländischen Familienstiftungen einen etwaigen Zusammenhang mit der Erbersatzsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Eine Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist zulässig, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, und ein solch wichtiger Grund könnte die Kohärenz des deutschen Steuersystems sein. Das würde aber voraussetzen, dass ein zwingender Zusammenhang zwischen der Begünstigung durch das Steuerklassenprivileg einerseits und der besonderen Belastung für inländische Stiftungen durch die Erbersatzsteuer andererseits gegeben wäre. Das FG Köln setzt sich in der Entscheidung ausführlich mit der Entstehungsgeschichte beider Regelungen auseinander und kommt so zwar zum Ergebnis, dass es Ziel des Gesetzgebers gewesen sei, mit dem Steuerklassenprivileg die mit der Einführung der Erbersatzsteuer einhergehenden besonderen Nachteile für Familienstiftungen teilweise zu kompensieren, hat aber am Ende doch Zweifel daran, dass die Verbindung zwischen beiden Instrumenten so stark ist, dass es eine Ausnahme von der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen könne.

Da die Rechtsprechung des EuGH traditionell den Grundfreiheiten des Europarechts, wozu insbesondere auch die Kapitalverkehrsfreiheit gehört, einen hohen Rang zuweist, muss man eher davon ausgehen, dass der EuGH die Beschränkung auf inländische Familienstiftungen für europarechtswidrig hält, sodass auch eine im europäischen Ausland oder in einem EWR-Staat gegründete Familienstiftung das Steuerklassenprivileg zukünftig in Anspruch wird nehmen können.

Die spannende Frage wird dann sein, wie der deutsche Gesetzgeber darauf reagiert. Wenn er nichts tut, wird die Familienstiftung in Deutschland wohl zu einem Auslaufmodell werden, da die Steuervorteile bei der Errichtung im Ausland – in Betracht kommen, insbesondere Liechtenstein und Österreich – gleichermaßen genutzt werden können, die lästige Erbersatzsteuer diese Stiftungen dann aber nicht trifft. Die damit einhergehende Kapitalflucht kann nicht im nationalen Interesse sein. Letztlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie der Gesetzgeber reagieren kann: Er streicht das Steuerklassenprivileg gänzlich, was wegen der damit einhergehenden massiven Erhöhung der Steuerlast bei Errichtung einer Familienstiftung diese in vielen Fällen unattraktiv macht, oder aber er streicht für Familienstiftungen im Inland die Erbersatzsteuer, was angesichts der allgemeinen Debatte zur Erbschaftsteuer und der typisch deutschen Neidkultur nicht unbedingt zu erwarten ist.

Es bleibt spannend.