Generelles Verbot von Windrädern in Waldgebieten ist verfassungswidrig

Trotz der hervorgehobenen Bedeutung der Windenergie für den künftigen deutschen Energiemix kommt der Neu- und Ausbau von Windkraftanlagen nur schleppend voran. Um insoweit eine Trendwende einzuleiten, einigte sich die Bundesregierung im Juni dieses Jahres auf das sog. Windenergieflächenbedarfsgesetz („WindBG“). Kern dieser Novelle war die verbindliche Vorgabe an die Bundesländer von mengenmäßigen Flächenzielen für die Ausweisung von Windenergiegebieten (wir berichteten).

Inzwischen hat das Gesetz den Bundestag passiert und wird zum 2. Februar 2023 in Kraft treten. Damals wie heute ist der Widerstand einiger Bundesländer gegen obligatorische Vorgaben des Bundes in diesem Bereich jedoch groß. Mit Beschluss vom 27.09.2022 (Az. 1 BvR 2661/21) hat das Bundesverfassungsgericht („BVerfG“) diesen Ländern ein Argument genommen. Ein generelles Windrad-Verbot in Waldgebieten ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

Um was ging es in dem Beschluss des BVerfG?

Wenn eine bestehende Waldfläche für eine andere Nutzung, beispielsweise für die Errichtung eines Windrads, genutzt werden soll, bedarf es dazu nach § 9 Abs. 1 Bundeswaldgesetz („BWaldG“) einer sog. Waldumwandlungsgenehmigung. Grundsätzlich steht es den Ländern frei, die Umwandlung weiteren gesetzlichen Einschränkungen zu unterwerfen (§ 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG). Von dieser Ermächtigung hatte das Land Thüringen dahingehend Gebrauch gemacht, dass es eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen in § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes („ThürWaldG“) vollständig untersagte. Genau diese Regelung wurde durch mehrere Eigentümerinnen und Eigentümer von Waldgrundstücken in Thüringen angegriffen und im Ergebnis für verfassungswidrig erklärt.

Wie hat das BVerfG seinen Beschluss begründet?

Das BVerfG erklärte § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG für formell verfassungswidrig, weil es dem Land Thüringen an der notwendigen Gesetzgebungskompetenz fehlte und die Waldeigentümer*innen deshalb in ihrem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz („GG“) verletzt wurden.

Das BVerfG ordnete die landesrechtliche Vorschrift der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bodenrechts nach Art. 74 Abs. 18 GG zu, weil sich § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG im Kern mit der Nutzung von „Grund und Boden“ beschäftige. Weil der Bundesgesetzgeber in § 35 Abs. 1 Nr. 5 des Baugesetzbuches für das Bodenrecht abschließend entschieden habe, dass die Nutzung von Windenergieanlagen im Waldbereich grundsätzlich möglich sein soll, bestünde für ein pauschales Verbot kein Raum.

Daran ändere laut Beschluss des BVerfG auch § 9 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG nichts. Die Vorschrift erlaube dem Landesgesetzgeber zwar grundsätzlich, eine Umwandlung des Waldes weiteren Einschränkungen zu unterwerfen, allerdings nicht in der Pauschalität wie vom Thüringer Landesgesetzgeber geschehen.

Welche Folgen hat die Entscheidung?

Gleich mehrere Aspekte dieser Entscheidung sind in rechtlicher und zugleich politischer Hinsicht interessant. In rechtlicher Hinsicht hat das BVerfG einem pauschalen Verbot zwar eine Absage erteilt, allerdings kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass die Bundesländer generell keine Möglichkeiten haben, den Bau von Windkraftanlagen in Waldgebieten einzuschränken. Entscheidend ist, dass in einer einschränkenden Vorschrift der spezifische landestypische Waldschutzbedarf zum Ausdruck kommt, der im Einzelfall Vorrang vor der Errichtung einer Windkraftanlage genießen kann. Denkbar wäre daher beispielsweise, dass das Land Thüringen eine bestimmte Waldart, die im Bundesland besonders gefährdet ist, mit einer entsprechenden Begründung unter Schutz stellt.

Aus politischer Perspektive hat das Land Thüringen bereits angekündigt, schnellstmöglich eine verfassungskonforme Gesetzeslage zu schaffen. Und auch in anderen Bundesländern, namentlich Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, wird man den Beschluss des Gerichts zur Kenntnis nehmen. Denn die dortigen Landesgesetzgeber haben in ihren Waldgesetzen vergleichbare pauschale Windrad-Verbote verankert.

Schließlich verdeutlicht dieser Fall auf interessante Weise, dass nicht immer die Menschen vor Ort der Grund dafür sind, dass der Ausbau erneuerbarer Energien stockt. Denn im konkreten Fall waren es gerade die Waldeigentümer*innen, die den Ausbau der Windenergie vorantreiben wollten.