Fingerabdruckscanner am Werktor?!

Entsprechend der in unserem Blog bereits besprochenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.05.2019 (Az.: C-55/18) sind Arbeitgeber verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit erfasst werden kann. An einer Umsetzung des Urteils des EuGH durch den deutschen Gesetzgeber fehlt es bisher noch. Allerdings nimmt beispielsweise das Arbeitsgerichts Emden sogar eine unmittelbare Verpflichtung – ohne mitgliedsstaatliche Umsetzung – zur Einrichtung eines derartigen Zeiterfassungssystems für Arbeitgeber an (ArbG Emden, Urt. v. 20.02.2020 – 2 Ca 94/19).

Für Arbeitgeber stellt sich somit die berechtigte Frage, wie sie eine – den Grundsätzen des EuGH entsprechende – Arbeitszeiterfassung gewährleisten können. Im digitalen Zeitalter hat die klassische Stempelkarte bereits lange ausgedient. Heute bieten sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Arbeitszeit der Mitarbeiter elektronisch zu erfassen. Aber gerade bei der elektronischen Arbeitszeiterfassung gibt es Stolpersteine, auf die Arbeitgeber dringend achten sollten, wie eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zeigt (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 04.06.2020 – 10 Sa 2130/19).

Was war passiert?

In dem vom LAG Berlin-Brandenburg zu entscheidenden Fall führte der Arbeitgeber ein neues elektronisches Zeiterfassungssystem ein. Dieses System identifiziert die einzelnen Mitarbeiter mittels eines biometrischen Fingerabdruckscanners, wozu es ausschließlich die Minutien (Koordination der Schnittpunkte) des Fingerabdrucks speichert. Zur Erfassung der Arbeitszeit gleicht das System die hinterlegten Minutien der Mitarbeiter bei jeder An- und Abmeldung mit dem vom Scanner abgetasteten Fingerabdruck ab. Eine Rekonstruktion des Fingerabdrucks auf Basis der gespeicherten Minutien ist nicht möglich. Nach der Einführung verweigerte ein Mitarbeiter die Nutzung des neuen Zeiterfassungssystems und erfasste seine Arbeitszeit weiterhin – wie in der Vergangenheit üblich – lediglich per Hand auf einem ausgedruckten Dienstplan. Der Arbeitgeber mahnte den betroffenen Mitarbeiter daraufhin wegen der unterlassenen Nutzung des Zeiterfassungssystems mehrfach ab, wogegen dieser sich mit der streitgegenständlichen Klage wehrte.

Biometrische Zeiterfassung nur in Ausnahmefällen zulässig

Das LAG Berlin-Brandenburg folgte mit seinem Urteil der bereits zu Gunsten des Mitarbeiters ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin und befand im vorliegenden Fall, dass die Erfassung der Arbeitszeit durch ein System mittels Fingerabdruck nicht erforderlich im Sinne der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bzw. des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und damit grundsätzlich unzulässig ist.

Diesbezüglich führte das Landesarbeitsgericht aus, dass es sich bei Minutien um biometrische Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 14 DSGVO handelt, da diese, mittels eines technischen Verfahrens gewonnenen, physischen Merkmale, die eindeutige Identifizierung einer natürlichen Person ermöglichen. Nach Maßgabe von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sei die Verarbeitung von entsprechenden biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person grundsätzlich untersagt. Eine ausnahmsweise zulässige Verarbeitung komme nur in denen vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen in Betracht (vgl. Art. 9 Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 3 BDSG), beispielsweise wenn die Verarbeitung erforderlich ist, um den aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechten und Pflichten nachzukommen, soweit dies nach Unionsrecht, nationalem Recht oder einer Kollektivvereinbarung zulässig ist. 

Das LAG Berlin-Brandenburg lehnte die Erforderlichkeit einer biometrischen Arbeitszeiterfassung mittels Fingerabdruck in seinem Urteil ab. Nach Ansicht des Gerichts war vorliegend insbesondere das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung jeglicher Manipulationen bei der Zeiterfassung nicht ausreichend, um den erheblichen Grundrechtseingriff beim Arbeitnehmer zu rechtfertigen.

Allerdings gehen sowohl das Arbeitsgericht Berlin als auch das LAG Berlin-Brandenburg davon aus, dass grundsätzlich Ausnahmefälle denkbar sind, in denen eine Zeiterfassung mittels Fingerabdruckscanner rechtmäßig erfolgen könne. Zu denken wäre beispielsweise an eine ausdrückliche Einwilligung des Arbeitnehmers (wobei sich hier die Problematik der Freiwilligkeit/Widerruflichkeit einer solchen stellen dürfte) oder eine entsprechende Kollektivvereinbarung.

Auswirkungen auf die Praxis

Arbeitgeber sind vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung gut beraten, die Arbeitszeit Ihrer Mitarbeiter mittels eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen System zu erfassen. Hieraus folgt jedoch nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg nicht die Erforderlichkeit einer biometrischen Zeiterfassung, beispielweise mittels Fingerabdrucks. Vielmehr weist das Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils sogar ausdrücklich auf die Möglichkeit der Zeiterfassung unter Verwendung eines Ausweisleser-Systems (Chipkarten oder Transponder) als milderes Mittel zur Verwendung von biometrischen Daten hin.

Es ist jedoch festzustellen, dass auch das LAG Berlin-Brandenburg der biometrischen Zeiterfassung nicht endgültig „den Riegel vorgeschoben“ hat. Für eine Zulässigkeit sind jedoch über die bloße Arbeitszeiterfassung hinausgehende Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers erforderlich.

Im Ergebnis sollten Arbeitgeber vor der Einführung einer biometrischen Arbeitszeiterfassung die erheblichen (datenschutzrechtlichen) Risiken zwingend identifizieren und im Rahmen ihrer Entscheidung berücksichtigen.