Finger weg vom jungen dynamischen Team – Bundesarbeitsgericht senkt Anforderungen an eine unzulässige Altersdiskriminierung bei Stellenausschreibungen

Wer möchte nicht gern Mitglied eines „jungen, dynamischen Teams“ sein oder zumindest werden? Das dachten sich auch die Verantwortlichen eines international tätigen Personalberatungsunternehmens und suchten in einer Stellenausschreibung mit der vorstehenden Selbstbeschreibung einen „Junior-Consultant“.

HINTERGRUND UND VERFAHRENSGANG

Der 42-jährige spätere Kläger – ob dieser im Hinblick auf sein Lebensalter aus einem „jungen“ Team überhaupt herausgeragt hätte, dürfte im Auge des Betrachters liegen – bewarb sich und erhielt schon wenige Tage später eine nicht näher spezifizierte Absage. Prompt zog er unter Beauftragung eines auf Klagen nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 14.08.2006 (AGG)spezialisierten Anwaltes gegen die Absage gerichtlich zu Felde und verlangte auf Grund unzulässiger Altersdiskriminierung Schadensersatz in Höhe von drei entgangenen Bruttomonatsentgelten, den er im konkreten Fall auf insgesamt 16.000,00 € bezifferte.

Nachdem das Arbeitsgericht in erster Instanz der Klage zu einem Teilbetrag von 6.000,00 € stattgegeben hatte, kam die zweite Instanz zu einer vollständigen Abweisung des Klagebegehrens. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes war das „junge dynamische Team“ nur eine Beschreibung des Istzustandes der ausschreibenden Arbeitgeberin und beinhaltete die ausgeschriebene Position eines „Junior-Consultant“ nur das Fehlen größerer Berufserfahrung. Beide Elemente waren nach Einschätzung des Landesarbeitsgerichtes weder unmittelbar noch mittelbar altersdiskriminierend.

GRUNDSATZENTSCHEIDUNG DES BAG UND DESSEN MÖGLICHE FOLGEN

In seiner ausführlich begründeten Grundsatzentscheidung vom 11.08.2016 – 8 AZR 406/14 – sieht der für Diskriminierungsfragen zuständige achte Senat des BAG dies jedoch deutlich anders. Nach seiner Auffassung liegt eine unmittelbare Altersdiskriminierung vor. Er hob deshalb die zweitinstanzliche Entscheidung auf und verwies das Verfahren zur abschließenden Entscheidung, vor allem über die genaue Höhe des entstandenen Schadens, an das Landesarbeitsgericht zurück.

Der Senat ist der Auffassung, dass bereits die Selbstbeschreibung des vorhandenen Teams als „jung“ nur so verstanden werden könne, dass auch nur junge Bewerber angesprochen werden sollten. Verstärkt werde dies noch durch den Begriff „dynamisch“, da hier eine Eigenschaft beschrieben werde, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben werde. Hier ergibt sich der erste Kritikpunkt an der Entscheidung: An die Stelle einer klaren Analyse tritt viel Spekulation, welche offenbar von eigenen subjektiven Wertungen des Gerichts, was unter jeweils „jung“ oder „alt“ zu verstehen oder hiermit zu verbinden ist, getragen wird. Vor allem aber führt die Gleichsetzung einer Selbstbeschreibung des ausschreibenden Unternehmens mit den an einen Bewerber (vermeintlich) gestellten Anforderungen zwangsläufig dazu, dass auch objektiv zutreffende Selbstbeschreibungen nur noch eingeschränkt möglich sind. Besteht tatsächlich ein „junges dynamisches Team“ (so etwas soll es geben) ist der Hinweis hierauf, obwohl zutreffend, schadensersatzträchtig. Eine vergleichbare Entwicklung ist aus dem Bereich der ausufernden Zeugnisrechtsprechung bekannt – auch dort hat die Überbetonung des Grundsatzes der positiven Beurteilung gerade in der Instanzrechtsprechung zu der jeder Personalleitung bekannten weitgehenden Aushöhlung des (tatsächlich!) ebenfalls existenten Grundsatzes der Zeugniswahrheit geführt.

Zwei weitere Begründungskomplexe aus der umfangreichen Entscheidung werden bei Unternehmen und redlichen Bewerbern wenig Freude auslösen:

Zum einen ist der Senat nunmehr endgültig auf den sog. „formalen“ Bewerberbegriff“ umgeschwenkt. In diesem Zusammenhang geht es um die leider in der Praxis nicht seltenen, durchaus professionell agierenden „Bewerber“, welche Stellenanzeigen mit und ohne technische Hilfsmittel auf möglicherweise diskriminierende Merkmale hin durchsuchen und sich anschließend zwecks Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bewerben. Dies kann bei ausreichender „Professionalisierung“ durchaus den Lebensunterhalt sichern.

Nachdem die Veröffentlichung solcher sog. „AGG-Hopper“ in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes an datenschutzrechtlichen Bestimmungen und entsprechenden Einwendungen der zuständigen Behörden gescheitert war, wird es durch die neue Entscheidung des BAG noch schwerer werden, Schadensersatzansprüchen der Voll- und Semiprofis bei der (angeblichen) Diskriminierung zu entgehen. Im vorliegenden Fall hielt der Senat es keinesfalls für ausreichend, dass der Kläger offensichtlich schon in zahlreichen anderen Verfahren Schadensersatz wegen unzulässiger Altersdiskriminierung bei der Stellenbesetzung geltend gemacht hatte und dass in diesem Zusammenhang sogar ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen ihn lief. Der geforderte Vollbeweis, dass es dem Bewerber ausschließlich auf den Schadensersatz und nicht die Besetzung der ausgeschriebenen Position ankommt, ist dem beklagten Unternehmen – wie kaum anders zu erwarten – nicht gelungen.

Zum anderen sind die Hinweise des Senates zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen in Konstellationen der vorliegenden Art ebenfalls kaum praxistauglich: Die Anforderung, die getroffene und als nicht diskriminierungsfrei angegriffene Besetzungsentscheidung „praktisch unanfechtbar“ zu begründen, läuft im Ergebnis auf die Übertragung des aus den Stellenbesetzungsverfahren des öffentliches Dienstes im Beamten- und Arbeitsrecht bekannten, in Art. 33 Abs. 2 GG grundrechtlich verankerten Prinzips der Bestenauslese auf die Privatwirtschaft hinaus. Die dort sowohl bei der Stellenausschreibung als auch im anschließenden Auswahlverfahren zu beachtenden inhaltlichen und formalen Anforderungen werden jeden Mittelständler, aber auch größere Unternehmen mit eigenen Rechtsabteilungen vor nahezu unüberwindbare inhaltliche und formale Hürden stellen.

FAZIT

Die Kombination aus immer höheren Anforderungen an Stellenausschreibung und Besetzungsverfahren mit einem ausgeprägtem Bewerberschutz macht die veröffentliche Neubesetzung von Positionen zunehmend zum Risikogeschäft für die Unternehmen. Dem gut gemeinten Schutz vor rechtlich unzulässigen Diskriminierungen erweist dies zugleich einen schlechten Dienst. Dies ist umso bedauerlicher, als Unternehmen und (redliche) Bewerber in Zeiten einer hohen Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften auf einen funktionierenden Bewerbungsmarkt, in welchem nicht jeder Schritt schadensersatzrechtlich vermintes Gelände ist, angewiesen sind.

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