Gasversorgungskrise: Wen betreffen die Notfallmaßnahmen der Netzbetreiber?

Als Folge des Krieges in der Ukraine bereitet sich die Bundesregierung gegenwärtig auf eine mögliche erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage vor. Hierzu hat der Bundeswirtschaftsminister am 30.03.2022 die sog. Frühwarnstufe des dreistufigen Notfallplans Gas ausgerufen. Der „Notfallplan Gas“ basiert auf der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung (sog. Erdgas-SoS-Verordnung). Die Ausrufung der Frühwarnstufe (1. Stufe) erfolgt bei konkreten, ernst zu nehmenden und zuverlässigen Hinweisen darauf, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Kommt es zu einer solchen Verschärfung der Gasversorgungslage, können im Nachgang zur Frühwarnung die Alarmstufe (2. Stufe) sowie die Notfallstufe (3. Stufe) ausgerufen werden.

Zur Beseitigung von Störungen oder Gefährdungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems sind Betreiber von Fernleitungs- und Gasverteilernetzen berechtigt und verpflichtet, gegenüber Gasverbrauchern die in § 16 EnWG und § 16a EnWG geregelten Maßnahmen zu ergreifen. In den vergangenen Tagen und Wochen haben Netzbetreiber zahlreiche der von ihnen mit Erdgas belieferten Unternehmen über die Möglichkeit einer Kürzung oder gar Abschaltung von der Gasversorgung informiert und in diesem Zusammenhang teilweise über eine erfolgte Einstufung als „nicht geschützte Kunden“ unterrichtet. Hintergrund dieser Mitteilung ist, dass bestimmte vom Gesetzgeber als besonders schützenswert erachtete Gasverbraucher auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmung des § 53a EnWG im Fall eines Engpasses bei der Gasversorgung gegenüber anderen Gasabnehmern – den sog. nicht geschützten Kunden –  bevorzugt beliefert werden. Zu diesen geschützten Kunden i.S.d. § 53a EnWG gehören seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht“ vom 16.07.2021 (BGBl. I S. 3026) nicht nur private Haushaltskunden, sondern insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen aus dem Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, sofern ihr Gasverbrauch über standardisierte Lastprofile gemessen wird. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 53a EnWG sind kleine und mittlere Unternehmen im Fall eines Gasversorgungsengpasses ähnlich wie private Haushaltskunden gegenüber größeren Gewerbe- oder Industriekunden vorrangig mit Erdgas zu versorgen. Ob die Vorgaben des § 53a EnWG erfüllt sind, ist im Einzelfall zu prüfen und erforderlichenfalls gegenüber dem betreffenden Netzbetreiber darzulegen.

Bei Fragen stehen Ihnen Rechtsanwalt Dr. Johannes Schulte und Rechtsanwalt Nils Möller gerne zur Verfügung.