Die deutsche Fusionskontrolle findet grundsätzlich auf alle Vorhaben Anwendung, die die Aufgreifkriterien gemäß den §§ 35, 37 GWB erfüllen. Für bestimmte Krankenhausfusionen wurde im Zuge der am 19.01.2021 in Kraft getretenen 10. GWB-Novelle in § 186 Abs. 9 GWB eine bis Ende 2027 befristete Sonderregelung eingeführt. Bestimmte Formen standortübergreifender Zusammenschlüsse von akutstationären Krankenhäusern werden hiernach von der deutschen Fusionskontrolle ausgenommen, soweit das Vorhaben nach der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (KHSFV) förderungsfähig und wettbewerblich im Übrigen unbedenklich ist (s. hierzu meinen Blogbeitrag vom 11.02.2021). Mit Wirkung vom 01.01.2025 ist nunmehr durch den Gesetzgeber des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) eine bis zum 31.12.2030 geltende, deutlich weitergehende Ausnahmeregelung geschaffen worden. Die bisherige Regelung (nunmehr in § 187 Abs. 9 GWB) findet erst nach Auslaufen der neuen Ausnahmeregelung (wieder) Anwendung.
Welche Voraussetzungen müssen Krankenhausfusionen für diese neue Privilegierung erfüllen, gibt es mithin eine zeitlich befristete Bereichsausnahme für Krankenhausfusionen, und wie läuft das Genehmigungsverfahren im Einzelnen ab?
Inhalt der Neuregelung in § 187 Abs. 10 GWB
Gem. § 187 Abs. 10 GWB ist die deutsche Fusionskontrolle nicht anzuwenden auf einen Zusammenschluss im Krankenhausbereich, sofern
- der Zusammenschluss eine standortübergreifende Konzentration von mehreren Krankenhäusern im Sinne des § 2 Nr. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) oder einzelnen Fachrichtungen solcher Krankenhäuser zum Gegenstand hat,
- die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden der Bundesländer, in denen die am Zusammenschluss beteiligten Krankenhäuser/Fachrichtungen belegen sind, schriftlich bestätigen, dass sie den Zusammenschluss zur Verbesserung der Krankenhausversorgung für erforderlich halten und den Zusammenschluss nach vorliegenden Erkenntnissen keine anderen wettbewerblichen Vorschriften entgegenstehen, und
- der Zusammenschluss bis zum 31.12.2030 vollzogen wird.
Zusammenschlüsse im Krankenhausbereich
Die neue Vorschrift nimmt Zusammenschlüsse im Krankenhausbereich von der Fusionskontrolle aus. Da ausschließlich Vorhaben in den Anwendungsbereich der Fusionskontrolle fallen, die einen Zusammenschlusstatbestand im Sinne des § 37 GWB erfüllen, können demgemäß auch nur solche Vorhaben privilegiert werden, die einen Zusammenschlusstatbestand erfüllen. Erfasst sind also Fusionen im engeren Sinne, die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens oder der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an einem Krankenhaus. Nicht privilegiert, aber ohnehin nicht anmeldepflichtig sind demgegenüber Anteilserwerbe durch andere Krankenhäuser unterhalb der Schwelle des wettbewerblich erheblichen Einflusses oder – durch branchenfremde Erwerber - unterhalb der Schwelle von 25 %.
Allerdings werden nicht alle Zusammenschlüsse im Krankenhausbereich durch § 187 Abs. 10 GWB privilegiert. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Zusammenschluss eine „standortübergreifende Konzentration mehrerer Krankenhäuser oder Fachrichtungen verschiedener Krankenhäuser“ betrifft. Welche Arten von Zusammenschlüssen genau als standortübergreifende Konzentration einzuordnen sind, lässt sich weder dem Gesetz noch seiner Begründung entnehmen. Die genaue Reichweite der Ausnahmeregelung wird also noch durch die Praxis auszuloten sein. Jedenfalls sind Vorhaben davon erfasst, die zur Schließung von Krankenhausstandorten oder zur Reduzierung von Fachrichtungen, die an einem Standort angeboten werden, führen. Dies entspricht der generellen Zielsetzung des KHVVG, eine sachgerechte Konzentration von Versorgungsstrukturen zu erreichen. Nicht privilegiert sind in jedem Fall Vorhaben, die eine Beteiligung eines Krankenhausträgers an einem von einem anderen Krankenhausträger gehaltenen Krankenhaus oder auch die Neugründung eines zusätzlichen Krankenhauses durch zwei Krankenhausträger betreffen. Ebenso wenig privilegiert sind Erwerbe an Alten- und Pflegeheimen oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ).
Erforderlichkeit zur Verbesserung der Krankenhausversorgung
Der Zusammenschluss muss zur Verbesserung der Krankenhausversorgung erforderlich sein. Konkrete Voraussetzungen hierfür stellt das Gesetz nicht auf. Ausreichend dürfte es sein, wenn das Vorhaben die Ziele der Krankenhausreform nach dem KHVVG verwirklicht. Dies dürfte jedenfalls bei einer standortübergreifenden Konzentration im engeren Sinne regelmäßig der Fall sein.
Kein Entgegenstehen wettbewerbsrechtlicher Vorschriften
Dem Zusammenschluss dürfen keine anderen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Gemeint sind damit kartellrechtliche Vorschriften außerhalb der Fusionskontrolle, in erste Linie also das Kartellverbot des § 1 GWB. Relevant wird diese Frage primär dann, wenn zwei aktuelle oder zumindest potentielle Wettbewerber im Wege der standortübergreifenden Konzentration ein gemeinsames Krankenhaus betreiben wollen. In diesen Fällen muss insbesondere darauf geachtet werden, dass keine kartellrechtlich unzulässigen Wettbewerbsverbote zwischen den Zusammenschlussbeteiligten vereinbart werden.
Vollzug bis zum 31.12.2030
Das Zeitfenster für die fusionskontrollrechtliche Privilegierung schließt sich zum 31.12.2030. Danach greift wieder die bereits bis Ende 2024 geltende Regelung des § 187 Abs. 9 GWB (§ 186 Abs, 9 GWB a.F.) ein. Erforderlich ist mithin, dass das Vorhaben tatsächlich bis zum 31.12.2030 vollzogen wird.
Verfahren
Krankenhausfusionen, die (nach Auffassung der beteiligten Unternehmen) die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen, sind grundsätzlich nicht mehr beim BKartA anzumelden. Vielmehr müssen die Beteiligten bei der (oder den) für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde(n) einen Antrag auf schriftliche Bestätigung stellen, dass das Vorhaben die Voraussetzungen nach § 187 Abs. 10 GWB erfüllt. Für diese Prüfung hat die zuständige Behörde grundsätzlich 2 Monate Zeit, darf aber auch nicht vor Ablauf von einem Monat entscheiden. Erst wenn die Landesbehörde die Bestätigung ablehnt oder nicht binnen 2 Monaten nach Eingang des Antrags erteilt, sind die Parteien berechtigt, das Vorhaben gemäß § 39 GWB beim BKartA anzumelden. So werden parallele Verfahren nach Möglichkeit vermieden.
Die zuständige Landesbehörde veröffentlicht den Antrags nach dessen Eingang auf ihrer Internetseite, und zwar in vollem Wortlaut. Es empfiehlt sich daher, den Antrag so zu formulieren, dass dieser keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Parteien oder sonstige Details des Vorhabens enthält, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.
Gegenstand der Prüfung durch die zuständige Landesbehörde ist insbesondere, ob andere wettbewerbliche Vorschriften dem Vorhaben entgegenstehen. Zwar soll diese Prüfung einerseits nur auf Basis der, der Behörde „vorliegenden Erkenntnisse“ erfolgen. Andererseits soll sich die Behörde vor Erteilung der Bestätigung hierüber mit dem BKartA „ins Benehmen“ setzen, d.h. eine (schriftliche) Stellungnahme des BKartA einholen und bei seiner Prüfung berücksichtigen. Zwar ist es ausweislich der Gesetzesbegründung offenkundig Wunsch des Gesetzgebers des KHVVG, dass das BKartA hierbei keine weiteren, eigenen Ermittlungen anstellt. Allerdings schließen weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 187 Abs. 10 GWB solche aus, da die Vorschrift Krankenhausfusionen ausschließlich fusionskontrollrechtlich, also nicht hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Kartellverbot privilegieren soll. Gerade bei der Bildung von Gemeinschaftsunternehmen im Zuge der Zusammenlegung von Krankenhäusern ist aufgrund der strengen Entscheidungspraxis des BKartA (und des BGH) Vorsicht geboten.
Fazit
Die Neuregelung des § 187 Abs. 10 GWB schränkt den Anwendungsbereich der deutschen Fusionskontrolle im Bereich von Krankenhausfusionen bis Ende 2030 erheblich ein, stellt aber keine Bereichsausnahme dar. Vielmehr sind nur bestimmte Formen von Krankenhausfusionen privilegiert, und dies auch nur fusionskontrollrechtlich. Das Kartellverbot bleibt auf diese Vorhaben uneingeschränkt anwendbar. Es ist auch davon auszugehen, dass das BKartA die ihm verbleibenden Befugnisse im Rahmen seiner Stellungnahme im Antragsverfahren vor der für Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nutzen wird. Kartellrechtliche Nonchalance bei der Vertragsgestaltung ist daher nicht empfehlenswert.