Fortsetzung der BGH-Rechtsprechung zur Wohnraumkündigung wegen „geschäftlichen“ Nutzungsbedarfes

In unserem Blogbeitrag vom 11. April 2017 haben wir uns mit einem Urteil des BGH auseinandergesetzt, in dem dieser erstmalig Leitlinien zum Umgang mit Wohnraumkündigungen wegen sog. Berufs- oder Geschäftsbedarfes aufgestellt hat (BGH, Urteil vom 29.03.2017, Az.: VIII ZR 45/16). Nun liegt ein weiteres Urteil der Karlsruher Richter vor (BGH, Urteil vom 10.05.2017, Az.: VIII ZR 292/15), mit welchem näher ausgeführt wird, welche Anforderungen an ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Wohnraummietverhältnisses zu stellen sind, wenn die Interessenlage eine Nähe zur Verwertungskündigung im Sinne von § 573 Absatz 2 Nr. 3 BGB aufweist.

HINTERGRUND

Der Kläger ist an einer GmbH beteiligt, die Trägerin verschiedener Einrichtungen mit medizinischer, sozialer, pädagogischer und rehabilitativer Betreuung ist. Die Beklagten sind Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung in Rostock, welches dem Kläger gehört. Auf dem Grundstück sollte ein „Arbeits- und Lebensprojekt“ der GmbH mit insgesamt 23 Wohnplätzen entstehen. Finanziert werden sollte dies durch Fördermittel. Die Kündigung des streitgegenständlichen Wohnraummietverhältnisses begründete der Kläger damit, dass anderenfalls das „Arbeits- und Lebensprojekt“ nicht realisiert werden könne. Erst durch die Schaffung der Wohnplätze erfolge die Zahlung der Fördermittel. Unabhängig von den drei für die streitgegenständliche Wohnung geplanten Wohngruppenplätzen wurde mit der Umsetzung des Projekts begonnen. Einzelne Räume des Wohnhauses wurden nach der Sanierung zweckentsprechend genutzt.

DIE ENTSCHEIDUNG

Die Karlsruher Richter haben im vorstehenden Fall ein berechtigtes Interesse für eine Kündigung des Wohnraummietverhältnisses i. S. d. § 573 Abs. 1 S. 1 BGBabgelehnt.

Anknüpfend an das Urteil des Senates vom 29.03.2017, Az.: VIII ZR 45/16 haben die Karlsruher Richter ausgeführt, dass eine einzelfallbezogene Feststellung und Abwägung der Interessen des Mieters und des Vermieters erfolgen müsse und die Regeltatbestände des § 573 Absatz 2 BGB für die entsprechende Abwägung erste Anhaltspunkte enthalten. Im vorliegenden Fall wies die vom Kläger geltend gemachte Interessenlage nach Auffassung der Karlsruher Richter eine größere Nähe zur Verwertungskündigung auf. Der Kläger verfolge primär wirtschaftliche Interessen. Zwar sei nicht die Erhöhung der Mieteinnahmen, aber die Einsparung von Sanierungs- und Umbaukosten durch den Einsatz der Fördermittel, gewollt. An dem möglichen Gewinn der GmbH sei der Kläger als Gesellschafter beteiligt.

Wie bereits in der vorangegangenen Entscheidung des Senats vom 29.03.2017 ausgeführt wurde, sei damit für eine wirksame Wohnraumkündigung erforderlich, dass der Vermieter durch die Vorenthaltung der Mieträume Nachteile von einigem Gewicht erleide. Der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige Senat gibt nun entscheidende Hinweise, was dieser unter Nachteilen von einigem Gewichtversteht. Allein die Tatsache, dass drei der geplanten insgesamt 23 Wohnplätze nicht geschaffen werden können, lässt der Senat für einen solchen Nachteil von einigem Gewicht nicht ausreichen. Vielmehr sei eine Gefährdung des gesamten Projekts und dessen Finanzierung erforderlich, was hier nicht gegeben sei, weshalb das berechtigte Kündigungsinteresse im Sinne der Generalklausel des § 573 Abs. 1 S. 1 BGB verneint wurde.

FAZIT

Das neue Urteil ist wegweisend für die Frage, welche Anforderungen zukünftig an ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses zu stellen sind, wenn die Interessenlage eine Nähe zur Verwertungskündigung im Sinne von § 573 Absatz 2 Nr. 3 BGB aufweist. In der anwaltlichen Beratung sollte man jedenfalls davon ausgehen, dass eine bloße Erschwerung oder Einschränkung der Nutzungsabsichten des Vermieters für eine wirksame Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses nicht ausreichend sein wird.

Autorin

  • Mietrecht
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